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46 Vorhaben für 18 Monate

Von Marina Delcheva und Brigitte Pechar

Politik

Das neue Regierungsprogramm im Detail: mehr Geld für Bildung, Abschaffung der kalten | Progression, mehr Überwachung, Strafen bei Integrationsverweigerung. Kosten: 4 Milliarden Euro.


Wien. Die Parteigremien von SPÖ und ÖVP haben am Montagvormittag dem in der Nacht auf Montag fertig verhandelten 35 Seiten starken Papier "Für Österreich. Arbeitsprogramm der Bundesregierung 2017/2018" zugestimmt. Eine Präambel erklärt, warum es diesen neuerlichen Anlauf brauchte: Das Arbeitsprogramm aus dem Jahr 2013 sei weiterhin gültig, habe aber aktualisiert werden müssen, um die "aktuellen Herausforderungen adäquat zu beantworten".

70.000 Arbeitsplätze sollen mit den vorgeschlagenen Maßnahmen zusätzlich zu den konjunkturell entstandenen geschaffen werden. "Wir werden den Österreicherinnen und Österreichern in den kommenden 18 Monaten beweisen, dass wir diese Projekte geschlossen und gemeinsam abarbeiten. Messen Sie uns an dieser Arbeit!", heißt es da.

Das Arbeitsprogramm der Bundesregierung (PDF)

Es folgt die Unterschriftenliste aller Mitglieder der Bundesregierung und der beiden Staatssekretäre. Dann werden auf 33 Seiten die in sieben Punkte gefassten Vorhaben mit genauem Zeitplan der Umsetzung beschrieben: Zukunft der Arbeit, Zukunft des Standorts; Bildung/Innovation; Energie und Nachhaltigkeit; Sicherheit und Integration; Staat und Gesellschaft modernisieren; Österreich in Europa und der Welt; Finanzierung und gesamtwirtschaftliche Effekte.

Zukunft der Arbeit/des Standorts

Unternehmen, die der Kommunalsteuerpflicht unterliegen, erhalten einen Beschäftigungsbonus: Für jeden zusätzlichen Beschäftigten ab Juli 2017 erhalten die Unternehmen in den nächsten drei Jahren 50 Prozent der Lohnnebenkosten erstattet. Die Maßnahme soll ab 1. Juli 2017 gelten und wird nach drei Jahren evaluiert.

Zur Vermeidung von Gewinnverschiebungen sollen ausländische Konzerne, die in Österreich keine oder geringe Steuern zahlen, künftig effizienter besteuert werden. Dazu wird der Finanzminister bis Juni 2017 ein Maßnahmenpaket vorlegen. In Kraft soll das ab Jänner 2018 treten.

Zur nachhaltigen Sicherung der Steuerreform wird die kalte Progression weitgehend abgeschafft. Wenn die Inflation fünf Prozent erreicht, werden die ersten beiden Tarifstufen von 11.000 und 18.000 Euro automatisch indexiert. Damit werden 80 Prozent der kalten Progression erfasst, es kommt also zu einer dauerhaften Steuerentlastung. Begleitet soll diese Maßnahme durch einen Progressionsbericht des Finanzministeriums werden. Die Umsetzung ist für den Ministerrat im April vorgesehen, Start der Entlastung ist Jänner 2019.

Um die Standortattraktivität zu erhöhen, soll die Flugabgabe mit Wirkung Jänner 2018 halbiert werden.

Für Betriebe mit bis zu zehn Mitarbeitern wird der AUVA-Zuschuss für die Entgeltfortzahlung im Fall eines Krankenstandes auf 75 Prozent erhöht. Diese Entlastung für Mikrounternehmen soll bereits ab Juli 2017 in Kraft sein.

Die Forschungsprämie für Unternehmen soll ab Jänner 2018 auf 14 Prozent erhöht werden. Damit sollen qualifizierte Arbeitsplätze gesichert werden.

