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Wie emotional muss Politik sein?

Von Brigitte Pechar

Politik

Der ÖVP fehle es an Emotionen, bescheinigt der Volkspartei ein Werber. Die "Wiener Zeitung" befragt Politikberater, wie wichtig Emotionen in der Politik sind.


Wien. Die Dauerkoalitionspartner SPÖ und ÖVP ringen gerade darum, sich schärfere Profile zuzulegen. Die ÖVP tut dies, indem sie für Donnerstag und Freitag 150 hauptamtliche Funktionäre zu einem Treffen mit Parteichef Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und dem neuen ÖVP-Generalsekretär Werner Amon nach Wien gebeten hatte, um die Marke ÖVP mit ihnen zu besprechen.

Auf SPÖ-Seite wiederum versucht deren Vorsitzender, Bundeskanzler Christian Kern, seit seinem Amtsantritt im Mai der Paertei ein neues, kantigeres Auftreten zu verpassen. Die Verweigerung einer unumschränkten Zustimmung zu Ceta, dem Freihandelsvertrag der EU mit Kanada, war Teil davon.

Dass Ceta die Koalition spaltet, ist ja mit dem SPÖ-Präsidiumsbeschluss vom Freitag vom Tisch. Aber an Koalitionssprengsätzen - Mindestsicherung, Pensionen, Arbeitszeit, Steuer, Notverordnung, etc. - herrscht ja kein Mangel.

Der Werber Alois (Luigi) Schober von Young & Rubicam, der Alfred Gusenbauer (SPÖ) 2006 zum Wahlsieg verholfen hat, hat nun für die ÖVP schon einmal ein Wahlkampfpapier ausgearbeitet. Darin bescheinigt er der Volkspartei ein distanziertes, kaltes und unemotionales Image. Werner Amons Anspruch ist es daher jetzt, "die ÖVP kantiger und emotionaler zu machen", wie er der APA sagte.

Vor allem an Wärme fehlt es der ÖVP also. Politikberater Thomas Hofer hält diesen Befund für zutreffend, warnt aber gleichzeitig davor, erst im Wahlkampf emotional aufzutreten. "Das muss schon während der Legislaturperiode geschehen." Die ÖVP habe etwa verabsäumt, das Thema Ceta positiv zu besetzen. So hätte man mit Arbeitsplätzen und Export argumentieren können. Aber die Volkspartei setze oft zu spät auf Emotionen, konstatiert Hofer. Einziges positives Beispiel: die Abstimmung über Wehrpflicht.

Die SPÖ wiederum versuche krampfhaft, diese Emotionalität, die sie noch in der Kreisky-Ära hatte - Stichwort "soziale Wärme" -, wiederzugewinnen. Allerdings breche da - nach so vielen Jahren in der Regierung - langsam die Glaubwürdigkeit weg, sagt Hofer. "Ich kann nur emotional sein, wenn das auch glaubwürdig rüberkommt." Das treffe sowohl auf die SPÖ als auch auf die ÖVP zu.

In Ermangelung einer positiven Emotionslage flüchtet man sich in Wahlkämpfen verstärkt in Negativkampagnen. Im laufenden US-Wahlkampf setzt Hillary Clinton nahezu ausschließlich auf ein Negative-Campaigning gegen Donald Trump. "Diese negative Komponente ist in vielen Kampagnen fast das dominierende Element. Emotionalität ist in modernen Wahlkampagnen unerlässlich."

Meister der Emotionalisierung war Jörg Haider. Er habe bewusst provoziert, habe aber gewusst, dass die Heerschar der Gegner größer ist als jene der Befürworter. Die FPÖ bestimme mit Emotionalisierungen noch immer die politische Agenda etwa mit der Erzeugung von Furcht vor dem Ungewissen, sagt Hofer. Diese emotionale Klaviatur beherrsche die FPÖ sehr gut und beweise das auch mit Zwischenkampagnen.

Meinungsforscher und Politikberater Peter Hajek befindet nicht, dass das Problem der ÖVP die mangelnde Emotionalität ist. Er ist allerdings wie Hofer der Meinung, dass am Anfang Inhalte stehen müssen, die Emotion sei eine Folge. "Das Problem der ÖVP ist, dass sie nicht mehr erklären kann, wofür sie steht." Hier komme Außenminister Sebastian Kurz ins Spiel. Dieser habe ein klares, konservatives Profil. Wenn klar erkennbar sei, für welche Werte eine Partei oder Person stehe, komme automatisch die Emotionalität. "Ohne politische Position keine Emotion und kein Image. Außer das Image, dass man für nichts steht", sagt Hajek. Kurz sei als Person gut positioniert. Er habe Ideen, werde wahrgenommen und sei für die Wähler authentisch.

Das gelte genauso für Kanzler Christian Kern und FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache. "Diese Authentizität kann man nicht durch einen Wahlkampf erzeugen, das muss man leben." Daher rät Hajek den Parteien, zuerst Themen zu erarbeiten, intern abzuklären, was man tatsächlich will und erst dann das Thema nach außen zu tragen.

"Emotionen spielen eine große Rolle in der Politik", sagt Politikwissenschafter Peter Filzmaier. Das sei ein Schwerpunkt sowohl in der Politikwissenschaft als auch bei Politikberatern. Aber: wichtig sei die Stimmigkeit mit dem Gesamtbild. Eine Oppositionspartei könne mit Emotionen wie Ärger und Wut sehr gut punkten. Das würden auch alle Daten belegen: Würden etwa nur jene Menschen wählen, die Zuversicht empfinden, hätten die Regierungsparteien bessere Ergebnisse. Würden umgekehrt nur jene wählen, die Ärger oder Zukunftsängste empfinden, ginge die FPÖ als Wahlsieger hervor.

Während die Freiheitlichen es gut schafften, den Auftritt mit diesen negativen Emotionen zu verbinden, schafften es die Regierungsparteien nicht, mit Zuversicht und Vertrauen zu punkten - weil sie zerstritten sind. Es geht also um die Stimmigkeit und auch um die Rolle.

Im Übrigen befindet Filzmaier, der Befund von Schober für die ÖVP sei nicht neu. "Ich würde behaupten, 2006 hat die ÖVP die Wahl auch deshalb verloren, weil sie mit internationalen Tabellen argumentierte, wie gut es den Österreichern geht." Tabellen seien aber völlig unerheblich für das spezielle Gefühl des Einzelnen.