Wien. In Wien hat sich der Streik der Hausärzte bisher nicht auf den Andrang in den Spitälern und in den Gesundheitszentren der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) ausgewirkt. "Erwartungsgemäß gibt es keinen besonders hohen Andrang", sagte die Obfrau der WGKK, Ingrid Reischl. Auch in den Spitälern des Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) herrsche "überall Normalbetrieb", sagte ein Sprecher des KAV.

Im Gesundheitszentrum Mariahilf und in der Kinderambulanz im Gesundheitszentrum Wien-Nord gebe es "eine leichte Steigerung" im Patientenaufkommen, sagte Reischl. Ansonsten sei der Andrang "vergleichbar mit jedem anderen Tag". Es komme nicht zu längeren Wartezeiten, betonte sie. Auch im Hanusch-Krankenhaus in Penzing seien nicht mehr Patienten als sonst. Im Wiener AKH herrscht laut einer Sprecherin ebenfalls "ganz normaler Betrieb".

Längere Öffnungszeiten

Die allgemeinmedizinischen und internistischen Ambulanzen der vier Gesundheitszentren der WGKK haben am Streiktag längere Öffnungszeiten, nämlich von 7.00 bis 18.00 Uhr. Die WGKK-Einrichtungen stehen Versicherten aller Kassen offen. Reischl übte scharfe Kritik am Streik der Hausärzte: "Die Ärzte streiken aus meiner Sicht nicht, sondern verweigern die Arbeit am Patienten." Streiken könnten lediglich Angestellte und bei den Hausärzten handle es sich um Selbstständige.

Mehr als 80 Prozent der Wiener Hausärzte hatten laut Ärztekammer zugesagt, am Mittwoch ihre Praxen zuzusperren. Laut Hauptverband der Sozialversicherungsträger sind in den drei am Protest beteiligten Bundesländern Wien, Kärnten und dem Burgenland bis zu 290.000 Patienten vom Ärztestreik betroffen.

 Kleiner Demozug durch die Wiens Innenstadt

Mit einer emotionsgeladenen Pressekonferenz im Billroth-Haus in Wien hat  die Ärztekammer ihren Streik-und Aktionstag begonnen. Durch die jüngste Gesundheitsreform seien "Versorgung und Würde" der Menschen in Gefahr, warnte Vizepräsident Johannes Steinhart vom Podium aus. Danach wurde demonstriert. In Wien, Kärnten und dem Burgenland bleiben am Mittwoch viele Praxen geschlossen.

Die Ärztevertreter warnen angesichts des aktuellen Finanzausgleichs und eines am Mittwoch im Nationalrat anstehenden Gesetzesbeschlusses davor, dass der Hausarzt durch Primärversorgungszentren obsolet gemacht werden würde. Die wohnortnahe Versorgung, die freie Arztwahl und das soziale Gesundheitssystem an sich sei dadurch in Gefahr, so Steinhart.

"Ausrottung des Hausarztes"

Außerdem werde die Ärzteschaft aus Entscheidungsprozessen herausgedrängt. "Es entscheiden nur noch Technokraten, Bürokraten, Politiker - aber keine Fachleute mehr", so Steinhart. Der Kammerfunktionär beschwor den Geist des Wiener Medizin-Gründervaters Theodor Bilroth (1829 bis 1894), dessen Rede zur Gründung der Ärztekammer vor 125 Jahren heute noch großteils Gültigkeit habe.

Der Kärntner Gert Wiegele, stellvertretender Obmann der niedergelassenen Ärzte, sah gar die "Ausrottung des Hausarztes" herandräuen. Das Berufsbild gehe den Bach herunter, und Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) lüge. Turnusärzte-Vertreter Karlheinz Kornhäusl forderte die Politik auf, von ihrem "geistigen Irrweg" abzugehen. Derzeit werde versucht, die Ärzte mundtot zu machen und "das Arztbild, wie wir es bisher kennen, auszuradieren". Auch die Worte "Lügenpolitik" und "DDR" flocht er in seinen Beitrag ein.

Nach der Pressekonferenz im geschichtsträchtigen, mit Ärzten in weißen Kitteln und Journalisten überfüllten Bibliotheksraum der geschichtsträchtigen Ärzte-Fortbildungseinrichtung startete die Demonstration durch die Wiener Innenstadt. Nach Polizeiangaben nahmen an die 100 Personen teil, die Kammer zählte 150 bis 200.