Wien. Mehr als ein halbes Jahr lang beschäftigten sich Experten und Politiker in Österreich mit einem unangenehmen Thema, das im Alltag gerne weggeschoben wird: mit dem Ende des Lebens. Die Regierung einigte sich rasch auf den Ausbau der Palliativ- und Hospizeinrichtungen, die ein Sterben ohne Schmerzen ermöglichen. Im März 2015 wurde der Beschluss der von SPÖ und ÖVP eingesetzten parlamentarischen Enquete-Kommission festgeschrieben und veröffentlicht. Dann wurde es still um die wichtigen Fragen über ein möglichst selbstbestimmtes Sterben. Die öffentliche Debatte verhallte so schnell, wie sie gekommen war - zwischen Politikpräferenzen wie Hypo und Wahlsonntagen.
Auch der Beschluss des deutschen Bundestages im Herbst 2015, der die geschäftsmäßige Sterbehilfe in Deutschland unter Strafe stellte, fand hierzulande kein Echo. Die Ruhe wurde von einem Gerichtsfall aus Salzburg unterbrochen. Dieser zeigte die Unsicherheiten der heimischen Gesetzgebung bei der Versorgung am Lebensende. Ein Anästhesist musste sich wegen fahrlässiger Tötung verantworten, weil er einer sterbenden Frau eine zu hohe Dosis Morphium verabreicht haben soll. Morphiumgaben zur Symptomlinderung gehören für Palliativmediziner aber zum Alltag. Der Prozess am Landesgericht Salzburg ist noch nicht zu Ende. Nach zwei Sitzungen wurde dieser auf unbestimmte Zeit vertagt. Ein Gutachter soll klären, ob der Arzt sorgfältig gehandelt hat. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Über Fälle wie diese wird seit Dezember des Vorjahres in einem mit Experten gespickten Hospiz- und Palliativforum der Regierung diskutiert. Die Sterbehilfe-Debatte findet praktisch hinter verschlossenen Türen statt. Einer der Experten ist Harald Retschitzegger, Leiter der Österreichischen Palliativgesellschaft (OPG). Das Forum habe im Zuge des Salzburger Falls einen Antrag an das Gesundheitsministerium gestellt. Mit einer Gesetzesänderung sollen Palliativmediziner mehr Rechtssichereit bekommen. "Es muss klar sein, wenn man nicht um jeden Preis Leben verlängert, nichts Verbotenes tut", sagt Retschitzegger. "Ärzte, die nach den Qualitätsstandards arbeiten, sollen keine Angst vor juristischen Konsequenzen haben müssen." Die Antrag wird im Ministerium derzeit geprüft.
Ungeregelte Finanzierung
Die allgemeine Debatte über die Sterbebegleitung sei für Retschitzegger "nicht weg". Sie würde nur in der Öffentlichkeit im Moment nicht so groß diskutiert werden. "Das sehe ich aber nicht als Problem", sagt der Palliativmediziner. "Seit der Diskussion im Parlament wissen wir, was es braucht. Jetzt müssen die festgelegten Punkte umgesetzt werden."