Für Unternehmen ab einer Mitarbeiterzahl von 250 wird die vorzeitige Abschreibung von Investitionen im Ausmaß von 30 Prozent geschaffen. Diese Maßnahme gilt ab März bis Ende 2017, um noch für heuer Investitionsanreize zu schaffen. Klein- und Mittelbetriebe profitieren bereits von der Investitionszuwachsprämie für 2017 und 2018.

Für die Schaffung von Wohnraum gibt es ein Wohnpaket. Damit sollen zusätzliches Bauland und privates Kapital für den sozialen Wohnbau mobilisiert werden. So sollen etwa Pensionsinvestmentfonds, Mitarbeitervorsorgekassen und Versicherungen in sozialen Wohnbau investieren dürfen. Der Verkauf von Anteilen an gemeinnützigen Wohnbauträgern soll über dem Kaufpreis liegen können, ohne dass es zu höheren Gewinnausschüttungen der Wohnbauträger kommen muss.

Zur Baulandmobilisierung ist etwa vorgesehen, dass bei Umwidmungen von Grundstücken der öffentlichen Hand in Bauland 25 Prozent für förderbaren Wohnraum vorbehalten werden. Wenn innerhalb einer bestimmten Frist kein Bedarf dafür gegeben ist, verfällt dieser Vorbehalt. Das Wohnpaket soll im November 2017 im Ministerrat beschlossen werden.

Was die Arbeitszeitflexibilisierung betrifft (Stichwort: 12-Stunden-Tag), sollen die Sozialpartner bis Ende Juni ein Paket vereinbaren. Sollten sich diese bis dahin nicht einigen, wird die Regierung im dritten Quartal 2017 einen eigenen Vorschlag beschließen.

Auch Maßnahmen in den Bereichen Arbeitnehmerschutz/Arbeitsinspektorat werden von den Sozialpartnern weiter verhandelt. Ziel ist, bis Ende 2018 eine praxistaugliche Entlastung aller zu haben. So sollen Meldepflichten nach dem Arbeitszeitgesetz reduziert werden, die Meldung von Beinahe-Unfällen soll überhaupt entfallen. Beim Sozialministerium wird noch im Mai 2017 eine Ombudsstelle für etwaige Beschwerden eingerichtet.

Um den Zuzug auf den österreichischen Arbeitsmarkt - vor allem aus Osteuropa - einzudämmen, soll eine Arbeitsmarktprüfung eingeführt werden: Nur wenn sich für eine Stelle kein geeigneter in Österreich gemeldeter Arbeitsloser findet, kann die Stelle ohne Einschränkungen vergeben werden. Diesbezüglich wird sich die Regierung bei der EU-Kommission starkmachen. Außerdem will die Regierung auch die exportierte Familienbeihilfe indexieren - auch hier ist aber ein Einvernehmen mit der EU herzustellen. Vorschläge dazu sollen bis März 2017 an die EU geleitet werden.

Um die Mobilität am Arbeitsmarkt zu erhöhen, soll die Kombilohnbeihilfe erweitert werden. Arbeitslose Menschen, die einen weiter entfernten Arbeitsplatz annehmen, sollen Unterstützung erhalten; ebenso soll die Entfernungsunterstützung erhöht und die Übersiedlung selbst gefördert werden.

Die Zumutbarkeitsregelungen werden ausgeweitet: Die Mindestverfügbarkeit soll von 16 auf 20 stunden erhöht werden. Außerdem wird ein Mindestlohn von 1500 Euro als Zumutbarkeitsgrenze eingeführt - dies allerdings nach Sozialpartnervereinbarung, die bis Ende Juni vorliegen soll. Die Anpassung der AMS-Richtlinien soll im Ministerrat im Mai erfolgen, die Umsetzung ist ab Jänner 2018 geplant.

Ein Sozialpartnerpapier zur Schaffung von Rechtssicherheit bei der Abgrenzung von selbständiger und unselbständiger Tätigkeit soll im ersten Halbjahr 2017 legistisch umgesetzt werden. Die Vorlage im Ministerrat ist noch für März geplant, gelten soll das ab Juli 2017.

