Zum Hauptinhalt springen

Kerns Werk und Mitterlehners Beitrag

Von Marina Delcheva

Politik

Zustimmung und Ablehnung bei der ÖVP für Kerns Plan: Ja zu Flexibilisierung, nein zu Steuererhöhung.


Pöllauberg. Eigentlich wollte man ja bei der Klubklausur der ÖVP die gleichzeitige, fast zweistündige Rede von Kanzler Christian Kern nicht kommentieren. Ein offizielles Statement gab es nur vom Generalsekretär der ÖVP, Werner Amon. Das Mehrheitswahlrecht sei eine gute Idee. Neue Steuern hingegen gar nicht. Und ansonsten? "Naja, etwas langwierig." "So toll war das jetzt auch nicht." Oder: "Schauen wir mal, was er zusammenbringt", so ein ÖVP-Funktionär grinsend. Der Koalitionspartner weiß, dass Kern von seinem "Plan A" alleine wenig umsetzen kann.

Dann widmete Vizekanzler Reinhold Mitterlehner dem gut 140 Seiten starken Papier der SPÖ doch relativ viel Zeit. "Es entsteht hier der Eindruck, es ist Aufgabe der Politik, Wohlstand und gute Laune zu verteilen und nicht die Frage, was wir uns leisten können", sagt der Vizekanzler und hält das Papier in Höhe. Auf dem Cover steht: Wohlstand, Sicherheit und gute Laune. Aber wenn sich der "Plan A" mit dem Koalitionspartner nicht gänzlich umsetzen lasse, könne man ja noch einen Plan B für den Wahlkampf daraus machen, spitzelt Mitterlehner den Ball wieder an die SPÖ.

Dass SPÖ und ÖVP in den bevorstehenden Verhandlungen des neuen Regierungsprogramms alle ihre Ideen durchsetzen, ist so gut wie ausgeschlossen. In der Vergangenheit lagen die Forderungen aber auch schon einmal weiter auseinander. Denn im "Plan A" und Plan ÖVP finden sich bei genauer Betrachtung auch Überschneidungen.

Zustimmung bei Arbeitszeit

"Die Rede hat durchaus neue, interessante Ansätze, die wir gern aufgreifen", sagte Mitterlehner. Dass sich die SPÖ nicht mehr so vehement gegen die Arbeitszeitflexibilisierung ausspricht, kommt bei der ÖVP naturgemäß gut an. Hier scheint eine baldige Einigung insofern realistisch, als beide Seiten, also Arbeitnehmer und Arbeitgeber davon profitieren könnten. Im Gespräch ist ja die Erhöhung der Tageshöchstarbeitszeit von zehn auf zwölf Stunden. Die SPÖ ist verhandlungsbereit, sofern auch die Arbeitnehmer davon Gebrauch machen können.

Und auch das mittlerweile sehr umfassende und teils widersprüchliche Arbeitnehmerschutzgesetz könnte bald entrümpelt und vereinfacht werden. Kern und Mitterlehner verwendeten in ihren Reden sogar das gleiche Supermarkt-Beispiel: Das Gesetz sehe vor, dass man jedes dritte Fenster öffnen kann. Gleichzeitig dürfe man das nicht, weil die Innenraumtemperatur gleich bleiben müsse.

Auch den Vorschlag Kerns zur Studienplatzfinanzierung inklusive Zugangsbeschränkungen begrüßte der Wissenschaftsminister Mitterlehner.

Divergenzen in Asylpolitik

Etwas schwieriger dürften die Verhandlungen beim Thema Flüchtlinge laufen. "Der Bundeskanzler soll sich hier zu einer Reduzierung bekennen und diese gemeinsam mit uns in Europa vertreten", so Mitterlehner. Die ÖVP will die Obergrenze für zum Asylverfahren zugelassene Personen heuer von 35.000 auf 17.000 halbieren. So viele habe man vor der Flüchtlingskrise 2015 aufgenommen und so viele Menschen könne man auch problemlos integrieren. Jene, die keine Chance auf einen positiven Asylbescheid hätten, sollen schon an der Grenze abgewiesen werden, weil es danach kaum möglich sei, abgelehnte Asylwerber abzuschieben.

"Die Zahl 17.000 ist eine Schein-Obergrenze am Papier", kommentierte Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) die Vorschläge von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP). Dagegen ist er aber nicht. Noch vor einer Woche hatte Doskozil selbst eine Obergrenze für die gesamte EU gefordert und Erstaufnahmezentren in Drittländern. Es müsse sichergestellt werden, dass die Schutzsuchenden erst gar nicht über die Grenze ins Land kommen, anstatt sie dann, ab dem 17.001. in Lagern unterzubringen. Sobotka fordert ja, dass jene, die über die Obergrenze hinaus nach Österreich kommen, zwischenzeitig in Kasernen untergebracht werden.

Nein zu neuen Steuern

Trotz einiger gemeinsamer Punkte ist die ÖVP um Abgrenzung bemüht. "Manche wollen ohne Konzept an die Macht, andere haben 140 Seiten", stichelte der Vizekanzler in Richtung FPÖ und SPÖ.

Seine Partei stehe für "Eigenverantwortung, Selbständigkeit und Eigentum". Höhere Steuern für Konzerne und eine Erbschaftssteuer wird der Kanzler mit der ÖVP als Koalitionspartner nicht durchbringen. "Mit uns wird es keine neuen Steuern geben", deponierte er. Man müsse die Ausgaben reduzieren, nicht die Einnahmen erhöhen, zitierte Mitterlehner das Mantra von Finanzminister Hans Jörg Schelling. Nicht die Politik müsse Arbeitsplätze schaffen, sondern die Wirtschaft. Und diese müsse frei agieren. Die Abgabenquote sei nach wie vor zu hoch. Eine Absage gab es auch an Kerns Forderung nach einem Mindestlohn von 1500 Euro brutto. Die Löhne setze der Markt fest, nicht die Politik.

Kritik gab es seitens der ÖVP, dass das Thema Pensionen in den Reformplänen des Koalitionspartners nicht vorkommt. Und auch beim Thema Wohnen gibt es keine Annäherung. Die SPÖ möchte die Maklerprovision auf den Vermieter übertragen und den gemeinnützigen Wohnbau vorantreiben. Die ÖVP hingegen will den privaten Wohnbau stärken und setzt auf Eigentum. Ende Jänner müssen beide Parteien jedenfalls ein gemeinsames, überarbeitetes Regierungsprogramm vorlegen, das für die Mehrheit der Wähler spürbare Verbesserungen bringt. Eine zweite Chance dafür bekommt die Koalition nämlich nicht mehr.

Kerns "Plan A" zum Download.