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Ein Kongress der "ganz normalen Leute"

Von Werner Reisinger

Politik

Der Kongress "Verteidiger Europas" in Linz lieferte tiefe Einblicke in die Strategie der rechten Szene.


Linz. Samstag, 13 Uhr. Mittagspause am Kongress "Verteidiger Europas". Vor den Redoutensälen an der Linzer Promenade wartet ein älterer Herr im dunkelgrünen Lodenjanker auf seine Begleitung. So ruhig, sagt er mit einem süffisanten Grinsen, habe er Linz noch nie erlebt. Die Polizei leiste ganze Arbeit, schließlich habe sich ja auch Oberösterreichs Landeshauptmann Pühringer etwas dabei gedacht, die Veranstaltung hier in den Redoutensälen stattfinden zu lassen. Auch er habe nämlich ein Interesse, dass "seine" Räumlichkeiten, also der gleich vis-à-vis an der Promenade gelegene Sitz der Landesregierung, innerhalb der Sperrzone liegen. So seien auch jene Räumlichkeiten gegen "die dort draußen" geschützt, die über keine "kugelsicheren Fenster" verfügen würden. So mancher Kongressteilnehmer, scheint es, wähnt sich in einem Kriegszustand, mit "denen da draußen", mit der liberalen Gesellschaftsordnung und den "Systemmedien".

Mehr als 300 Besucher haben sich zur "Leistungsschau" rechter und rechtsextremer Publizisten und Vordenker in den repräsentativen Räumlichkeiten des Landes Oberösterreich eingefunden. Die meisten von ihnen sind Österreicher, aber auch viele Deutsche sind gekommen. Junge Männer in Lederhosen und karierten Hemden, manche von ihnen tragen Burschenschafterkappen und Schärpen, andere Jeans und T-Shirts. Man sieht Frauen mit geflochtenen Zöpfen, ältere Ehepaare und Familien, die ihren Nachwuchs mitgebracht haben.

Biologischer Heimatschutz und Verschwörungstheorie

Während ab 9 Uhr Früh im Saal die Referenten sprechen, drängt man sich draußen um die Ausstellungstische. Die Burschenschaft Arminia Czernowitz, die als Anmelder des Kongresses fungierte, hat dort ihren Stand, ebenso die Organisatoren des Wiener Akademikerballs. Das Magazin "Alles roger?" von Roland Hofbauer ("Das Querformat für Querdenker") teilt sich den Stand mit der rechtsextremen "Aktionsgemeinschaft für demokratische Politik" (AFP), die ihre "Kommentare zum Zeitgeschehen" anbietet. Bei "Info Direkt" werden Honig, Säfte und Dinkelmehl aus Bio-Anbau feilgeboten. "Kaufen sie drei Ausgaben, und bekommen sie eine unserer neuen Jutetaschen geschenkt", wirbt die Zeitschrift "Umwelt und aktiv" um Kundschaft. Die "Sezession" von Götz Kubitschek, ein zentrales Organ der deutschen Neuen Rechten, erfreut sich großen Interesses. Im Nebenzimmer verkauft die Identitäre Bewegung ihre "Phalanx Europa"-Merchandise-Produkte. Egal ob umweltbewegter Heimatschützer, identitärer Aktivist, deutschnationaler Burschenschafter oder einfach nur empörter Wutbürger - für jeden findet sich etwas.

Im Hauptsaal, hinter der Rednertribüne, ein großes Banner der oberösterreichschen Landesfahne. Gleich daneben das Logo des Internetblogs "unzensuriert.at", den Walter Asperl, Vertrauter des ehemaligen Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf, betreibt. Über unzensuriert.at sagt der Verfassungsschutz, es vertrete "zum Teil äußerst fremdenfeindliche" sowie antisemitische und verschwörungstheoretische Positionen. 

Die Uhren hier in Oberösterreich würden anders gehen, freut sich Jürgen Elsässer, Herausgeber des Magazins "Compact". Er freue sich, dass er hier "Asyl" gefunden habe, für Positionen, die in Deutschland nicht möglich seien, im "Reich der Finsternis", das das "Merkel-Regime" in Deutschland errichtet habe. "Deutschland darf nicht zugrunde gehen, aber wir brauchen dafür die Unterstützung unserer Blutsbrüder!", ruft der ehemalige antiimperialistische linke Publizist in den Saal. "Ihr in Österreich habt die Chance, nicht nur Protest auszudrücken, sondern zur Macht zu gelangen. Ihr müsst vorangehen!" Über eine Viertelstunde spricht Herbert Kickl. Man müsse schon verstehen, dass auf ihm ganz groß das Logo "Tagespolitik" prange, erklärt sich der FPÖ-Generalsekretär. Es klingt wie eine Rechtfertigung. In seiner Rede finden sich fast alle thematischen Stränge, die den Kongresstag dominieren. Auch ein bisschen Wahlkampf darf nicht fehlen. Der "mieselsüchtige linke Flügel im Parlament" könne nicht die Zukunft Europas sein, ebenso wenig die "Mainstreammedien", die "mediale Stalinorgel". Der "Gesinnungsfaschismus" habe den "Kongress der ganz normalen Leute" nicht verhindern können. Alexander Van der Bellen? Der "Last-Minute-Patriot" sei der "Kulminationspunkt politischer Heuchelei", aber als "Tagespolitiker" werde man eben "ins Rechtfertigungseck verbannt": "Ich distanziere mich von den Distanzierungen."

Die Grenzen der Milieus und Aktionsformen verschwimmen

Der Wiener Thomas Bachheimer, Europa-Präsident des "Goldstandard-Instituts" und mit seinem Anlage-Projekt "think outside the box" vertreten, referiert zu Mittag ausführlich über seine Sicht auf den Euro. Für ihn ist klar, wer hinter der 1971 beschlossenen Auflösung des Goldstandards steckt: die Familie Rothschild, auch heute noch Mitbesitzerin von Zentralbanken. Die Herrschenden, sagt Bachheimer, hätten sich stets des Geldsystems bemächtigt, um die Bürger "platt zu drücken". "Ich rufe auf, die Gesetze zu brechen", schließt er unter tosendem Applaus.

Die Syrerin Maram Susli ruft dazu auf, die Angriffe auf Machthaber Assad einzustellen, nur so könne die bewusste Destabilisierung Syriens beendet werden. Die Mehrheit der 2015 nach Europa Geflüchteten seien nämlich mit falschen Pässen gekommen, die Syrer selbst würden alle wieder nach Hause wollen. So viel Verständnis kann Misa Djurkovic aus Belgrad für Muslime nicht aufbringen. Diese würden als "biologische Waffe" gegen die Völker Europas eingesetzt, und über das Fördern der Homosexuellen-Community würden die EU-Eliten am Untergang Europas arbeiten.

Drei Ziele, so der Eindruck am Ende des Tages, verfolgten die Kongressveranstalter: Die Grenzen zwischen der Neuen Rechten, dem klassischen Rechtsextremismus und dem Rechtspopulismus sollen verschwimmen; die eigenen Medienkanäle beworben und die Ablehnung der "Mainstreammedien" gestärkt werden; gemeinsam, mit dem Segen der Landesregierung, will man ein Stück aus dem rechten Eck heraus.

Nur von Weitem war am späten Nachmittag der Lärm der laut Veranstalter über 2500 Teilnehmer der Gegendemonstration zu hören.