Zur Entlastung von Bürgern und Unternehmen soll das Kumulationsprinzip abgeschafft werden. Auch das sollen die Sozialpartner bis Ende Juni verhandeln, ansonsten beschließt die Regierung dazu im dritten Quartal einen Vorschlag.

Das Pensionsthema ist knapp gehalten: Es wird ein Anlauf zur Angleichung der Pensionssysteme (einheitliches Pensionssystem) unternommen, dazu wird im April eine Arbeitsgruppe eingesetzt.

Bis 30. Juni arbeitet die Regierung gemeinsam mit den Sozialpartnern an der flächendeckenden Umsetzung eines Mindestlohns von 1500 Euro. Auch hier erwartet die Regierung von den Sozialpartnern bis Ende Juni eine Lösung, sonst wird sie selbst im dritten Quartal 2017 einen Beschluss fassen.

Im Rahmen der Beschäftigungsaktion sollen für 20.000 über 50-jährige langzeitarbeitslose Menschen in Gemeinden, über gemeinnützige Vereine und Unternehmen Jobs geschaffen beziehungsweise gefördert werden. Dieses Programm beginnt im Juli 2017 mit Pilotprojekten. Die Mittel dafür werden vorerst auf zwei Jahre befristet. Im Herbst 2018 findet eine Evaluierung statt, sollte diese erfolgreich sein, werden weitere 200 Millionen Euro für 2019 dafür zur Verfügung gestellt.

Um die Einstellung von älteren Arbeitnehmern zu erleichtern, wird der Kündigungsschutz für Menschen mit 50+ gelockert. Das soll bereits ab Juli 2017 gelten.

Für Menschen mit Vermittlungsproblemen wird ein Case Management eingerichtet. Der Beschluss dafür soll im AMS-Verwaltungsrat im dritten Quartal erfolgen, umgesetzt soll diese Maßnahme ab 2018 werden.

Das Kapitel Gesundheit umfasst drei große Bereiche: Die Wartezeiten bei CT und MRT sollen verkürzt werden. Dafür wird bereits bis März eine vertragliche Lösung angepeilt. Um die ambulante Versorgung zu verbessern, sollen bis 2020 schrittweise zumindest 75 Primärversorgungszentren eingerichtet werden. Mit dem Ausbau soll Mitte 2017 begonnen werden. Die psychische Gesundheit soll durch einen verbesserten Zugang zu Psychotherapie verbessert werden. Hier sind die Krankenkassen und der Hauptverband aufgerufen, bis 30. Juni ein Konzept vorzulegen. Das Psychotherapiegesetz soll im vierten Quartal 2017 vorliegen.

Um Unternehmensgründungen zu erleichtern, soll das Insolvenzrecht modernisiert werden; Stichwort Kultur des Scheiterns. Da gescheiterte Selbständige von den Hürden bei einer Privatinsolvenz besonders betroffen sind, soll die Frist im Abschöpfungsverfahren für sie auf drei Jahre verkürzt werden, die Mindestquote soll zur Gänze entfallen. Das soll im Juli 2017 in Kraft treten.

Ein ganzes Bündel an Maßnahmen gibt es für Start-ups. Hier sollen Exzellenznetzwerke und Cluster gebildet werden. Besonders wichtig sind Forschungsanbindungen und Industriepartnerschaften. Die Umsetzung soll 2018 beginnen.

Bildung/Innovation

Im Lehrlingspaket ist die Übernahme aller Kosten für Vorbereitungskurse zur Lehrabschlussprüfung vorgesehen, außerdem erhalten die Lehrlinge die Möglichkeit, Auslandspraktika zu absolvieren, wobei der Schwerpunkt auf Sprachen liegen soll. Umsetzung: ab Juli 2017.

