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"Überfall", "Angriff"

Von Simon Rosner

Politik

Ein geplantes Deregulierungspaket des Umweltministeriums führt zu großer Aufregung.


Wien. Im Vorjahr hat Umweltminister Andrä Rupprechter ein Langzeitprojekt auf den Weg gebracht. Monatelang wühlte sich eigens eine Kommission im Sinne der Deregulierung und Entbürokratisierung durch insgesamt 50 Bundesgesetze und 300 Verordnungen. Das gesamte Paket, das nun Änderungen von 18 Gesetzen und die Aufhebung weiterer 7 Gesetze vorsieht, hätte im Sommer in Begutachtung gehen sollen. Tatsächlich wurde es allerdings erst am 17. Oktober auf die parlamentarische Reise geschickt. Zeit für die Begutachtung: lediglich fünf Tage. "Eine fachlich fundierte Auseinandersetzung ist innerhalb dieser Frist nicht möglich", sagt Thomas Alge von der Umweltdachorganisation Ökobüro.

Seit 17. Oktober herrscht deshalb einigermaßen Aufregung. NGOs laufen Sturm, am Freitag sprachen die Grünen Landesräte aus Tirol, Kärnten, Salzburg, Vorarlberg und Oberösterreich sogar von einem "Überfall" durch den Minister. Dieser erinnerte die Landespolitiker postwendend daran, dass es zu diesem Paket eine Pressekonferenz im Juli gab.

Warum sich dann die Begutachtung um Monate verzögert hat, ist schwer zu eruieren. Die Koalitionspartner sehen das Versäumnis - natürlich - bei der jeweils anderen Seite, dabei sind politische Konfliktlinien hier nur schwer auszumachen. Es geht unter anderem ums Düngemittelgesetz, das Chemikaliengesetz, das Rebenverkehrsgesetz und das Spanische-Hofreitschule-Gesetz.

Dass sich selbst bei diesem Vorhaben die Verhandlungen derart ziehen, obwohl es weitgehend fachliche Aspekte sind, die auf den 21 Seiten des Entwurfs abhandelt werden, ist für das Koalitionsklima bezeichnend. Und auch, wie es dann am Ende zu einer so kurzen Begutachtungsfrist kam, die es Dritten wohl tatsächlich verunmöglicht, exakt zu prüfen, ob es sinnvoll ist, zum Beispiel Dicofol und Bifenox in die Liste der Schadstoffe im Wasserrechtsgesetz aufzunehmen.

Das Projekt des Umweltministeriums ist jedenfalls in das umfassende Deregulierungspaket der Bundesregierung eingebettet, das am 2. November vorgestellt wird. Bis dahin sollten laut Ministerratsvortrag von Anfang September auch konkrete legistische Maßnahmen vorliegen. Daran wollte man sich auch halten, vollendete den Entwurf jedoch - und warum auch immer - nicht vor dem 17. Oktober. Somit ergab sich dann eben die Begutachtungsfrist von nur fünf Tagen.

Fristerstreckung nach Telefonat der Minister

Dass dies gar sehr kurz ist, bestätigt auch das Ministerium, doch seien Rupprechter aufgrund der Terminvorgabe aus dem Bundeskanzleramt die Hände gebunden. Also Anruf im Büro des zuständigen Ministers Thomas Drozda: Warum wird das nicht verlängert? Ein Sprecher verweist darauf, dass der Terminplan seit September vorliege und sich zudem Rupprechter bisher auch nicht um eine Fristerstreckung erkundigt habe. Auch diese Episode ist nicht gerade ein Ruhmesblatt innerkoalitionärer Kommunikation.

Am Freitagnachmittag kam es dann plötzlich, oh Wunder, doch zu einem Telefonat zwischen Rupprechter und Drozda, und die Begutachtung wurde auf vier Wochen erstreckt. Die Regierung kann damit freilich trotzdem am 2. November die Umwelt-Pläne in ihr großes Deregulierungspaket einpacken, auch wenn die legistische Ausarbeitung noch nicht beendet sein wird. Doch so übergenau muss man nicht sein.

Es ist auch nicht zu erwarten, dass die Begutachtung zu umfassenden Änderungen führen wird, auch wenn die Grünen Landesräte am Freitag in den Plänen einen "Angriff auf Umweltschutzstandards" sahen.

In der fachlichen Kritik steht aber nur die geplante Novelle eines der 18 Gesetze, nämlich jene des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes, kurz UVP. Es soll eine Maximaldauer von vier Wochen pro Verfahren festgeschrieben werden, was Experten kritisieren. Bei großen Projekten wie etwa im Straßenbau oder bei Hochspannungsleitungen könne man in vier Wochen nicht alle Umweltauswirkungen prüfen. Was nicht untersucht werden konnte, würde gewissermaßen aus dem UVP-Verfahren wieder als Risiko an die Projektbetreiber zurückfließen. Die Verfahren wären dann zwar wohl tatsächlich kürzer, die Projekte durch den Risikotransfer aber teurer, was wohl kaum intendiert sein kann.

Ein weiterer kritischer Punkt ist, dass NGOs, die sich an einem UVP-Verfahren als Partei beteiligen, künftig ihre Spender offen legen müssen. So steht es im Entwurf. Auch hier dürfte es noch Verhandlungsbedarf geben, außerdem sind Fragen des Datenschutzes zu klären.

Die Umweltdachorganisation Ökobüro schlägt deshalb vor, den UVP-Teil überhaupt aus dem Paket vorerst herauszulösen, da Österreich bis zum Frühjahr ohnehin eine EU-Richtlinie umsetzen muss und das UVP-Gesetz dafür sowieso erneut novellieren müsste. Insofern sei es vernünftiger, dies in aller Ruhe bis Frühjahr vorzubereiten.