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Das Ringelspiel der Steuermittel

Von Simon Rosner

Politik

Die Transferströme im Finanzausgleich werden als ineffizient kritisiert, entflochten werden sie trotzdem nicht. Im Gegenteil.


"Schön ist so ein Ringelspü,das is a Hetz und kost net vü!"

Man muss Hermann Leopoldi beziehungsweise einem seiner größten Gassenhauser widersprechen. Zumindest, wenn es sich um das Ringelspiel der Geldströme handelt, die im Rahmen des Finanzausgleichs zwischen Bund, Ländern und Gemeinden hin- und herfließen. Für den Steuerzahler ist dieses Transferkarussell eine eher teure Angelegenheit. Mittlerweile werden fünf Milliarden Euro zwischen den Gebietskörperschaften bewegt - und daran wurde auch nach Abschluss des neuen Finanzausgleiches nichts geändert. Im Gegenteil, es fließt nun noch mehr Geld.

"Hier hat es eher einen Rückschritt gegeben, dieses Transfersystem ist nicht entflochten worden", sagt Peter Biwald, Chef des Zentrums für Verwaltungsforschung (KDZ). Auch der Rechtswissenschafter Peter Bußjäger, der sich in seiner Forschung auf Föderalismus spezialisiert hat, sagt: "Unser System mit dieser Vielzahl an Transfers ist schon eine Besonderheit und sicher ungewöhnlich."

Fast 95 Prozent aller Steuereinnahmen fallen im Bund an, anteilig fließt ein Teil davon dann weiter zu Gemeinden und Bundesländern. So weit, so logisch. Aber auch zwischen Ländern und Gemeinden gibt es Zahlungsströme, und einige davon sind nur schwer nachvollziehbar.

So müssen die Gemeinden von ihren Einnahmen fast die Hälfte, rund 3,2 Milliarden Euro, an die Länder weiterleiten, um ihren Beitrag für zum Beispiel die Krankenanstalten zu leisten. "Wir haben mit dem Spitalswesen aber nichts zu tun, das sollten gleich nur die Länder bekommen", sagt Daniel Kosak, Sprecher des Gemeindebundes.

Jede Kontobewegung kostet Geld, dazu kommt, dass die Gemeinden und Städte diese Transfers auch buchhalterisch darstellen müssen, was wiederum die Verwaltungsausgaben erhöht. Zwar geht es hier nicht um Milliarden an Einsparungspotenzial, doch Effizienz sieht anders aus. Es gibt aber auch darüber hinaus seriöse Vermutungen, dass dieses System des finanziellen Ringelspiels nicht optimal ist.

Erstens erhöht allein die Intransparenz die Gefahr, dass unsinnige Ausgaben oder unbeabsichtigte Doppelförderungen unentdeckt bleiben. Zweitens macht es dieses System tendenziell schwieriger, Beschlüsse einer Bundesregierung auch auf den Boden zu bringen, da die Gebietskörperschaften bei der Umsetzung zu viele Einflussmöglichkeiten erhalten. Wenn nun Länder und Gemeinden andere politische Ziele als die Bundesregierung verfolgen, drohen Fördergelder ihre erhoffte Wirkung zu verlieren. Geld würde verpuffen.

Mehr Spielräume

Natürlich gibt es, andererseits, auch gute Gründe für diese Struktur im Finanzausgleich. Denn sie gibt den Landesregierungen und Gemeinderäten Spielräume, um jene Politik umzusetzen, für die sie ja auch gewählt wurden. So kommt es hierzulande immer wieder zu ganz bewussten Doppelförderungen, wenn etwa ein Bundesland befindet, mehr Geld zum Beispiel für spezielle Ökosubventionen ausgeben zu wollen. "Jede Förderung verfolgt ihren guten Zweck, aber die optimale Allokation von Förderungen lässt sich so nicht mehr feststellen", sagt Föderalismusforscher Bußjäger.

Gewollte Doppelförderungen wären natürlich auch dann möglich, wenn die Transferströme etwas entflochten und auch transparenter gestaltet wären. Derzeit aber kommt es durch diesen sekundären und tertiären Finanzausgleich, also den Transfers zwischen den Gebietskörperschaften, zu einer Art Umverteilung.

Das KDZ hat ausgerechnet, dass vor diesen Transfers die Nettoeinnahmen pro Kopf mit der Größe der Gemeinden (und Städten) ansteigen. Das ist auch so intendiert, da Gemeinden ab 10.000 Einwohnern erhöhte Pro-Kopf-Einnahmen aus den Steuermitteln der Bundesmitteln erhalten - der sogenannte abgestufte Bevölkerungsschlüssel. Nach den Transfers ergibt sich jedoch ein anderes Bild. Auf einmal sind es die ganz kleinen Gemeinden, bis 500 Einwohner, die anteilsmäßig am meisten Geld erhalten. Die Aufteilung gemäß dem Finanzausgleich wird demnach gedreht, schließt das KDZ.

Neuer Österreich-Konvent?

"Das ist auch notwendig, um die Strukturen in den kleinen Gemeinden zu erhalten", sagt Biwald. Es ist also politisch demnach gewollt, konterkariert jedoch die Systematik des abgestuften Bevölkerungsschlüssels, der die Ertragsanteile aufteilt.

Thomas Weninger, Generalsekretär des Städtebundes, hofft auf eine Neuauflage des Österreich-Konvents, der vor mehr als zehn Jahren eine grundlegende Staatsreform hätte auslösen sollen. Umgesetzt wurde allerdings kaum etwas. "Wir werden es weiterhin einfordern, es ist ein Bohren dicker Bretter", sagt Weninger.

Und es ist wohl auch eine Voraussetzung, dass der Finanzausgleich strukturell tatsächlich auf Ausgabenorientierung umgestellt werden kann. Das war zwar auch diesmal das erklärte Ziel von Finanzminister Hans Jörg Schelling, geworden ist es dann aber nur ein "Einstieg zum Umstieg" - wenn überhaupt. Gerade beim viel kritisierten Transferkarussell ist bei den abgelaufenen Verhandlungen alles beim Alten geblieben. Wieder einmal. Insofern hat Hermann Leopoldi in seiner Ode ans Ringelspiel doch recht.

"Immer wieder fährt man weg,und draht sich doch am söbn Fleck!"