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Ernsthafter Kampf gegen Rechts?

Von Werner Reisinger

Politik

Was wurde aus dem vom Innenminister angekündigten "Aktionsplan gegen Rechtsextremismus"?


Wien/Linz. Wer verhetzende Postings im Internet schreibt oder verbreitet, muss seit Jänner vergangenen Jahres mit bis zu einem Jahr Haft rechnen. Der entsprechende Paragraf im Strafgesetzbuch wurde verschärft, um der stetig wachsenden Flut verhetzender und rechtsextremer Äußerungen im Netz entgegenzutreten. Anlass zu einer Anzeige durch die Grünen lieferte vor einem Jahr der oberösterreichische FPÖ-Nationalratsabgeordnete Gerhard Deimek. Er teilte einen Twitter-Eintrag eines deutsch-türkischen rechten Autors, in dem von "dauergeilen Barbaren", vor denen "keine Deutsche mit einer Vagina mehr sicher ist", die Rede war - "sollten alle lesen, die auch in 50 Jahren noch Österreicher sein wollen. Und nicht Wegbereiter der Araber", fügte der FPÖ-Politiker dazu.

Prompt erwirkte die Staatsanwaltschaft Steyr im Februar vergangenen Jahres die Aufhebung von Deimeks Immunität, stellte die Ermittlungen gegen ihn jedoch kurz darauf ein. Die Begründung: Es sei nicht nachweisbar, dass Deimek den ganzen Inhalt des von ihm weiterverbreiteten Beitrags tatsächlich gelesen hat. Die Oberstaatsanwaltschaft schloss sich an.

Oberösterreich: SPÖ und Grüne vermissen konkrete Schritte

Die Einstellungsbegründung sorgte nicht nur bei den Grünen, sondern vor allem beim Mauthausen Komitee Österreich (MKÖ) für Ärger. "Während jugendliche Rechtsextreme im Falle von Wiederbetätigung und Verhetzung vor Gericht landen, scheinen für Politiker in ähnlichen Fällen offenbar andere Maßstäbe zu gelten", sagt MKÖ-Vorsitzender Willi Mernyi.

Das MKÖ kritisiert seit geraumer Zeit, dass Ermittlungen wegen Wiederbetätigung oder Verhetzung von den Staatsanwaltschaften immer wieder plötzlich eingestellt werden - oft mit fadenscheinigen Begründungen. Anfang März schickte das MKÖ einen offenen Brief - unterschrieben von zahlreichen Künstlern, Intellektuellen, Geistlichen und Wissenschaftern - an Justizminister Wolfgang Brandstetter. Die Forderung: eine Informationspflicht für Staatsanwaltschaften, was Fälle von Verhetzung und Wiederbetätigung betrifft, sowie intensive Schulungen für Richter und Staatsanwälte.

Die gebe es bereits, hält Christian Pilnacek, Leiter der Sektion Strafrecht im Justizministerium, gegenüber der "Wiener Zeitung" fest. An allen größeren Staatsanwaltschaften seien Sonderreferate eingesetzt worden, die die Ermittler zu besonderer Sensibilität beim Thema Rechtsextremismus anleiten und Schulungen zum Thema Nationalsozialismus und zum modernen Erscheinungsbild der rechten Szene abhalten sollen. Pilnacek verweist auf eine beträchtliche Steigerung sowohl der Anklagen als auch der Verurteilungen bei den Tatbeständen Verhetzung und Wiederbetätigung. Er spricht von einem "bewussten Schwerpunkt in der Verfolgungsstrategie" der Ermittler. Dass Politiker wie Deimek von der Staatsanwaltschaft milder als andere Verdächtige behandelt werden, stellt Pilnacek vehement in Abrede: "Es bestand kein Anlass, von der übereinstimmenden Ansicht von zwei Instanzen abzuweichen." Und: "Eine missliebige Begründung ist kein Anlass, das Bemühen der Staatsanwaltschaften generell in Zweifel zu ziehen."

Wie aber sieht es mit der Prävention aus? Nach dem Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim im oberösterreichischen Altenfelden Anfang Juni versprach der damals frisch vereidigte Innenminister Wolfgang Sobotka einen "Aktionsplan gegen Rechtsextremismus". Oberösterreich sei "nur ein Augenblick", die Zahl der rechtsextremen Straftaten sei im Steigen begriffen, man werde "diese Tatgruppen sehr stark unter Augenschein nehmen", versprach Sobotka damals. Tatsächlich kam es noch im Juni zu einem Treffen zwischen Sobotka und Landespolitikern sowie NGO-Vertretern, auch das MKÖ nahm teil. "Seitdem haben wir vom Herrn Innenminister und seinem angekündigten Plan nichts mehr gehört", sagt MKÖ-Geschäftsführerin Christa Bauer. Auch die SPÖ-Landesrätin Birgit Gerstofer fühlt sich im Kampf gegen Rechts vom Innenminister nicht unterstützt. Initiativen auf Landesebene wie die Einführung von Anlauf- und Beratungsstellen für aussteigewillige Rechtsextreme, die Ausarbeitung eines Leitfadens für Schulen und den Ausbau des Handlungskonzeptes gegen Extremismus nach bayrischem Vorbild, würden sich - auch aufgrund der schwarz-blauen Landeskoalition in Oberösterreich - langwierig gestalten.

Und der "Aktionsplan gegen Rechtsextremismus"? "Es gibt meinerseits keine Wahrnehmung, dass Innenminister Sobotka sich in Oberösterreich in irgendeiner Weis besonders eingebracht hätte", sagt Gerstorfer. Aus dem Innenministerium heißt es auf eine entsprechende Anfrage, der Aktionsplan beinhalte ein "vielschichtiges Programm mit zahlreichen Kooperationspartnern aus Zivilgesellschaft und internen Schwerpunktsetzungen", auch des Verfassungsschutzes. Die Maßnahmen seien bereits seit vielen Jahren am Laufen und würden "laufend erweitert". Die Rede ist von "ressortinternen Aus- und Fortbildungsmaßnahmen" sowie von "anlassbezogenen Sensibilisierungs- und Informationsveranstaltungen".