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Schwere Zeiten, wohin man blickt

Von Walter Hämmerle

Politik

ÖVP-Generalsekretär Werner Amon über Militärmissionen in Nordafrika, die Lage seiner Partei und 2017.


Wien. Wer sich in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten mit Innenpolitik unter besonderer Berücksichtigung der ÖVP beschäftigt hat, der stolperte regelmäßig über den Namen Werner Amons. Diese ausdauernde Präsenz ist keine geringe Leistung, wenn man bedenkt, dass der Grazer noch immer erst 47 Jahre alt ist.

Amon begann als Schülervertreter und schaffte es bis zum Bundesschulsprecher, er war bei der Jungen ÖVP und wurde deren Chef; er ist Mitglied des ÖAAB und führte dessen Geschäfte; dazwischen und seitdem bekleidete er, unter anderem, die Ämter des Sprechers für Jugend, Bildung, Europa und Außenpolitik und Soziales; seit 2013 spricht er für Sicherheit und Inneres; vor allem aber amtiert der Steirer seit September 2016 als Generalsekretär.

Kurz, und das war jetzt keine Andeutung: Amon ist, obgleich mitunter belächelt und unterschätzt, wahrscheinlich nicht die schlechteste Wahl, die Parteiobmann Reinhold Mitterlehner für das Amt des Parteimanagers treffen konnte. Schließlich weiß dieser, was es braucht, wenn es um das politische Überleben geht. Und das tut es bei der ÖVP ja gefühlt seit geraumer Zeit.

Am Sonntagabend trifft sich der ÖVP-Vorstand, am Montag die Bundesparteileitung, um den Kurs für 2017 zu besprechen. Am Mittwoch folgt die SPÖ mit einer Rede von Bundeskanzler Christian Kern.

"Wiener Zeitung": Was steht für die ÖVP in neuen Jahr auf dem Spiel? Manche glauben, es wird eine Weichenstellung für das weitere Schicksal der Partei. Sie auch?Werner Amon: Jedes Jahr bedeutet eine Weichenstellung, aber 2017 wird zweifelsohne ein wichtiges Jahr für die ÖVP, und dabei geht es - wie schon Ende 2016 - darum, dass die Koalition Gemeinsames vor Trennendes stellt, das Arbeitsprogramm abarbeitet und Neujustierungen in einigen Bereichen vornimmt.

Wo und wie?

Aus unserer Sicht gibt es hier drei Schwerpunkte: Zum einen die Bereiche Entlastung für den Wirtschaftsstandort und mehr Flexibilität bei den Arbeitszeiten.

Die Gewerkschaft fordert im Gegenzug die sechste Urlaubswoche für alle Arbeitnehmer. Ist das für Sie ein vertretbarer Kompromiss?

Ich halte wenig von einem solchen Abtausch. Wir brauchen mehr Bewegungsspielraum, von der sowohl Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer etwas haben. Ich denke hier in Richtung eines Zeitkontos, dessen Guthaben nicht nur für Urlaub oder Freizeit, sondern auch für einen früheren Pensionsantritt oder ein Sabbatical genutzt werden können. Das Modell muss zu den Menschen und zur neuen Arbeitswelt passen.

Wo noch soll nachjustiert werden?

Bei der Nachhaltigkeit, durch eine Absicherung unserer Sozialsysteme von den Pensionen über Pflege bis hin zu Gesundheit. Und dann wollen wir auch die ökosoziale Marktwirtschaft wieder ins Zentrum rücken.

Das bedeutet das Drehen an der Steuerschraube, um Ressourcenverbrauch zu verteuern?

Ja, aber im Gegenzug muss es zur Entlastung der Arbeit kommen. Insgesamt darf es zu keiner Mehrbelastung kommen, im Gegenteil: Wir wollen die Gesamtbelastung für die Steuerzahler in Richtung jener 40 Prozent drücken, die Vizekanzler Mitterlehner als mittelfristiges Ziel vorgegeben hat (derzeit 43,8 Prozent; Anm.). Und dann gibt es natürlich noch den Sicherheitsbereich, wo wir aber seit Monaten mitten in einer intensiven Diskussion sind.

Ketzerisch gefragt: Warum braucht es überhaupt eine Partei wie die ÖVP, die sich von der Mindestsicherung über die Wirtschafts- bis zur Steuerpolitik nicht einmal intern auf einen Standpunkt einigen kann? Was hält diese Partei zusammen, abgesehen von der Aussicht, regieren zu können?

