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Kandidat der Kontinuität

Von Simon Rosner

Politik

Alexander Van der Bellen sieht in Heinz Fischer ein Vorbild, er könnte aber auch Anleihen bei Thomas Klestil nehmen.


Wien. Einmal hat Alexander Van der Bellen bereits eine Rede als "president-elect" gehalten - einen Tag nach der Stichwahl im Mai, die knapp zu seinen Gunsten ausfiel. "Ich finde, man kann den Gleichstand auch so sehen: Wir sind eben gleich. Es sind zwei Hälften, die Österreich ausmachen. Die eine Hälfte ist so wichtig wie die andere. Und gemeinsam ergeben wir dieses schöne Österreich." Schon im Wahlkampf hat Van Bellen als selbstdeklariert unabhängiger Kandidat versucht, ein Verbinder zu sein, überparteilich, der in größtmöglicher Kontinuität zu Heinz Fischer das Amt mit Bedacht und Weitsicht führt.

Es war eine logische Strategie, zumal der ehemalige Universitätsprofessor bereits als Parteichef der Grünen hohe persönliche Beliebtheitswerte aufwies und im Parlament auch bei politischen Mitbewerbern hohes Ansehen genoss. Doch spätestens mit dem Erreichen der Stichwahl gegen Norbert Hofer war diese Strategie hinfällig, auch wenn Van der Bellen weiterhin darauf verwies. Einen Lagerwahlkampf verhinderte dies aber nicht, auch wenn dies vielleicht weniger an Van der Bellen selbst als an seinen Unterstützern lag. Eine Vielzahl seiner Wählerinnen und Wähler im Mai wählten den Ex-Grünen jedenfalls, um Hofer zu verhindern, nicht aus Sympathie für Van Bellen.

Im Fall einer "Wiederwahl" ist freilich dennoch damit zu rechnen, dass Van der Bellen das Amt in der Tradition seines Vorgängers anlegen wird, vor allem nach außen. Innenpolitisch hat der 72-Jährige angekündigt, sich aktiver als Fischer einbringen zu wollen, wobei der Großteil dessen - Vermittlungsarbeit und Gespräche mit heimischen Politikern - von der Öffentlichkeit unbemerkt abliefen. Ein klares Bekenntnis zur EU und der Europäischen Integration ist zentraler Standpunkt Van der Bellens, der deshalb auch Heinz-Christian Strache als Bundeskanzler nicht oder nur unter Bedingungen angeloben will - aus Sorge, dass dies in weiterer Folge zu einem EU-Austritt Österreichs führen könnte. Womit Van der Bellen wiederum an Thomas Klestil erinnern würde, der von der schwarz-blauen Regierung eine Präambel mit einem Bekenntnis unter anderem zur EU und der Sozialpartnerschaft verlangte.

Seine Wirtschaftskompetenz will der Ökonom einsetzen, um die Kluft zwischen Politik und Wirtschaft zu verringern, und natürlich will Van der Bellen als ehemaliger Parteichef der Grünen auch den Klimaschutz auf die Agenda des Bundespräsidenten setzen. Dessen Einflussmöglichkeiten sind und bleiben freilich begrenzt. Und so wird die Amtsführung am Ende vor allem aus Wortmeldungen bestehen - wie schon unter Fischer. Am 23. Mai hatte Van der Bellen schon damit angefangen.