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Lebenserwartung nicht berücksichtigt

Von Brigitte Pechar

Politik

IHS-Ökonom Hofer beurteilt Pensionspaket Stögers vorsichtig positiv. Pensionistenvertreter fordern mehr als 0,8 Prozent.


Wien. Die Pensionskommission hat am Donnerstag den Anpassungsfaktor für die Pensionen von 0,8 Prozent im kommenden Jahr bestätigt. Die Anpassung der Pensionen für 2017 ergibt sich aus der durchschnittlichen Inflationsrate von August 2015 bis Juli 2016. Weitere Pensionserhöhungen seien in der Kommission nicht besprochen worden, wurde von mehreren Mitgliedern der "Wiener Zeitung" bestätigt.

So verlangen die SPÖ-Pensionisten unter Führung von Karl Blecha eine Einmalzahlung von 100 Euro für alle Pensionisten. "Wir werden jedenfalls darum kämpfen", sagte Blecha und verwies darauf, dass sich auch Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) bereits dafür ausgesprochen hätten. Er führte ins Treffen, dass der Finanzminister heuer um 508 Millionen Euro weniger als im Budgetvoranschlag angenommen für Pensionszusatzzahlungen aufwenden muss, weil die Maßnahmen greifen und das Pensionsantrittsalter weiter ansteigt. Blechas Zusatz-100er würde um die 200 Millionen Euro kosten.

Die Chefin der ÖVP-Senioren, Ingrid Korosec, würde zwar auch eine Einmalzahlung nehmen, fordert aber eine Pensionserhöhung um 1,3 statt 0,8 Prozent für alle bis zum Medianeinkommen von 1050 Euro, weil Einmalzahlungen nicht nachhaltig seien. Die Einmalzahlung bei 255.000 Mehrfachpensionen abzuklären, sei außerdem ein bürokratischer Aufwand und es sei nicht klar, ob diese brutto oder netto ausbezahlt werden solle.

Sozialminister Stöger zeigte sich optimistisch, dass eine höhere Pensionsanpassung als die von der Kommission laut Gesetz vorgesehenen 0,8 Prozent trotz des Widerstandes der ÖVP noch gelingen werde. Er befürwortet die Einmalzahlung - auch deshalb, weil sie vor allem für die unteren Einkommen relativ stark wirkt.

Im Gegensatz zum Vorjahr hat die Kommission auch das mittelfristige Gutachten beschlossen. Diesmal gab es nur drei Gegenstimmen, nämlich von den Vertretern der FPÖ und der Neos. FPÖ-Seniorensprecher Werner Neubauer begründete die Ablehnung der freiheitlichen Mitglieder damit, dass 0,8 Prozent nur "Almosen" seien. In einer Aussendung kündigte Neubauer an, die FPÖ werde bei der Budgetdebatte im Parlament eine Pensionsanpassung um 1,3 Prozent und eine Mindestpension von 1200 Euro verlangen.

Pensionszuschuss erhöht sich bis 2011 auf 12,3 Milliarden

Stöger freute sich, dass man akzeptiert habe, dass die gesetzten Maßnahmen zur Sicherung der Pensionen wirken. Das Gutachten der Kommission zeigt, dass die Bundesmittel für die Pensionen von 2,92 Prozent des BIP im Vorjahr auf 3,23 Prozent im Jahr 2021 steigen werden. In absoluten Zahlen: im Vorjahr betrug der Bundesbeitrag zu den ASVG-Pensionen (alle, außer Beamte) 9 Milliarden Euro, 2021 werden 12,3 Milliarden prognostiziert.

Den Anstieg erklärt Helmut Hofer, Mitglied der Pensionskommission und Wirtschaftsforscher am Institut für Höhere Studien, damit, dass jetzt die starken Babyboomer-Jahrgänge ins Pensionsalter kommen. Er falle aber ohnehin nicht so hoch aus, weil die Zahl der Beschäftigten ständig ansteigt. So sind derzeit 2,3 Millionen Menschen in Pension (ohne pensionierte Beamte) und 4,1 Millionen Menschen (davon 500.000 Selbständige) in Beschäftigung.

Stöger freute sich, dass man akzeptiert habe, dass die gesetzten Maßnahmen zur Sicherung der Pensionen wirken. Er sieht darin auch ein Zeichen, dass die Pensionen in Österreich sicher seien. Der Sozialminister verwies darauf, dass im Gegensatz dazu in Deutschland die Bundesregierung den Geringverdienern sagen müsse, dass sie ein erhöhtes Risiko für Altersarmut hätten.