Die Hochschulen sollen in Richtung Weltspitze entwickelt werden. Die Betreuung der Studierenden soll verbessert und eine bessere soziale Durchmischung erreicht werden. Dazu wird ein Studienplatzfinanzierungsmodell (mit Aufnahmeverfahren und Zugangsregeln) ausgearbeitet, das Hochschulbudget soll dementsprechend erhöht werden. Lehrlingen soll der Zugang zu Fachhochschulen erleichtert werden. Abgesichert soll das mit einer Verbesserung des Beihilfensystems werden. Die Studienplatzfinanzierung soll im Oktober 2017 im Ministerrat beschlossen und ab Jänner 2019 umgesetzt werden. Der Fördertopf für Lehrlinge soll ab dem Wintersemester 2017/18 gelten, die Studienbeihilfenreform ebenso.

In der Elementarpädagogik stehen die Einführung eines zweites Gratis-Kindergartenjahres und eines bundesweit einheitlichen Bildungsrahmenplans an. Start ist für Jänner 2018 geplant.

Die Schulautonomie soll im April in den Ministerrat kommen und ab Jänner 2018 gelten.

Schule 4.0 bedeutet, dass bis 2010/21 alle Schulen einen Breitbandanschluss haben, ab 2017 wird damit begonnen, die Schüler in der fünften und der neunten Schulstufe mit einem Tablet beziehungsweise Laptop auszustatten. Digitale Grundbildung wird in den Lehrplänen verankert, die Pädagogen erhalten dazu Fortbildung. Ministerrat im September 2017, Start 2018.

Die Digitalisierung wird insgesamt ausgebaut - Österreich hat hier Nachholbedarf. Die verpflichtende Papierrechnung für Handy und Internet wird abgeschafft. Die Breitbandmilliarde wird noch heuer evaluiert und eventuelle Verbesserungen vorgenommen. Genehmigungsverfahren für die IT-Infrastruktur (zum Beispiel Sendemasten) sollen vereinfacht werden, die Gebühren sollen sinken. Frequenzversteigerungen sollen "auf Basis wirtschaftlich vertretbarer Auktionsdesigns" durchgeführt werden. Bisher haben die drei Mobilfunknetzbetreiber, die sich mehrheitlich alle in ausländischer Hand befinden, Milliardensummen dafür in den Staatshaushalt gezahlt.

Bis 2020 soll die nächste Mobilfunkgeneration 5G in jeder Landeshauptstadt verfügbar sein. Die Novelle des Telekommunikationsgesetzes soll beim Ministerrat im Juni 2017 abgesegnet werden.

Die Forschungsquote soll auf 3,76 Prozent des BIP angehoben werden - dabei soll ein Drittel der Steigerung von der öffentlichen Hand kommen, zwei Drittel von privater Seite. Die Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung soll in den nächsten drei Jahren mit je 100 Millionen Euro aus dem Jubiläumsfonds der Nationalbank dotiert werden. Der Beschluss ist im April im Ministerrat vorgesehen.

Energie/Umwelt

Im Energiebereich sieht das neue Arbeitsprogramm eine kleine und eine große Ökostromnovelle vor. Die Verfallsfristen für genehmigte Windkraftprojekte sollen verlängert werden. Photovoltaikanlagen, Kleinwasserkraftwerke und hocheffiziente Biogasanlagen sollen gefördert werden, für veraltete Biogasanlagen soll es Abwrackprämien geben. Auch im überarbeiteten Regierungsprogramm setzt man auf Förderungen und den Ausbau erneuerbarer Energieträger. Bis 2030 soll Österreich weitgehend energie-autonom sein, also kaum von Energieimporten aus dem Ausland abhängen.

Das bisherige Fördersystem - dieses sieht fixe Einspeisetarife für Ökostrom vor - soll allerdings in Richtung einer Investitionsförderung reformiert werden. Außerdem soll die Ökostrompauschale für Haushalte gedeckelt werden. Hier will man bis Dezember dieses Jahres konkrete Maßnahmen vorlegen. Ein Unsicherheitsfaktor, den die Regierung nicht beeinflussen kann, ist die Trennung der österreichisch-deutschen Strompreiszone, die die Preise hierzulande in die Höhe treiben könnte.

