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Berühmte erste Worte

Von Walter Hämmerle

Politik

Am Donnerstag wird Alexander Van der Bellen seine Antrittsrede als neuer Bundespräsident halten.


Wien. Die ersten Worte mögen nicht die wichtigsten sein, aber ein Signal sind sie auf jeden Fall. Die öffentliche Inszenierung der Amtsübernahme stellt den feierlichen Rahmen zur Verfügung, in dem der (oder die) Neue seine Vision, sein Amtsverständnis programmatisch präsentiert. Dass dabei nicht zwingend ein alle Welt umarmender Appell für mehr Harmonie herauskommen muss, hat Donald Trump bei seiner Inaugurationsrede bewiesen.

Am Donnerstag ist Alexander Van der Bellen an der Reihe, wenn er vor der Bundesversammlung den Amtseid als Bundespräsident mit folgenden Worten ablegt: "Ich gelobe, dass ich die Verfassung und alle Gesetze der Republik getreulich beobachten und meine Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen werde." Dabei hat Van der Bellen bereits zum ersten Mal die Gelegenheit, ein persönlich-politisches Zeichen zu setzen: Die Verfassung stellt es frei, der Gelöbnisformel eine religiöse Beteuerung anzufügen. Rudolf Kirchschläger war 1974 der Erste, der davon Gebrauch gemacht hatte, Kurt Waldheim und Thomas Klestil folgten; Van der Bellen, der sich als "nicht gläubig im engeren Sinn" bezeichnet, wird wohl seinem direkten Amtsvorgänger Heinz Fischer folgen, der auf die Ergänzungsformel verzichtete.

Inhalt unter Verschluss

Über den Inhalt hüllt sich das Team des künftigen Bundespräsidenten im Vorfeld in Schweigen. Anhaltspunkte können deshalb allenfalls aus bisherigen Erklärungen gewonnen werden, zum Beispiel aus jener vom 23. Mai, dem Tag nach der ersten Stichwahl, als Van der Bellen im Bewusstsein sprach, die Wahl - und damit das Amt - gewonnen zu haben. Diese hatte alle Elemente einer Versöhnungsrede nach einem aufwühlenden Wahlkampf, der das Land in zwei Hälften teilte. Also reichte er seinem Konkurrenten Norbert Hofer symbolisch die Hand, wollte die Polarisierung nicht dramatisieren, aber auch nicht wegreden, betonte die Politisierung der Bürger, forderte eine offenere Streitkultur sowie die Notwendigkeit gegenseitigen Respekts und versprach abschließend, ein überparteilicher Bundespräsident für alle Österreicher sein zu wollen.

So ungefähr hat das auch Heinz Fischer 2004 gehalten. Wobei die damals regierende schwarz-blaue Regierung einen besonderen Hintergrund abgab. Fischer betonte dabei insbesondere seinen Willen, "auf eine harmonische Zusammenarbeit der Staatsorgane hinzuarbeiten" und seine Entschlossenheit, das Amt zwar strikt überparteilich ausüben zu wollen, dabei aber nicht auf Grundsätze und Prinzipien zu verzichten.

Schon Klestil warb für Europa

Zwölf Jahre zuvor, 1992, regierten SPÖ und ÖVP noch mit 75 Prozent der Stimmen - und dem Karriere-Diplomaten Thomas Klestil gelang das Kunststück, trotz ÖVP-Nominierung als Anti-Establishment-Kandidat aufzutreten. Die Nachwehen der Waldheim-Jahre waren noch zu spüren und Jörg Haider befand sich im Steilflug. Vor diesem Hintergrund plädierte Klestil für ein aufgeklärtes Geschichtsbewusstsein und gegen Politikverdrossenheit und Radikalismus jeder Art. Witzig mutet an, dass Klestil schon damals einen "Meinungs- und Popularitätswettlauf" konstatierte, obwohl von den Sozialen Medien noch keine Rede war. Die stärkste Ansage machte er aber wohl mit seinem Bekenntnis "zur Mitwirkung Österreichs am Bau einer neuen europäischen Friedensordnung, deren Konturen sich heute schon abzeichnen". Drei Jahre vor dem EU-Beitritt.

Europa wird zweifellos, jedenfalls wenn man den Wahlkampf zum Maßstab nimmt, auch am Donnerstag eine prominente Rolle einnehmen. Brexit, Trump, die verbreitete EU-Skepsis sowie die unbewältigten Krisen bei Flüchtlingen und Finanz geben dem Aktualität und Dringlichkeit.

Innenpolitisch ist Bundeskanzler Christian Kern mit seinem "Plan A" einer Ruck-Rede zuvorgekommen. Viel mehr, als die Koalition zum Umsetzen aufzufordern, bleibt ihm da nicht. Spannend wird sein, ob und, falls ja, wie er sein Verhältnis zur FPÖ thematisiert. Immerhin hat er mit seinem Versprechen, keinen FPÖ-Kanzler zu ernennen, eine Mehrheit gewonnen. Wiederholt er diese Ankündigung oder spart er das - auch verfassungsrechtlich heikle - Thema aus und konzentriert sich stattdessen auf eine "Bringen wir Österreich gemeinsam voran"-Rede? In ersterem Fall könnte die Rede Trumpsches Eskalationspotenzial gewinnen, zweiteres ist realistischer.

Befugnisse wackeln

Und dann gibt es da noch die Frage seiner Kompetenzen. Im Wahlkampf hat Van der Bellen die Politik aufgefordert, über Änderungen der formal weitreichenden Befugnisse nachzudenken. Kern hat den Ball gerne aufgenommen: Sein Vorschlag, ein Mehrheitswahlrecht einzuführen und der stärksten Partei automatisch den Kanzler zuzuweisen, würde den Bundespräsidenten weitgehend entmachten. ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka nahm die Einladung ebenfalls gerne an und befindet die Einberufung des Nationalrats, die Prüfung von Bundesgesetzen auf verfassungsgemäßes Zustandekommen, die Angelobung von Landeshauptleuten sowie Begnadigungen nicht mehr für zeitgemäß. Van der Bellen wird Mühe haben, das Amt in seinen Grundzügen zu erhalten.

Und schließlich bleibt noch die Frage, ob das neue Staatsoberhaupt die Gelegenheit nutzen wird, eine Geste zu setzen, ein politisches Zeichen, dass sein Sieg eine Zäsur in der Geschichte der Zweiten Republik darstellt.

Was das sein könnte? Ein republikanischer Akt, zum Beispiel den Ersatz (oder die Ergänzung) des Porträts des Bundeskanzlers in allen öffentlichen Gebäuden um einen Verweis auf § 16 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1816: "Jeder Mensch hat angeborne, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte, und ist daher als eine Person zu betrachten. Sclaverey oder Leibeigenschaft, und die Ausübung einer darauf sich beziehenden Macht, wird in diesen Ländern nicht gestattet."