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Republik zeigt Airbus in der Causa Eurofighter an

Von Simon Rosner

Politik

Verteidigungsministerium will wegen Täuschung Schaden von 1,1 Milliarden Euro geltend machen.


Wien. Am Donnerstag, um exakt 8.29 Uhr, ist bei der Staatsanwaltschaft Wien eine Anzeige eingegangen. Absender ist das Verteidigungsministerium. Die Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, hat sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte angeschlossen. Es ist die jüngste Volte einer Affäre, die das Land mehr als ein Jahrzehnt beschäftigt, zu Ermittlungen in mehreren europäischen Ländern und einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss geführt hat.

Es geht um den Ankauf der Eurofighter im Jahr 2002 unter der schwarz-blauen Regierung, der bereits davor, aber vor allem seither heftig umstritten war und ist. Sogar ein Volksbegehren, das es mit mehr als 600.000 Unterschriften unter die Top-Ten aller Volksbegehren schaffte, hatte sich damals, noch vor dem Kauf, gegen die Anschaffung neuer Abfangjäger gerichtet.

Das Konsortium EADS (heute: Airbus) hatte sich in der Ausschreibung gegen die schwedischen Saab-Gripen und den US-Anbieter Lockheed-Martin durchgesetzt, obwohl Finanzminister Karl-Heinz Grasser dies ursprünglich nicht wollte und die Eurofighter auch das teuerste Angebot legten. Und das war nicht die einzige Auffälligkeit.

Nun, fast 15 Jahre danach, sagt Hans Peter Doskozil: "Es liegen klare Beweise vor, dass Eurofighter die Republik vorsätzlich getäuscht hat." Die Finanzprokuratur, die Anwältin der Republik, will einen Schaden von 1,1 Milliarden Euro geltend machen, der aus der Täuschung heraus erwachsen sei. Und auch zukünftige Mehrkosten für den Eurofighter sollen von Airbus und der Eurofighter Jagdflugzeug GmbH beglichen werden.

Jahrelang hatte eine (von Doskozils Vorgänger Norbert Darabos eingesetzte) Gruppe im Verteidigungsministerium die Anschaffung untersucht, vor rund einem Jahr wurde dann die Intensivphase der Ermittlung eingeläutet und die Task Force durch externe Berater ergänzt. Eine Rolle spielte auch Material, das der grüne Abgeordnete Peter Pilz zusammengetragen und dem Ministerium zur Verfügung gestellt hatte.

Auf 130 Seiten - und mit 97 Beilagen ergänzt - legt die Finanzprokuratur nun dar, warum die Republik vorsätzlich getäuscht worden ist. Konkret geht es um zwei Vorwürfe, wie Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur, erklärt: Zum einen sei Eurofighter verpflichtet gewesen, "sämtliche Gegengeschäftskosten auszupreisen", so Peschorn. Allerdings sei dies nicht erfolgt.

Peschorn meint damit 183,4 Millionen Euro, von denen offenbar ein Großteil an ein dubioses Netzwerk aus Offshore-Firmen floss ("Vector"). Der Verdacht des Ministeriums: Es handelt sich dabei um Schmiergelder. Doskozil sagt dazu: "Es ist nicht zu akzeptieren, dass die Steuerzahler Schmiergelder mitfinanzieren."

Alte Modelle

Der zweite Vorwurf bezieht sich auf die angeschafften Modelle. Laut Peschorn war vereinbart, dass die Republik entweder spezifisch ausgestattete Eurofighter erhält oder bereits gelieferte Jets zu einem späteren Zeitpunkt umgerüstet werden. Zwar hatte Österreich im Jahr 2007, fünf Jahre nach dem Kauf, im Rahmen eines Vergleichs auf die neueren Modelle verzichtet, allerdings sei EADS weder in der Lage noch willens gewesen, so Peschorn, die Lieferverpflichtung einzuhalten.

Begründet wird dieser Vorwurf damit, dass eine nachträgliche Umrüstung der Flieger dem Hersteller beinahe so viel gekostet hätte, wie der Gewinn aus dem Rüstungsdeal betragen hat. Daraus schließt die Finanzprokuratur, dass niemals die Absicht bestand, die Flugzeuge tatsächlich umzurüsten. "Es wäre gänzlich unwirtschaftlich gewesen", sagt Peschorn.

Airbus hat die Vorwürfe "in aller Deutlichkeit" zurückgewiesen. In einer Stellungnahme gegenüber der APA werden die Vorwürfe der Arglist und des Betrugs als "Unterstellungen" bezeichnet, die "konstruiert erscheinen" und nicht nachvollziehbar seien. Die Anzeige, so Airbus, sei ein "politisches Manöver", man werde weiterhin die österreichischen Behörden bei der Aufklärung von Verdachtsmomenten "aktiv unterstützen", erklärt Airbus.

