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Es bleibt ja noch die Zukunft

Von Marina Delcheva und Werner Reisinger

Politik

In der FPÖ erwartet man baldige Neuwahlen, eine Personaldebatte an der Spitze soll es nicht geben.


Wien. Alle gegen einen - so könnte man die erste Analyse der im FPÖ-Parlamentsklub versammelten Funktionäre und Politiker direkt nach dem vorläufigen Ergebnis der Stichwahl am Sonntag zusammenfassen. Das gesamte politische System hab sich gegen Norbert Hofer verschworen, fasste Parteichef Heinz-Christian Strache am Sonntagabend vor seinen Mitstreitern zusammen, was viele Blauen denken. "Da gab es Wahlempfehlungen der Regierung, der Grünen und der Neos, sämtlicher Staatskünstler, bis hin zu Unternehmern wie Herrn Haselsteiner", sagte Strache. "Das war ein Kampf David gegen Goliath, und Norbert Hofer als David ist nur knapp gescheitert." Als besonderen Schuldigen machte Strache ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner aus. Seine "Wahlempfehlung" für Alexander Van der Bellen habe vor allem "im ländlichen Raum, in Oberösterreich" den Ausschlag gegeben, dass es Hofer nicht geschafft hat.

Zickzackkurs Hofers

Eine Teilschuld für das eigene Scheitern sehen Politikberater auch innerhalb der FPÖ. "Der Spin der Grünen, Hofer als Dr. Jekyll und Mr. Hide darzustellen, ist aufgegangen", resümiert Politikberater Thomas Hofer. Der "Zickzackkurs", so Politologe Peter Filzmaier, habe Hofer weniger vertrauenswürdig gemacht. Er habe sich im Laufe des Wahlkampfs mal betont ruhig und staatsmännisch gegeben. Anderseits sei er immer wieder besonders hart und angriffig aufgetreten.

"Was auch immer aus Sicht der Partei die bessere Strategie ist, man sollte konstant dabei bleiben", sagt Filzmaier. Ansonsten wirke man unberechenbar. Thomas Hofer macht vier konkrete Strategiefehler im blauen Wahlkampf aus: Anfang des Jahres forderte die FPÖ eine Volksabstimmung über den Verbleib Österreichs in der EU. Außerdem gab es kurz nach dem Brexit Zuspruch für die Entscheidung der Briten, aus der Union auszutreten. Von dieser Position ist man erst relativ spät abgekommen.

Nachdem die Wahl nach der Anfechtung durch die FPÖ vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde, musste sie auch noch wegen schadhafter Wahlkarten verschoben werden. Anders als bei der Anfechtung sprach man in FPÖ-Kreisen bei der Verschiebung von "einer Verschwörung der anderen Parteien" gegen die Freiheitlichen. Das kommt vor allem bei gemäßigten Wählern nicht gut an. Weniger gut ist laut dem Politikberater auch das Bürgerkriegsszenario, das Parteichef Heinz-Christian Strache gezeichnet hat, angekommen. Und: Hofer sei immer wieder in Erklärungsnot in Zusammenhang mit seiner Mitgliedschaft bei der Burschenschaft Marko-Germania zu Pinkafeld und seiner Haltung zur EU gekommen.

Blaue Zukunftsszenarien

Dennoch: Echte Niedergeschlagenheit, ja Demoralisierung, war am Sonntagabend bei der FPÖ in ihren Parlamentsräumlichkeiten nicht zu vernehmen. Im Gegenteil. Eine wirkliche Pause wird es im quasi permanenten blauen Stimmungswahlkampf wohl nicht geben. Dass die Koalition wie geplant bis zum Wahltermin im Oktober 2018 halten wird, glaubt dort niemand. "Im Herbst 2017, spätestens im Frühjahr 2018" erwartet EU-Parlamentarier Harald Vilimsky das Ende der großen Koalition.

Interessant die Erwartungen einiger Funktionäre, was mögliche Szenarien in der Bundespolitik angeht: Zwar würden viele SPÖ-Politiker strategisch denken und lieber heute als morgen Neuwahlen anzetteln, sagt FPÖ-Urgestein und Burschenschafter Wolfgang Jung. "So würde die SPÖ zwar verlieren, aber nicht so viel, wie sie in zwei Jahren verlieren würde. Dem Parteiestablishment sind Neuwahlen aber zu unsicher, es will lieber noch zwei Jahre die Posten behalten." Zwischen SPÖ und ÖVP sei aber dennoch die Luft heraußen, der Druck werde für vorgezogene Neuwahlen sorgen. Danach erwartet Jung eine Dreierkoalition ohne seine Partei: "Ich rechne mit Rot-Grün-Neos. Das wird allerdings nur kurz halten - und dann kommen wir."

So bleibe Zeit genug, um sich weiter zu festigen und sich mit neuen Persönlichkeiten breiter aufzustellen, wie dies mit Manfred Haimbuchner in Oberösterreich bestens gelungen sei, sagt Jung. Dass sich an der für die FPÖ günstigen Themenlage - Stichwort Flüchtlinge und Sozialklima - etwas ändern könnte, glaubt Jung nicht. Wichtig für die FPÖ sei auch der in der Wiener SPÖ schwelende Streit zwischen den "linken" Innenstadtbezirken und den "FPÖ-freundlichen" Flächenbezirken. Die nun gestärkten Grünen würden, beispielsweise in der Mindestsicherungsdebatte, die rote Spaltung weiter vorantreiben und so der FPÖ nutzen, hofft Jung.

Unwahrscheinlich ist für die FPÖ-Funktionäre auch, dass Hofer bald Strache an der Parteispitze ablösen wird. Eine Personaldebatte müsse die Partei nun unbedingt vermeiden, wenn sie den Wahlkampf-Schwung nutzen will, befinden auch Politologen.