Noch nicht im Detail ausgearbeitet ist die neue Energie- und Klimastrategie des Bundes. Diese soll im Fokus der Energieeffizienz stehen und Forschungs- und Innovationsvorhaben im Bereich Umwelttechnologie fördern. Bei der öffentlichen Vergabe im Lebensmittelbereich soll ab Mai das Bestbieterprinzip gelten.

Sicherheit/Integration

Zu den schon im Vorfeld wohl umstrittensten und heikelsten Punkten zählen jene, die unter der Überschrift "Sicherheit und Integration" zusammengefasst sind. Dazu gehören mehr Überwachung, strengere Strafe für sogenannte Integrationsverweigerer ebenso wie ein Verschleierungsverbot und ein Kopftuchverbot, aber der Reihe nach.

Schon im April soll eine Strafrecht-Gesetzesnovelle durch den Nationalrat, die unter anderem den Straftatbestand "Staatsfeindliche Bewegungen" - zum Beispiel Reichsbürger oder salafistische Vereinigungen - genauer regelt. Außerdem sind härtere Strafen für sexuelle Übergriffe in der Gruppe und Angriffe auf öffentliche Bedienstete vorgesehen.

Im Rahmen der Terrorismusbekämpfung sollen sogenannte Gefährder, das ist allerdings kein Rechtsbegriff, künftig in Untersuchungshaft genommen werden. Wenn die Gefährdung nur abstrakt ist, wird die elektronische Fußfessel als gelinderes Mittel angestrebt und durch Gerichte entschieden. Juristen sehen diesen Punkt kritisch, weil Gerichte entscheiden müssen, wie wahrscheinlich es ist, dass eine Person in Zukunft zum Beispiel einen Terroranschlag begehen könnte. Außerdem soll es künftig eine Ausweisplicht beim Kauf von Prepaid-SIM-Karten geben.

Auch die behördliche Überwachung wird deutlich ausgeweitet. Öffentliche Betreiber wie etwa die Wiener Linien und die ÖBB sollen Videomaterial über einen bestimmten Zeitraum speichern und bei "begründetem Verdacht" herausgeben. Die akustische Überwachung soll auch auf Autos ausgeweitet werden sowie der Zugriff auf Telekommunikationsdaten erleichtert werden. Das alles jedoch nur mit richterlichem Beschluss und im Rahmen der Terror-Bekämpfung.

Die Grenzkotrollen, derzeit bis Mai genehmigt, werden wohl auch darüber hinaus bestehen. Im Papier wird eine flächendeckende Überwachung der Grenzübergänge sowie der grünen Grenze in Zusammenarbeit zwischen Bundesheer und Polizei angestrebt. Außerdem sollen Autokennzeichen beim Grenzübertritt registriert werden und Reiseunternehmen sanktioniert werden, wenn sie auf internationalen Fahrten Passagiere befördern, die keine gültigen Papiere haben.

"Für die Durchsetzung einer neu zu fassenden Ausreiseanhaltung" werden "Rückkehreinrichtungen sowie Rückkehrzentren" eingerichtet. In diesen sollen abgelehnte Asylwerber untergebracht werden. Damit einher geht eine de facto Gebietsbeschränkung für jene, die keinen Asylstatus oder subsidiären Schutz bekommen. Außerdem sollen sie künftig nur noch Sachleistungen und keine Geldleistungen mehr bekommen. Die Schubhaftdauer wird auf 18 Monate verlängert. Auf der anderen Seite soll es großzügigere, auch finanzielle Unterstützungen für jene geben, die freiwillig ausreisen. Die von der ÖVP geforderte Halbierung der Obergrenze auf 17.500 Asylwerber für heuer ist nicht explizit genannt, lediglich eine "deutliche Reduzierung" der Migration.

