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Das Selbstvertrauen messen

Von Matthias Nagl

Politik
Erstmals fließen auch soziale Kompetenzen in den Pisa-Test ein. Deren Messung ist schwierig, meint Bildungsexperte Miyamoto.
© Ela Grieshaber/Salzburg Global Seminar

Erstmals wurden beim Pisa-Test soziale Kompetenzen getestet. Diese zu messen, ist eine heikle Sache. Bildungsexperte Koji Miyamoto über emotionale Kompetenzen als Startvorteil und die Schwierigkeit mit dem Selbstvertrauen.


Salzburg. Die Pisa-Studie brachte für Österreich durchwachsene Ergebnisse. Die Ergebnisse des in Österreich erstmals erhobenen Teilbereichs "kollaboratives Problemlösen" werden allerdings erst 2017 veröffentlicht. Dabei sollen die sozialen Kompetenzen getestet werden, die in der Bildungsforschung zunehmend Aufmerksamkeit bekommen.

Mangels früherer Erhebungen wird es bei der Veröffentlichung allerdings nur kaum vergleichbare Daten von anderen Ländern geben, wie der Weltbank-Ökonom Koji Miyamoto der "Wiener Zeitung" am Rande einer Tagung des Salzburg Global Seminars zur Messung sozialer und emotionaler Kompetenzen erklärte.

"Wiener Zeitung": Was wird unter sozialen und emotionalen Kompetenzen verstanden?

Koji Miyamoto: Das sind individuelle Fähigkeiten, mit anderen zusammenzuarbeiten, emotionale Herausforderungen zu bewältigen. Das heißt, mit emotionalen Schwierigkeiten zurechtzukommen sowie die individuelle Fähigkeit, Ziele zu erreichen.

Warum sind diese Kompetenzen wichtig für die Gesellschaft?

Ganz allgemein befördern sie den Lebenserfolg von Kindern. Zum Beispiel sind sie bestimmende Faktoren für das Abschneiden auf dem Arbeitsmarkt und sehr wichtige Beförderer eines gesunden Lebenswandels. Zum Beispiel verringern hohe soziale und emotionale Kompetenzen die Wahrscheinlichkeit von Fettleibigkeit und mentalen Gesundheitsproblemen. Sie sind auch wichtig, um das zivilgesellschaftliche Engagement zu fördern, etwa an Wahlen teilzunehmen und sich für Politik zu interessieren.

Im Pisa-Test wurden diese Kompetenzen in vielen Ländern - so auch Österreich - bei der aktuellen Prüfung erstmals überprüft. Liegt das daran, dass es viel schwieriger ist, solche "weichen Kategorien" abzufragen, als Aufgaben zu stellen, die dann entweder richtig oder falsch gelöst werden?

Ja. Diese Kompetenzen werden auch "schwer zu messende Kompetenzen" genannt. Es ist schwierig, weil sich etwa die Beharrlichkeit von Menschen schwer beobachten lässt. Ich kann Ihre emotionalen Fähigkeiten nicht sehen, Ihre Ausdauer. Ich kann lediglich von Ihrem Verhalten und Ihren Aussagen darauf schließen. Sie können sagen: "Ich bin ein beharrlicher Typ", und wenn ich das glaube, ist das meine Messgröße. Das sind sehr verzerrte Messungen. Abgesehen von Selbstbeschreibungen gibt es aber eine ganze Reihe an unterschiedlichen Messgrößen. Etwa Aussagen von Lehrern oder Eltern oder die Beobachtung von Schülern bei der Lösung einer Aufgabe.

Aber heißt das nicht auch, dass wir besonders vorsichtig bei der Interpretation der Ergebnisse sein müssen, um keine falschen Schlüsse zu ziehen?

Absolut. Aber das gilt für alle "schwer zu messenden Kompetenzen". Wenn wir zum Beispiel das Selbstvertrauen messen, ist das eine sehr ungenaue Messgröße. Wir könnten herausfinden, dass das Selbstvertrauen von einem zum anderen Jahr zugenommen hat. Aber da es so eine ungenaue Messgröße ist, könnte die Wahrheit sein, dass das Ergebnis beinahe aus Zufall passiert ist.

Haben Sie eine Erklärung dafür, warum soziale Kompetenzen bisher nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie die im Pisa-Test getesteten Kompetenzen bekamen.

Eine Erklärung könnte sein, dass man die sozialen und emotionalen Kompetenzen nicht zwischen verschiedenen Ländern vergleichen kann. Es ist eine Sache zu sagen, Land A hat eine höhere Lesekompetenz als Land B. Aber es ist etwas viel Schwierigeres zu sagen, Land A ist emotional stabiler als Land B. Wenn Sie das sagen wollen, brauchen Sie eine sehr präzise, überzeugende Messgröße.

Würden Sie sagen, dass es gar nicht möglich ist, diese Kompetenzen zwischen Ländern zu vergleichen?

Das würde ich nicht sagen. Aber es ist extrem schwierig. Es bringt viel mehr, die Veränderungen in diesen Kompetenzen im Lauf der Zeit zu beobachten. Für Individuen, für Schulen und für Länder. Vielleicht wäre es nützlich, Länder zu identifizieren, die im Gegensatz zu anderen Fortschritte in den sozialen Kompetenzen machen. Aber wir haben keine über verschiedene Länder und Kulturen vergleichbaren Daten. Ich hätte noch keine direkt vergleichbaren objektiven Messgrößen gesehen.

Diese Kompetenzen sind erstmals in Österreich und zum zweiten Mal überhaupt Teil des Pisa-Tests. Sind wir in diesem Bereich überhaupt erst am Beginn der Forschung?

Nein. Viele Psychologen, Bildungswissenschaftler, Soziologen und Neurowissenschafter arbeiten an der Messung dieser Kompetenzen seit Jahren. Wir haben noch eine große Aufgabe, da es so schwierig ist, diese Kompetenzen zu messen, aber wir werden immer besser.

Koji Miyamoto ist leitender Ökonom im Fachbereich Bildung der Weltbank. Bis September leitete er bei der OECD das Projekt "Education and Social Progress".