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Politik hinkt bei Pensionen hinterher

Von Walter Hämmerle

Politik

Immer mehr Menschen sind bereit, in der Pension zu arbeiten. Die Politik verschläft diese Entwicklung.


Wien. Es ist noch nicht allzu lange her, da konnte man mit guten Gründen vermuten, dass der durchschnittliche Österreicher arbeitet, um möglichst früh in Pension zu gehen. Das würde er zwar wahrscheinlich immer noch gern, wenn er nur könnte, was für das Pensionssystem - von wegen kürzerer Lebensarbeitszeit und längerer Lebensdauer - einigermaßen fatal wäre. Spät, aber doch, ist nämlich die Politik dazu übergegangen, einen früheren Pensionsantritt tunlichst nach hinten zu schieben und wenigstens nicht auch noch zu belohnen.

Lust auf Engagement in der Pension steigt

Diesen Trend bestätigt auch eine Umfrage (600 Interviews) von "seniors4success", einer privaten Initiative für Menschen vor und nach der Pensionierung. Demnach ist in den vergangenen zweieinhalb Jahren die Vorfreude der Österreicher auf die Pension abgekühlt: Lag diese damals noch bei 50 Prozent, ist sie nunmehr auf 39 Prozent abgesunken. In dieses Bild einer realistischen Sicht auf die Zeit nach dem Berufsleben passt, dass umgekehrt nunmehr jeder zweite Befragte plant, auch in der Pension weiter zu arbeiten; im Frühjahr 2015 war nur jeder Dritte dieser Ansicht.

Wirklich freiwillig ist, was wenig verwundert, dieser Sinneswandel nicht: Die schleichende Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters wird von 80 Prozent registriert, die Zustimmung dazu ist deutlich gesunken, und zwar von 41 auf 30 Prozent. Interessantes Detail: Bei den unter 30-Jährigen beträgt die Ablehnung des faktisch gestiegenen Pensionsantrittsalters nur 19 Prozent. Dabei gehen auch die Befragten selbst davon aus, dass die allgemeine Lebenserwartung steigt und weiter steigen wird.

Wie sehr das Sein das Bewusstsein auch beim Thema Pensionen bestimmt, zeigen folgende Umfrageergebnisse: Die unter 50-Jährigen, und zwar Männer wie Frauen, erwarten für sich ein Pensionsantrittsalter von 65 Jahren; das Wunschalter unter den über 50-Jährigen liegt bei den Männern bei 62 und bei den Frauen bei 60 Jahren, und das ideale Antrittsalter liegt nach Ansicht aller Bevölkerungsgruppen bei einheitlichen 60 Jahren.

Die Politik hat also unverändert eine Herkulesaufgabe vor sich, die Bürger angesichts sinkender Lebensarbeitszeiten und steigender Lebenserwartungen wahlweise von der Notwendigkeit eines längeren Arbeitslebens, höherer Beiträge oder eben geringeren Pensionen zu überzeugen. Helfen könnte dabei, dass laut Umfrage nur 20 Prozent der Befragten angeben, dass sie von der Sicherheit des staatlichen Pensionssystems überzeugt sind.

Das eigentliche Anliegen der Plattform "seniors4success" zielt aber in eine andere Richtung: Bewusstsein schaffen für einen neuen, zusätzlichen Lebensabschnitt, der bereits rund zwei Jahrzehnte umfasst. Verantwortlich dafür sind die ständig steigende Lebenserwartung - bis 2030 wird bei Männern ein Anstieg von derzeit 77,73 auf 81,40 Jahre und bei Frauen von 83,21 auf 86,22 Jahre erwartet - und ein allgemein verbesserter Gesundheitszustand. Entsprechend stellen sich immer mehr Menschen die Frage, wie sie mit diesen gewonnen Jahrzehnten sinnvoll umgehen können.

Zu viel Wissen und Zeit von Senioren liegen brach

"Wer nichts tut, verkürzt sein Leben", ist Plattform-Gründer Leopold Stieger felsenfest überzeugt. Der ehemalige Personalvermittler, Jahrgang 1939, will mit seiner Plattform vor allem Lobbyingarbeit für den Wert älterer Menschen für Unternehmen wie Gesellschaft gleichermaßen leisten. Das Engagement und Denken der Politik, so ärgert er sich, "macht beim Pensionsantritt Schluss". Dabei lägen hier enorme Ressourcen an Wissen und Engagement, die fahrlässigerweise viel zu oft brachliegen gelassen werden.

Dass hier viele Bürger in ihrem Denken schon weiter sind als die Politik, zeigt nicht zuletzt die gestiegene Bereitschaft, ja den Wunsch, auch nach der Pensionierung sich weiterhin zu engagieren, sei es im Rahmen der Familie, ehrenamtlich oder auch beruflich. Für Letzteres bedürfte es jedoch Änderungen beim Pensionsrecht. Wichtiger, weil grundsätzlicher, ist für Stiege jedoch Hilfestellungen bei der Vorbereitung auf diesen neuen Lebensabschnitt anzubieten und die Idee eines "AMS für Pensionisten" umzusetzen, das Angebot und Nachfrage bei engagementbereiten Senioren zusammenbringt.