Deutliche Verschärfungen gibt es im neuen Integrationsgesetz. Zum Beispiel soll es bald ein Vollverschleierungsverbot im öffentlichen Raum geben. Ein Kopftuchverbot wird im neuen Regierungsprogramm nicht explizit genannt. Dafür heißt es aber im Wortlaut: "Der Staat ist verpflichtet, weltanschaulich und religiös neutral aufzutreten. In den jeweiligen Ressorts wird bei uniformierten ExekutivbeamtInnen sowie RichterInnen und StaatsanwältInnen darauf geachtet, dass bei Ausübung des Dienstes dieses Neutralitätsgebot gewahrt wird." Das bedeutet also, dass Richterinnen, Polizistinnen und Staatsanwältinnen im Dienst kein Kopftuch tragen dürfen. Hier kommt vor allem seitens der Islamischen Glaubensgemeinschaft Kritik.

Asylwerber mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit, Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte sollen einen Rechtsanspruch auf Deutschkurse bekommen. Umgekehrt wird ein verpflichtendes Integrationsjahr eingeführt, das neben Deutsch- und Wertekursen und Kompetenzchecks auch gemeinnützige Tätigkeiten vorsieht. Außerdem müssen Asylberechtigte einen Integrationsvertrag inklusive einer Werteerklärung unterschreiben, der die oben genannten Maßnahmen enthält. Wer das nicht tut oder Kurse und gemeinnützige Tätigkeiten verweigert, soll keine Sozialleistungen wie etwa die Mindestsicherung mehr bekommen.

Gesellschaft/Bürokratieabbau

Schon im Februar soll ein Gesetzesentwurf unter dem Stichwort Entbürokratisierung vorliegen. Unter dem One-in-One-Prinzip sollen neue Regelungen bestehende ersetzen. Außerdem sollen Verordnungen und neue Regulierungen quasi auf Zeit erlassen werden und nach einer bestimmten Frist auf ihre Tauglichkeit überprüft werden. Von der EU vorgegebene Regelungen sollen hierzulande mit Augenmaß umgesetzt werden, also nicht strenger ausgelegt werden, als es das EU-Recht vorsieht.

Außerdem soll der bürokratische Aufwand für Unternehmen und Bürger künftig in einem besseren Verhältnis zur behördlichen Forderung stehen. Damit will man den vor allem seitens der Wirtschaft beklagten "Schikanen" zum Beispiel bei Betriesgenehmigungen entgegenwirken.

Eine Bund/Länder-Arbeitsgruppe soll in den kommenden Wochen zu den Themen Verwaltungs-, Förder- und Ausgabeneffizienz zusammenkommen. Bis 2018 sollen die Länder insgesamt eine Milliarde Euro einsparen.

Im Rahmen eines Standort-Pakets soll die Finanzmarkaufsicht reformiert werden und die außergerichtliche Restrukturierung von Unternehmen vereinfacht werden.

Außenpolitik und EU

Beim Thema Außenpolitik und EU hat sich die Bundesregierung auf eine Reihe von vorhaben geeinigt, deren Umsetzung allerdings großteils vom Wohlwollen der EU-Nachbarn abhängen. So zum Beispiel eine gemeinsame Asylpolitik und eine "maßgeschneiderte Partnerschaft" zwischen der EU und der Türkei, statt einer Mitgliedschaft. Den Brexit wollen Außenminister Sebastian Kurz und Kanzler Christian Kern übrigens gemeinsam für Österreich verhandeln.

Gegenfinanzierung

Rund vier Milliarden Euro sollen die neu verhandelten Maßnahmen kosten. Woher das Geld dafür aber kommen soll, ist im neuen Regierungsprogramm nur vage erklärt. So sollen 2,8 Milliarden Euro aus Einsparungen und Umschichtungen kommen. Hier will man zum Beispiel die Förderungen auf ihre Effizienz durchforsten, Doppelgleisigkeiten zwischen Bund und Länder eindämmen und das E-Government ausbauen, um Geld zu sparen. Die weiteren 1,2 Milliarden sollen die erhofften Konjunktur- und Beschäftigungseffekte bringen.