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Politik warnt vor Ärztemangel

Von Brigitte Pechar

Politik
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Ärzte wollen Volksbegehren gegen die "Demontage des Gesundheitssystems" und drohen mit Generalstreik.


Wien. Gegen die "Demontage des Gesundheitssystems" leitet die Ärztekammer Niederösterreich ein österreichweites Volksbegehren ein. Die Wiener Ärztekammer droht mit einem einwöchigen Generalstreik. Hintergrund des Ärzteprotestes ist der neue Finanzausgleich mit der darin enthaltenen Steuerung des Gesundheitssystems für die Jahre 2017 bis 2021, auf den sich Bund und Länder bereits geeinigt haben und der im Dezember im Nationalrat beschlossen wird.

Am Mittwoch ist der oberste Sektionschef im Gesundheitsministerium, Clemens Martin Auer, angetreten, um den Vorwürfen der Ärztekammer entgegenzutreten und die Sicht der Politik darzustellen. Um eine Versorgung der Menschen mit Medizinern und Gesundheitsberufen sicherzustellen, brauche es eine verbindliche Planung, erläuterte Auer - das habe man gemacht. Wie vordringlich diese verbindliche Planung sei, zeige alleine die Tatsache, dass bis zum Jahr 2025 rund 60 Prozent der derzeit tätigen Allgemeinmediziner 65 Jahre alt werden und damit in Pension gehen können. "Es ist Feuer am Dach", sagte Auer und: "Die Politik hat das erkannt."

Kritik der Ärztekammer

Worum geht es? Die Ärztekammer befürchtet, dass Ärzte ihre Verträge mit den Krankenkassen künftig nur noch in Einzelverträgen abschließen können - das würde das Ende des Gesamtvertrags, also eines Abkommens zwischen Landes-Ärztekammer und jeweiliger Landes-Gebietskrankenkasse bedeuten. Außerdem befürchten die Ärzte, dass Einzelordinationen zugunsten von Primärversorgungszentren (PHC, Primary Health Care Center) zurückgedrängt werden. Die Ärztekammer warnt sogar davor, dass hinter diesen PHC "gewinnorientierte Konzerne" anstatt freiberuflicher Ärzte stehen. Außerdem fühlen sich die Ärzte ausgeschlossen, weil sie in die neue Planungsgesellschaft von Bund und Ländern nicht direkt eingebunden sind. Und nicht zuletzt befürchtet die Ärzteschaft eine "Deckelung" der Gesundheitsausgaben, weshalb dem Gesundheitssystem bis 2021 rund 4,6 Milliarden Euro "entzogen" würden.

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Vor dem Hintergrund eines drohenden Ärztemangels sei die Politik zum Handeln gezwungen gewesen, man könne die Planung nicht mehr alleine der Selbstverwaltung überlassen. Und auch die PHC - ein Gesetz dafür ist derzeit in Ausarbeitung - seien vor diesem Hintergrund notwendig, aber es werde weiterhin auch Einzelordinationen geben, beruhigte Auer. Auch die Einzelverträge seien bereits vom Tisch - das wisse die Ärztekammer auch.

Der Sektionschef verwahrte sich gegen den Vorwurf der Ärzteschaft, dass das Gesundheitssystem finanziell ausgetrocknet werde. Man habe bereits mit der Gesundheitsreform 2012 begonnen, einen Kostendämpfungspfad vorzugeben, der sich am durchschnittlichen Wirtschaftswachstum orientiert. Damals habe man eine jährliche Ausgabensteigerung von 3,6 Prozent des BIP angenommen und sei 2016 punktgenau bei den prognostizierten 25,65 Milliarden Euro gelandet. Mit dem neuen Finanzausgleich sei eine Kostensteigerung von 3,6 bis 3,2 Prozent geplant und für 2021 seien öffentliche Gesundheitsausgaben von 30,21 Milliarden vorgesehen. Damit würden Mehrausgaben von 4,65 Milliarden Euro eingeplant und das wiederum sei ein Plus und kein Minus wie die Ärztekammer behaupte.

Verbindliche Planung

Neu sei vor allem die Verbindlichkeit der Planungen im Gesundheitswesen, erläuterte der Sektionschef. Diese Rechtsverbindlichkeit werde nicht nur für den Spitalsbereich, sondern künftig auch für den niedergelassenen Bereich mittels Verordnungen sichergestellt. Weil im Parlament keine Verfassungsmehrheit für eine Kompetenz des Bundes absehbar ist, hat man sich als Verordnungsgeber auf eine Planungsgesellschaft (GmbH) verständigt, in der Bund, Länder und Sozialversicherung vertreten sind. Ähnliche Konstruktionen gibt es bei den Fluglizenzen oder bei der GIS.

In den Verordnungen würden als Planungsvorgaben auf regionaler Ebene nur die Kapazitäten für Spitäler und die ambulante Versorgung festgelegt. Der Stellenplan sei in dem Gesetz nicht angesprochen, betonte Auer. Auch in Zukunft würde die Ärztekammern mit der Sozialversicherung aushandeln, wie die Kapazitäten umgesetzt werden, "wo welcher Doktor sitzt". Die in der Verordnung vorgeschriebenen Kapazitäten würden nur vorschreiben, wie viele Ärzte zur Versorgung in einer bestimmten Region notwendig seien.

Außerdem werde es für die Verordnungen eine Begutachtung geben. Hier habe die Ärztekammer Parteienstellung und ein qualifiziertes Anhörungsrecht. Die Ärztekammer sei also sehr wohl involviert, betonte Auer.

Zu den Drohungen der Ärztekammer bis hin zu einem Generalstreik stellte der Sektionschef fest: "Ohne Ärztekammer geht es nicht." Die Ärztekammer sei "herzlichst eingeladen, wieder an den Tisch der rationalen Gespräche zurückzukommen".