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"Was Sie über die Medien nicht erfahren können"

Von Werner Reisinger

Politik
: Irma Tulek

Die politische Rechte hat sich längst eine eigene Gegenöffentlichkeit geschaffen. Eine Analyse.


Wien. Man solle auf keinen Fall glauben, was in den "Mainstreammedien" zu lesen, zu sehen und zu hören sei. Anstatt sich darüber aufzuregen, was dort berichtet - oder nicht berichtet - werde, solle man doch lieber "alternative" Angebote nutzen. "Kündigen Sie jetzt ihre Abos der Mainstream-Presse, greifen Sie stattdessen zu kritischer, unabhängiger Berichterstattung!" - Der Aufruf eines der Abschlussredner am rechten Kongress "Verteidiger Europas", der Ende Oktober in den Linzer Redoutensälen stattfand, zeigt deutlich, die aktuelle rechte Strategie: Diskreditierung von kritischem und seriösem Journalismus, Einzementierung in den Echokammern des eigenen Meinungsspektrums, Frontstellung gegenüber einem gefühlten oder tatsächlichen medialen Establishment -, kurz, die Etablierung einer eigenen medialen Arena.

"Alternative Angebote" gibt es zur Genüge und in verschiedensten Genres, wie auf dem Kongress, auf dem sich einige der einflussreichsten Publizisten des rechten und rechtsextremen Spektrums aus Österreich und Deutschland zur Vernetzung trafen, zu sehen war: Klassische rechtsextreme Publikationen wie der "Eckartbote" oder die "Kommentare" der "Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik", die eine ausgeprägte Nähe zu NS-Gedankengut aufweist, warben ebenso um Abonnenten wie das Magazin "Info-Direkt", in dem eine internationale Autorenschaft rechte und verschwörungstheoretische Inhalte zu verbreiten versucht. Ebenfalls vertreten: "alles roger?", laut eigener Bezeichnung das "Querformat für Querdenker", herausgegeben von Ronnie Seunig und geleitet von Roland Hofbauer. Das relativ neue Hochglanzmagazin bietet einen Mix aus Society-Berichten, Kommentaren und Interviews, zwischen die sich beiläufig wohlwollende Beiträge über die rechtsextreme "Identitäre Bewegung" oder über eine befürchtete "Invasion" aus Afrika mischen. Abgerundet wird der Mix mit Analysen über - richtig geraten - die von PR-Strategen und der Politik manipulierten Massenmedien.

Als Mitorganisator des Kongresses fungierte unzensuriert.at, jene seit 2009 bestehende Internetplattform mit FPÖ-Nähe, von der der Verfassungsschutz sagt, sie verbreite "zum Teil äußerst fremdenfeindliche" sowie antisemitische und verschwörungstheoretische Inhalte. Mainstreammedien, so die Veranstalter im Vorfeld, seien "unerwünscht" und hätten sich ohnehin "auf die Seite der Antifa" gestellt. Dass einige Journalisten dennoch am Kongress teilnahmen und später darüber berichteten (wie dies auch die "Wiener Zeitung" tat), zeige doch nur, dass der Vorwurf, die Pressefreiheit sei von den Veranstaltern durch das Aussperren der Medien eingeschränkt worden, völlig ins Leere gehe. Der Ausschluss der "Mainstreammedien", schrieb Info-direkt, ein weiterer "Medienpartner" des Kongresses nach der Veranstaltung, habe sich bewährt. Denn: "Die beste Waffe gegen Desinformation ist es, die Informationsverbreitung selbst in die Hand zu nehmen."

Ablehnung online und offline
Schauplatzwechsel. In Graz steht Markus B. verdutzt vor seinem Briefkasten. Neben dem Magazin der FPÖ-Steiermark, "Wir Steirer", in dem selbstverständlich ganzseitig für Norbert Hofer geworben wird, findet B. darin ein Flugblatt. "Warum gerade diese Bundespräsidentenwahl so wichtig ist", ist darauf in fetten Lettern auf rot-weiß-rotem Hintergrund zu lesen. Die letzten Inhaber des höchsten Amts im Staate hätten die "weitgehenden Kompetenzen" des Bundespräsidenten nicht genutzt, diesmal gebe es die Chance auf einen "aktiven Präsidenten".