Auch darauf geht der Bericht der Task Force ein. Denn Auskünfte von Airbus seien nur vage gewesen, dies lasse den Schluss zu, heißt es in dem Papier, "dass Airbus nur vordergründig an einer Aufklärung der bekannt gewordenen neuen Verdachtsmomente interessiert war".

Die geforderten 1,1 Milliarden Euros ergeben sich aus dem Kaufpreis für 15 Flieger abzüglich des Zeitwerts sowie aus den Betriebskosten, von denen allerdings hypothetische Kosten für den Betrieb eines alternativen Flugzeugs abgezogen werden. Denn auch die laufenden Kosten der Eurofighter sind hoch, allein in diesem Jahr betragen sie 80 Millionen Euro, wie Doskozil monierte.

Ein neuer Vergleich?

Peter Pilz jubilierte: "Ich gehe davon aus, dass die Manager vor Gericht gestellt werden. Jetzt ist alles klar, wir kündigen den Vertrag und die Deutschen kriegen die Flugzeuge zurück", sagte der Mandatar in Ö1. Bis dahin ist der Weg, auch der juristische, noch weit - sehr weit. Teilweise, gibt auch Peschorn zu, werde Terrain betreten, das juristisch noch nicht endgültig entschieden sei.

Doskozil offenbarte am Donnerstag jedenfalls Gesprächsbereitschaft mit Airbus. Es könnte also grundsätzlich einen weiteren Vergleich zwischen der Republik und Airbus geben, wobei die Erkenntnisse der Task Force dann wohl ein sogenannter Gamechanger wären.

Bis zum Sommer soll dann eine weitere Entscheidung getroffen werden, denn 2020 werden die Saab-105-Flieger in Pension geschickt, weshalb sich nun erneut die Frage einer Anschaffung von Abfangjägern für die Luftraumüberwachung stellt. Doskozil will sich hier alle Optionen offenhalten. Er stellte allerdings infrage, ob auch diesmal - wie 2002 - Gegengeschäfte bei der Vergabe eine Rolle spielen sollen. Rüstungsgeschäfte seien offenbar sehr geeignet, sich zu bereichern", sagt der Minister.

Chronologie

2002: 2. Juli: Entscheidung für Eurofighter als Draken-Nachfolger. Regierung beziffert Kosten für 18 Stück mit 1,969 Mrd. Euro.

2006: 30. Oktober: Nationalrat setzt noch während der Koalitionsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP einen U-Ausschuss ein.

2007:6. April: Eine 87.600-Euro-Zahlung vom EADS (später Airbus-Group)-Lobbyisten Erhard Steininger an die Firma der Frau des für die Eurofighter-Einführung zuständigen Generalmajors Erich Wolf wird bekannt. Wolf wird vom Dienst suspendiert.

26. Juni: Vergleich zwischen Österreich und Eurofighter. Stückzahl wird auf 15 reduziert.

2008: Juli: Eurofighter übernehmen die Luftraumüberwachung; geleaste F5-Tiger II werden der Schweiz zurückgegeben.

22. August: Rechnungshof-Bericht relativiert genannte Einsparungen durch den Jet-Vergleich.

2011: 29. März: Staatsanwaltschaft Wien stellt das Strafverfahren gegen den mittlerweile pensionierten "Airchief" Wolf, dessen Ehefrau, den EADS-Lobbyisten Erhard Steininger und das Ehepaar Gernot und Erika Rumpold ein.

Gianfranco Lande wird in Italien festgenommen. Dieser verweist auf ein Netzwerk an Brokern und Sub-Brokern, das mit der Vector Aerospace LLP ("Vector-Netzwerk") wirtschaftlich verbunden ist. Dieses ist Gegenstand von Ermittlungen in Italien und in Deutschland bei der Staatsanwaltschaft München I.

2012: 29. November: Einsetzung der Task Force Eurofighter-Vertrag im Verteidigungsministerium sowie der Task Force Gegengeschäfte im Wirtschaftsressort.

Dezember: Die Staatsanwaltschaft ermittelt: Ob es Bestechung gegeben hat, um den Ankauf der Eurofighter zu beeinflussen, und ob bei den nach der Typenentscheidung vereinbarten Gegengeschäften "angeschoben" worden sei.

2014: September: Deutsche Inspektoren entdecken bei Qualitätskontrolle einen Produktionsfehler beim Eurofighter.

30. September: Bezahlung der letzten Rate der Kaufpreiszahlung durch die Republik Österreich.

2016:August: Der Grüne Peter Pilz erhebt neue Vorwürfe zur Eurofighter-Beschaffung: Die SPÖ und Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer hätten den versprochenen Ausstieg aus dem Vertrag hintertrieben.

2017: 26. Jänner: Staatsanwaltschaft München I schließt das durch die Festnahme Landes 2011 ausgelöste Ermittlungsverfahren möglicherweise im 1. Halbjahr ab.

16. Februar: Veröffentlichung des Berichts der Task Force Eurofighter-Vertrag. Das Verteidigungsministerium erstattet Strafanzeige gegen Airbus. Die Republik Österreich schließt sich an.