Ich weiß nicht, ob die ÖVP mit diesem Problem so alleine dasteht. Schauen Sie sich bei der Mindestsicherung nur die Wiener und die burgenländische SPÖ an. Ich will unser Problem nicht kleinreden, aber in anderen Parteien ist es mindestens so groß. Das ist eine Folge unterschiedlicher Koalitionen in den Bundesländern; mit der Breite einer Sammelbewegung steigt auch das Ausmaß an unterschiedlichen Positionen. Was aber die ÖVP zusammenhält, das sind die Überzeugungen, dass sich Leistung lohnen, Eigentum geschützt und Eigenverantwortung gestärkt werden muss. Das umzusetzen, ist natürlich in einer Koalition, noch dazu mit der SPÖ, die ja von links kommt, immer schwierig, weil jeder Kompromiss das eigene Profil verwässert. Aber die Regierung ist auf einem guten Weg, darauf deuten auch die Umfragen hin, obwohl die FPÖ nach wie vor als stärkste Partei firmiert, trotzdem zeigt ihr Trend nach unten.

Parteichef Reinhold Mitterlehner hat die Abgrenzung von der FPÖ als neue Strategie bis zu den nächsten Wahlen ausgegeben. Was unterscheidet ÖVP und FPÖ?

Die FPÖ ist anti-europäisch, sie hat kein Wirtschaftskonzept und ihr Stil ist indiskutabel. Es ist schade, dass sich Oberösterreichs FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner mit seinem Rat, die Bundes-FPÖ möge sich weniger an Marine Le Pen und Geert Wilders als an der CSU orientieren, von Wien kalte Füße geholt hat, denn natürlich haben wir in manchen Fragen auch Überschneidungen mit den Freiheitlichen.

SPÖ-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil fordert, dass es für Flüchtlinge künftig unmöglich sein soll, den Asylantrag in der EU zu stellen, stattdessen soll es im Nahen Osten und in Nordafrika EU-Asylzentren geben.Das hat ja schon Johanna Mikl-Leitner gefordert, als sie noch Innenministerin war. Es geht darum, dass Asylwerber zuerst einmal in Sicherheit sind, dann soll vor Ort geprüft werden, ob sie die Kriterien für einen positiven Asylbescheid erfüllen.

Das bedeutet, dass sich die EU mit militärischer Präsenz in diesen Regionen engagiert, um solche sicheren Zonen notfalls einzurichten und auch zu beschützen.

Ja, das wird eine sehr schwierige Herausforderung, aber letztlich führt kein Weg daran vorbei. Dazu gehört auch, dass die EU in Verhandlungen mit den betroffenen Regierungen zum Beispiel ihre Entwicklungshilfe an die Bereitschaft koppelt, dass diese Staaten auch an der Umsetzung mitwirken. Umgekehrt muss auch der EU-Finanzausgleich an die Bereitschaft der Staaten zur Aufnahme von Flüchtlingen gekoppelt werden. Solidarität ist nie eine Einbahnstraße.

Und Österreich soll an solchen militärischen Missionen der EU mitwirken?

Ja, weil es dabei nicht um eine Neutralitätsfrage, sondern um die europäische Sicherheit geht. Aber wie gesagt, das wird ein langwieriger und schwieriger Prozess.

Stört es Sie eigentlich, dass sich Doskozil so offensiv in Kernthemen des ÖVP-Teams einbringt?

Nein, er ist vielleicht ein bisschen übereifrig, aber es ist gut für das ganze Land, dass er Schluss gemacht hat mit der Politik seiner beiden Vorgänger, die das Bundesheer zu zerstören drohte. Und dass er eine Meinung zu politischen Fragen hat, kann ihm ja wohl niemand verbieten.

Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste: Demnach müssten Sie als ÖVP-Manager eigentlich ein fertiges Wahlkampfkonzept in der Schublade liegen haben. Haben Sie?

Ich wäre ein schlechter Generalsekretär, wenn ich nicht auf alle Eventualitäten vorbereitet wäre. Aber ich lege Wert darauf, dass ich selbst alles tun werde, damit die Nationalratswahlen regulär im Herbst 2018 stattfinden. In diesem Halbjahr hat Österreich auch die EU-Präsidentschaft inne, aber es wird wichtig sein, dass in dieser schwierigen Phase die EU von einer pro-europäischen Regierung geführt wird.