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Eine neue Flugroute

Von Simon Rosner

Politik

Ob Korruption zum Kauf der Eurofighter führte, wird schwer nachzuweisen sein. Ein Vorwurf steht im Fokus: Betrug.


Wien. Für Peter Pilz ist die Angelegenheit klar: "Der Eurofighter war fliegendes Schmiergeld", sagt der grüne Abgeordnete. In der Aussage steckt zumindest eine Übertreibung. Denn meist stehen die 15 Eurofighter, die auf nicht mehr als 70 Flugstunden pro Jahr und Jet kommen.

Die viel entscheidendere Frage aber ist, ob tatsächlich Schmiergeld geflossen ist. Pilz ist davon überzeugt, und auch Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil hat am Donnerstag wörtlich von Schmiergeldern gesprochen. Laut Pilz könnte Österreich daher die Anschaffung der Eurofighter bald rückabwickeln. Denn in dem (geheimen) Kaufvertrag ist auch ein Anhang ("A-8") enthalten, der im Korruptionsfall einen kompletten oder teilweisen Rücktritt aus dem Vertrag vorsieht. Pilz sagte dazu in Ö1: "Wenn irgendwo Korruption nachgewiesen wird, hat die Republik das Recht, einen kleinen Brief nach Deutschland zu schicken und mit Bezug auf den Kaufvertrag auszusteigen. Das ist jederzeit möglich."

Es ist jedoch keineswegs gesagt, ob Doskozil dies auch tun wird - auch wenn er könnte. Und es gibt eine weitere Hürde: Behauptete Korruption reicht klarerweise nicht, und deren Nachweis ist vor Gericht immer schwierig. In München ermittelt die Staatsanwaltschaft seit Jahren, steht angeblich auch kurz vor einer Anklage, allerdings soll diese gegen frühere Airbus-Manager nur wegen Veruntreuung von Konzernvermögen erhoben werden - nicht wegen Bestechung. In Wien prüft die Staatsanwaltschaft unter anderem auch diesen Vorwurf. Vorerst zumindest noch.

Betrug statt Bestechung

Und dann ist da noch ein wesentlicher Punkt im Antikorruptions-Anhang des Kaufvertrages, die Ziffer 4: Sie war von Eurofighter hineinreklamiert und von Vertretern der Republik akzeptiert worden: Demnach wäre ein Ausstieg im Korruptionsfall nur möglich, wenn dieser den Bieter selbst betrifft. Sollte ein Dritter die Bestimmungen der Verhaltensregeln verletzt haben, bliebe das für Eurofighter ohne Folge.

Der Passus könnte hier schlagend werden. Denn für die vereinbarten Gegengeschäfte im Umfang von anfänglich vier Milliarden Euro (später 3,5 Milliarden) wurde Vector Aerospace mit Sitz in London gegründet und von Airbus beauftragt, als Vermittler für die Gegengeschäfte zu fungieren. Laut einem Zwischenbericht des Wirtschaftsministeriums waren bis 2010 Aufträge für heimische Unternehmen in Höhe von 3,3 Milliarden Euro als Gegengeschäfte anerkannt worden. Welche Rolle jedoch dabei das verschachtelte Vector-Netzwerk spielt, ist unklar. Man kann dieses wohl zumindest als dubios bezeichnen. Dessen Chef Gianfranco Lande wurde 2011 in Italien festgenommen, wodurch die damals bereits eingeschlafene Affäre eine neue Wendung nahm. Bei der Einvernahme berichtete Lande, dass Vector Aerospace sehr wohl mit der Absicht gegründet worden war, kriminelle Handlungen zu setzen.

Die Republik Österreich geht mit ihrer Anzeige am Donnerstag aber nun einen gänzlichen neuen Weg. Man könnte von einem Strategiewechsel sprechen. Denn in der Sachverhaltsdarstellung, die der Staatsanwaltschaft übermittelt wurde, geht es nicht um Bestechung, sondern um Betrug. Die Republik fühlt sich zweifach arglistig getäuscht.