"Was Sie über die Medien nicht erfahren können" liest man auf den folgenden Seiten. "Alle gegen einen? Warum Norbert Hofer so bekämpft wird", und für welche politischen Inhalte er tatsächlich stehe. Er habe sich von Anfang an gegen Ceta und TTIP ausgesprochen, setze sich für die Ziele der Umweltbewegung ein, habe eine positive Einstellung zum Bundesheer und sei gegen eine "verantwortungslose Willkommenskultur". Hinter der Aktion steht Inge Rauscher, ehemalige Gemeinderätin einer grünen Bürgerliste in Zeiselmauer und nunmehrige Obfrau der "Initiative Heimat und Umwelt". Auf deren Homepage finden sich allerdings so gut wie keine Inhalte zum Thema Umweltschutz - stattdessen widmet sich Inge Rauschers Initiative fast ausschließlich dem Wahlkampf Norbert Hofers. Rund 500.000 Stück des besagten Flugblattes hätte die Initiative vor der Stichwahlwiederholung am 4. Dezember bereits verteilte, 150.000 weitere Flugblätter gelte es noch an den Wähler zu bringen. Finanziert würde die Aktion ausschließlich aus "Kostenbeiträgen bewußter (sic), nicht parteigebundener Staatsbürger", verteilt würde das Material ausschließlich von ehrenamtlichen Mitarbeitern. "Besser als die "Berichte" der gesteuerten, kommerziellen Medien zu beklagen ist es, selbst ehrliche Informationen zu verbreiten!"

Multiplikator Facebook
unzensuriert.at kann als eine der zentralsten und inzwischen einflussreichsten Projekte der rechten Gegenöffentlichkeit betrachtet werden. Zwischen 25.000 und 50.000 Zugriffe (unique clients) pro Tag verzeichne die Website im Schnitt, sagt Walter Asperl, Geschäftsführer von unzensuriert.at, in einer Recherchebeantwortung gegenüber "profil". Als wichtiger Multiplikator für die Website, deren Artikel es auch schon unter die Top 3 der am häufigsten verbreiteten Beiträge im deutschsprachigen Raum geschafft haben, dient der Facebook-Auftritt von Heinz-Christian Strache. Mit über 350.000 Fans stellt der FPÖ-Parteichef die politische Konkurrenz in den Schatten. Die Facebookseite von unzensuriert.at kommt immerhin auf über 48.000 "Gefällt mir"-Angaben.

Im Rahmen eines Projekts des ungarischen Think Tanks Political Capital hat nun das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes Reichweite und Inhalte der rechten Plattform analysiert. Die Forscher werteten im vergangenen September und Oktober jeden Eintrag auf der unzensuriert-Facebookseite aus und untersuchten, welche Inhalte auf besonderes Interesse stießen. Dabei zeigte sich, dass vor allem Artikel über angebliche Ungleichbehandlung von Flüchtlingen oder Artikel über deren Privilegien besonders viel Reichweite erzielten - es sind dies jene Themen und Vorwürfe, von denen die Protagonisten der neuen rechten Gegenöffentlichkeit annehmen, dass sie in den klassischen Medien bewusst ausgespart werden. Die rechte Gegenöffentlichkeit verstärkt so bewusst eine sich aufschaukelnde Stimmung der Aggression gegenüber Politik und Staat, die mit der "Lügenpresse" ein unheiliges Bündnis eingegangen sein sollen - mit dem Ziel, die "Anständigen" und "Kritischen" von der Wahrheit fernzuhalten. In einer Zeit, in der es scheinbar nur mehr Schwarz und Weiß gibt, wächst die Zahl jener, die unmissverständlich nur mehr eine Seite der Entwicklungen wahrnehmen wollen.