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Hickhack vor dem "Neustart"

Von Werner Reisinger

Politik

Ab Mittag Verhandlungen zu Regierungsprogramm im Bundeskanzleramt. | Erneut Debatte um Neuwahlen in der Regierung: SPÖ und ÖVP unterstellen sich gegenseitig, insgeheim Neuwahlen vorzubereiten.


Wien. Die Fassade ist am Bröckeln. Bis Freitag wollen die SPÖ und Bundeskanzler Christian Kern von der ÖVP konkrete Ergebnisse für ein überarbeitetes Regierungsprogramm sehen. "Ich bin sehr unzufrieden mit dem, was vorliegt. Unsere Hand ist ausgestreckt, die ÖVP muss entscheiden, ob sie das will", sagte Kanzler Kern in der "Krone". Vizekanzler Mitterlehner will Ergebnisse abliefern: "Der Kanzler hat die Hand gereicht. Ich schlage ein."

Ein "Ultimatum" sei dies freilich nicht, ist aus hochrangigen SPÖ-Kreisen zu erfahren. Man wolle definitiv keine Neuwahlen - Ergebnisse müssten her. Es sei vielmehr die ÖVP, die versuche, der SPÖ Neuwahlwünsche anzudichten. Detto die Töne aus der ÖVP: Die Wähler würden nicht schon wieder Wahlkampf wollen, in einigen Punkten werde man sich beim Regierungsprogramm einigen können, seitens der SPÖ aber würden Neuwahlen in der Luft liegen.

Aus dem "Neustart" vulgo "Update" des Arbeitsprogramms, dass die Regierungskoordinatoren Thomas Drozda (SPÖ) und Harald Mahrer (ÖVP) in den letzten Wochen beharrlich und trotz fehlender Verhandlungsfortschritte für Ende Jänner oder Anfang Februar angekündigt hatten, könnte so schon bald ein Neuwahlszenario werden. Am Mittwoch soll jedenfalls eine große Neustart-Verhandlungsrunde stattfinden. Bildung, Sicherheit, Arbeitsmarkt und Wirtschaft sollen dabei besprochen werden. Die Verhandlungen haben um 11.30 Uhr im Bundeskanzleramt begonnen.

Am Dienstag vor dem Ministerrat wurde jedenfalls offensichtlich, dass es um die Gesprächsbasis in der Regierung wieder einmal nicht allzu rosig bestellt ist.

Gegenseitige Vorwürfe

Den Anfang machte die ÖVP, die Familienministerin Sophie Karmasin vorschickte: Kern würde "Inszenierung vor die Arbeit" stellen, seine vielen Einzeltermine und seine Bundesländertouren könnte man als eine Art Vorwahlkampf interpretieren. Auch habe die SPÖ Verhandlungstermine abgesagt. Das alles sei ein "möglicher Indikator", dass die SPÖ Neuwahlen wolle, sagte Karmasin, die im selben Atemzug klarstelle, sie selbst wolle auf keinen Fall ein Ende der Koalition.

Kurz darauf trat der Kanzler vor die Journalisten und wies Karmasins Aussagen zurück. Statt über Neuwahlen zu spekulieren, solle man sich auf wichtige, offene Fragen, wie etwa die Sicherheitsdebatte, konzentrieren. Er habe ein 150 Seiten starkes Papier, eben den "Plan A", vorgelegt, das es zu diskutieren gelte, sagte der Kanzler. Der ÖVP unterstellte er, sich auf "Überschriften" zu beschränken.

Hinsichtlich der von Innenminister Sobotka geforderten strengeren Maßnahmen gegen islamistische Gefährder, wie etwa Fußfesseln für Syrien-Rückkehrer, zeigte sich Kern offen. Auch müsse man über Gesetzesverschärfungen bei staatsfeindlichen Verbindungen wie den "Reichsbürgern" oder der "Freemen"-Bewegung nachdenken, auch hier hatte Sobotka bereits Vorschläge unterbreitet. Nach der kurzen Ministerratssitzung trat Mitterlehner vor die Journalisten - ebenfalls allein. "Wir sind willig", unterstrich der ÖVP-Chef die Bereitschaft seiner Partei für ein überarbeitetes Regierungsprogramm. Es gebe genügend Inhalte und Möglichkeiten, etwas bei der Abschaffung der kalten Progression oder eben beim Sicherheitspaket: "Es liegt sicherlich nicht an uns." Die "Inszenierungen" und das "taktische Gehabe" solle man aber besser weglassen, richtete Mitterlehner dem Kanzler aus.

Verhandlungen stocken

Ein Hickhack vor dem "Neustart", oder doch ein Patt, das in Neuwahlen münden könnte?

Mit dem bisherigen Verhalten der ÖVP sei man "sehr unzufrieden", war am Dienstagnachmittag aus SPÖ-Regierungskreisen zu vernehmen. Nicht die SPÖ, sondern im Gegenteil die ÖVP habe in den letzten Wochen Verhandlungstermine platzen lassen. Man befürchte, die ÖVP habe die Absicht, das Regierungs-"Update" zu einem "Schmalspur-Papier" verkommen zu lassen, um so die SPÖ als unwillig dastehen zu lassen. Das Ziel sei, den Kanzler öffentlich zu beschädigen. Medienberichte, wonach die SPÖ im Besitz von Umfragen sei, die sie zum ersten Mal seit geraumer Zeit an der Spitze vor der FPÖ sehen würden, wies ein SPÖ-Funktionär als "Unsinn" zurück.

In der ÖVP zeigt man sich am Dienstagnachmittag jedenfalls betont gesprächsbereit. Klubchef Reinhold Lopatka verstehe es nicht als Drohung, dass Kern von der ÖVP in Sachen Regierungsprogramm-"Update" bis Freitag Ergebnisse fordert. Und auch Mitterlehner meinte, es sei notwendig, möglichst schnell an die Arbeit zu gehen und Ergebnisse zu liefern. Welche, das wird sich frühestens am Freitag zeigen.