Kommission wirdwesentlich kleiner

Im Vorjahr war das Gutachten nicht beschlossen worden, weil die der ÖVP zuzurechnenden Mitglieder dies ablehnten, was allerdings keinerlei Folgen nach sich zog. In der Folge entspann sich eine Debatte um die Zusammensetzung der Kommission, die mit dem Vorsitzenden - derzeit Rudolf Müller - 35 Mitglieder umfasst. Die Reform der Pensionskommission ist noch kein Punkt der Pensionsreform, die der Sozialminister jetzt in eine Kurzbegutachtung (bis 4. November) geschickt hat. Stöger will dieses Thema aber noch zeitgerecht abschließen und gemeinsam mit der Pensionsreform ins Parlament bringen. Geplant ist eine deutliche Verkleinerung. Pensionskommissionsvorsitzender Müller betonte, dass man auf etwaige Änderungen vorbereitet sei. Zur Frage, ob er dann Vorsitzender bleiben werde, gab er sich zurückhaltend, es sei Aufgabe des Sozialministers zu klären, wie die Kommission künftig aussieht. Er gab aber zu bedenken, dass er Ende 2017 auch als Verfassungsrichter in Pension gehe.

Ein zweiter strittiger Punkt in der Koalition fehlt ebenfalls noch in Stögers Entwurf zur Pensionsreform: der Zielpfad für die Kosten des Pensionssystems. Dieser Zielpfad sei notwendig, weil die Pensionskommission danach beurteilt, ob der Weg stimme oder ob es Maßnahmen brauche, sagte Hofer. Änderungen im Pensionssystem hätten langfristige Auswirkungen, man müsse also langfristig planen. Die SPÖ wünscht sich, dass Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) die Beamtenzahlen in den Zielpfad einrechnet. Damit werde das Gesamtbild günstiger, weil die sehr teuren Beamtenpensionen zunehmend wegfallen, sagt Hofer. In den Vorlagen, die an die EU-Kommission geschickt werden, seien die Beamtenpensionen bereits jetzt integriert.

Ökonom Hofer beurteilte das Pensionsreformpaket, das Stöger in Begutachtung geschickt hat, grundsätzlich positiv. Es komme halt darauf an, ob und wie die Anreize (Bonus-Modell, Reha-Maßnahmen) angenommen würden. Aber eines fehle, sagt Hofer: "Die Bindung der Pensionen an die Lebenserwartung ist nicht drin." Wenn man aber die Pension als Versicherungsleistung begreife, dann sei klar, dass es sich versicherungsmathematisch nicht darstellen lasse, wenn man die Pension statt 20 Jahre 25 Jahre auszahle. Das gehe sich dann eben nicht aus.

Pensionssplitting

Pro Kind können künftig Teilgutschriften bis zu sieben Jahre (derzeit bis zu vier Jahre) auf das Pensionskonto des Partners übertragen werden. Der Antrag auf Übertragung soll künftig bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahres des Kindes, also drei Jahre länger als nach dem geltenden Recht, gestellt werden können.

Bonus für längeres Arbeiten

Wer vor dem gesetzlichen Pensionsalter (Frauen 60, Männer 65) in Pension geht, hat pro Jahr 4,2 Prozent Abschläge, bekommt also bei drei Jahren vorzeitiger Pension um 12,6 Prozent weniger. Im umgekehrten Fall wird die Pension um diesen Prozentsatz erhöht. Neu ist nun, dass für Arbeiten in den ersten drei Jahren nach dem regulären Pensionsalter die Hälfte des Dienstgeber- und Dienstnehmer-Beitrags entfällt. Dienstnehmer zahlen dann nur noch 5,125 Prozent, Dienstgeber nur noch 6,275 Prozent Pensionsversicherungsbeiträge. Auf diesem Punkt der Reform hat vor allem die ÖVP beharrt.

1000 Euro für Pensionisten mit langer Versicherungsdauer

Wer dreißig Beitragsjahre aufweisen kann, wird künftig mindestens 1000 Euro (derzeit rund 883 Euro) erhalten. Davon profitieren vor allem Personen mit langen Teilzeitstrecken in ihrer Berufslaufbahn und Menschen mit sehr niedrigen Einkommen.

Rechtsanspruch auf Reha

Wenn eine Person die Voraussetzungen für eine Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension zumindest in absehbarer Zeit "wahrscheinlich" erfüllen wird, soll es einen Rechtsanspruch auf Rehabilitation geben. Eine berufliche Reha "nach unten" ist nur möglich, wenn der Betroffene zustimmt.