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To Russia, with Love

Von Werner Reisinger

Politik

Was bringt der FPÖ ihre demonstrative Nähe zu Putins Regime? Eine Analyse.


Wien. Zahlreiche Russland-Reisen von FPÖ-Politikern wie dem Wiener Vizebürgermeister Johann Gudenus, wohlwollende Nähe, ja Bewunderung der rechten Anti-EU-Koalition inklusive FPÖ auf europäischer Ebene für Russlands starken Mann Wladimir Putin, eine zunehmende Konjunktur prorussischer Beiträge in FPÖ-nahen Medien und zuletzt ein Selfie der gesamten Parteispitze im winterlichen Moskau - man könnte meinen, die Russlandliebe der Freiheitlichen wäre schon immer Teil der Parteistrategie.

Doch erst seit Heinz-Christian Straches Übernahme des Parteivorsitzes sucht die Partei die Nähe zum Kreml, eigentlich zur Putin-Partei "Einiges Russland". Als es die von Jörg Haider geführte Partei im Jahr 2000 in die Regierung schaffte, befürchtete die russische Regierung (Putin war damals bereits Staatspräsident), die schwarz-blaue Koalition könnte von der Neutralität abweichen und der Nato beitreten. Russische Medien überzogen Haider mit Nazi-Vergleichen. Über die "jetzige Regierung" - gemeint war Putin - müsse Österreich sofort einen Stop aller Kredite verhängen, forderte der damalige FPÖ-Chef. Mit Putins Russland hatte Jörg Haider nicht viel am Hut, viel lieber traf er sich mit Machthabern im arabischen Raum. Was genau bezweckt nun die FPÖ unter Strache mit ihrer demonstrativen Nähe zu Russland? Kalkuliert sie strategisch richtig?

Koalition der Anti-Liberalen

Putins Partei "Einiges Russland" agiere nicht nur ideologisch ähnlich, sondern verfolge auch außenpolitisch ähnliche Ziele, erklärt der Salzburger Politikwissenschafter Reinhard Heinisch. Der liberale Internationalismus, also die europäische Integration, sei beiden ein Dorn im Auge.

Rein strategisch, sagt Heinisch, hätte der jüngste Besuch der FPÖ-Spitze in Moskau eher in die Zeit vor dem Brexit und vor der Wahl Donald Trumps zum neuen US-Präsidenten gepasst. Geplant sei die Aktion jedoch wohl schon länger gewesen. Nun, mit den Bildern des Dramas in Aleppo vor Augen und der damit einhergehenden massiven Kritik an Russland, verfehle die Botschaft ihre Wirkung und komme zur falschen Zeit. "Trump und Brexit hatten den Effekt, dass viele Wähler in Österreich sich für Stabilität entschieden haben. Die FPÖ muss auch hinsichtlich kommender Wahlen die konservative Mitte erreichen. Solche Botschaften sind hierfür kontraproduktiv", sagt der Politologe. Zudem gelte es nach der Wahl möglicherweise einen Koalitionspartner zu finden, auch hierbei könnte die prorussische Position hinderlich sein.

In der Tat widersprechen die blauen Signale an und aus Moskau gerade angesichts der aktuellen geopolitischen Lage dem vagen, auch durch Norbert Hofers Zickzackkurs im Wahlkampf nebulös gewordenen europapolitischen Kurs der FPÖ. Außenpolitisch aber brauchen die Freiheitlichen ein neues Tätigkeitsfeld. "Eine Annäherung an Regime im Nahen Osten und im Maghreb, wie dies Jörg Haider getan hat, um sich außenpolitisch in Szene zu setzen, ist für die Strache-FPÖ heute nicht mehr möglich. Die Nähe zu Putins Partei dient der FPÖ daher nun als eine Art Ersatzbattleground, auf dem man glaubt, sich außenpolitisch profilieren zu können", sagt der Wiener Zeithistoriker Oliver Rathkolb. Dass dieser Kurs bei den Wählern gut ankommen wird, glaubt Rathkolb nicht. Die Parteispitze schätze die nach wie vor tief sitzenden antirussischen Ressentiments falsch ein. "Wenn man beispielsweise bedenkt, dass die FPÖ unter Haider noch einen Nato-Beitritt befürwortete und Strache später die FPÖ zur ,Neutralitätspartei‘ umkrempelte, passt die Anbiederung an den Kreml nicht mehr zum populistischen Konzept der FPÖ", sagt der Zeithistoriker.

Historische Sympathien

Wie steht es um die beiden Regierungsparteien? Die seit der Ukraine-Krise über Russland verhängten Sanktionen werden, allen voran von Vertretern der heimischen Wirtschaft, zwar als schädlich für die Konjunktur kritisiert, die Regierung allerdings trägt sie im Sinne der europäischen Solidarität mit. Das Ansehen Österreichs in Russland, vor allem in der Putin-Partei, sei nach wie vor hoch, erklärt der Historiker Stefan Karner. Der Grund dafür liege nicht nur in Österreichs - moderater - Kritik an den EU-Sanktionen, sagt Karner. Nach wie vor habe man Österreichs Rolle in der Nachkriegszeit und im Kalten Krieg nicht vergessen. So sei im Zuge der Staatsvertragsverhandlungen die Erfüllung von Bedingungen, wie die Ablöse des damaligen proamerikanischen Außenministers Karl Gruber durch Leopold Figl, von Moskau wohlwollend zu Kenntnis genommen worden.

In der jüngeren Vergangenheit, so Karner, habe auch Ex-Kanzler Franz Vranitzky einiges an Sympathie erfahren, als er "bis zuletzt teilweise, auch im Einklang mit einigen anderen westlichen Politikern, die Positionen von sowjetischen Politikern teilte. Das heißt, er hat diese Leute noch getroffen, als andere, wie zum Beispiel die Polen, sich bereits abgewendet hatten", erklärt der Historiker.

Für Karner, der im Zuge der Vorbereitungen zur EU-Ratspräsidentschaft 2006 an den österreichisch-russischen Gesprächen teilnahm, profitieren auch die Regierungsparteien bis heute vom historischen Verhältnis zum Kreml. "Man weiß, dass Österreich eines der Länder ist, das zwar Mitglied der EU ist, aber bei vielem, was die EU macht, immer etwas anders tickt."