Zum einen geht es um 183,4 Millionen Euro, also etwa zehn Prozent des Kaufpreises, die in diesem als Gegengeschäftskosten eingepreist worden waren. Ein Großteil dieses Betrags soll in das Vector-Netzwerk geflossen sein. Laut Finanzprokuratur hätten jedoch jegliche Kosten für die Abwicklung der Gegengeschäfte gesondert ausgeschildert werden müssen. Dies sei nicht geschehen, die Republik sei getäuscht worden.

Es ist zwar nicht gänzlich unerheblich, was mit diesen 183,4 Millionen Euro passiert ist, ob sie für Schmiergelder oder für rechtlich einwandfreie Vermittlungsarbeit verwendet wurden, die Strategie Österreichs knüpft sich jedoch nicht mehr (nur) an eventueller Korruption auf. Neu ist die juristische Argumentation, dass alleine die Einpreisung dieses Betrages eine Betrugshandlung darstellt. Andernfalls, so sagte es bereits am Donnerstag Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur, hätte die Republik im Jahr 2002 anders entschieden.

Auch der zweite Vorwurf gegenüber Airbus ist neu. Der Rüstungskonzern soll weder in der Lage noch willens gewesen sein, seine vertraglich vereinbarten Lieferverpflichtungen zu erfüllen. Es geht um eine spezifische Ausstattung der bestellten Flieger. "Wir kennen diese Vorwürfe erst seit der Berichterstattung über die Pressekonferenz, aber keine Dokumente, die solche Vorwürfe belegen sollen", sagt dazu ein Sprecher von Airbus. Inhaltlich könne man deshalb zu den Vorwürfen derzeit keine Stellung nehmen.

Juristische Spitzfindigkeiten

Die Staatsanwaltschaft wird nun die Betrugsvorwürfe prüfen und entscheiden, ob sie ihre Ermittlungen auf diesen Tatbestand ausweitet. Dies wird auch davon abhängen, ob die Straftat nicht verjährt ist. Grundsätzlich beträgt die Frist bei schwerem Betrug zehn Jahre, der Kauf der Abfangjäger liegt jedoch bereits fünfzehn Jahre zurück. Argumentiert wird jedoch unter anderem, dass die Republik von Airbus auch beim erzielten Vergleich im Jahr 2007 getäuscht wurde. In diesem Fall würde die Verjährungsfrist erst in diesem Frühjahr auslaufen.

Durch den Anschluss als Privatbeteiligte will die Republik nun zivilrechtlich ihre Ansprüche geltend machen. Nicht mehr der Ausstieg aus dem Vertrag steht im Vordergrund, sondern eben ein Schadenersatz von Airbus. Die Finanzprokuratur hat einen entstandenen Schaden in Höhe von 1,1 Milliarden Euro ermittelt. Ob diese Rechnungen im Fall der Fälle von einem Gericht gewürdigt werden würden, kann derzeit kaum abgeschätzt werden.

Wegen Betrugs angezeigt wurden sowohl Airbus als auch die Eurofighter Jagdflugzeuge GmbH. Auch diese Konstruktion ist juristisch interessant. Denn das zugrundeliegende Verbandsverantwortlichkeitsgesetz ist erst seit 2006 in Kraft. Es regelt, unter welchen Voraussetzungen ein Unternehmen für Straftaten von Mitarbeitern verantwortlich gemacht werden kann.

Auch hier wird zu prüfen sein, ob dieses Gesetz überhaupt zur Anwendung kommen kann, andernfalls müssten die Betrugshandlungen den ehemaligen Managern ad personam nachgewiesen werden. Auch das könnte etwas schwieriger werden.

Peter Pilz glaubt jedenfalls an eine Anklage, laut Justizministerium ist mit einer Entscheidung darüber im Jahr 2018 zu rechnen. "Wenn sich die Herrschaften nun überlegen müssen: ,Gehe ich jetzt ins Gefängnis oder packe ich aus‘, kann eine völlig neue Situation entstehen", so Pilz im "Morgenjournal". "Ich bin da jetzt sehr optimistisch."