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"Die FPÖ ist seit jeher das begehrte Vorbild"

Von Werner Reisinger

Politik

AfD-Chefin Petry setzt bewusst auf europäische Vernetzung, sagen der deutsche Politologe Werner Patzelt und der Historiker Volker Weiß.


Wien/Osterhofen. So richtig Stimmung wollte unter den rund 1000 Besuchern auf dem Poltischen Aschermittwoch der Alternative für Deutschland (AfD) anfangs nicht aufkommen. Erst als FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der Stargast der AfD-Bundesvorsitzenden Frauke Petry, die Bühne des Donaucenters im bayrischen Osterhofen betrat, nahm die Veranstaltung Fahrt auf.

Derbe Sprüche, wie man sie von Straches Wahlkampfreden kennt, setzte es gegen den SPD-Spitzenkandidaten Martin Schulz ("fleischgewordene Union Brüssler Prägung") und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ("den deutschen Haustürschlüssel in Brüssel abgegeben"). Sie könne auf keinen Fall die Zukunft Deutschlands spielen. Dafür erntete der FPÖ-Chef "Zugabe"-Rufe und kräftigen Applaus - mehr als die Gastgeberin, die nach ihm sprach. Straches Gastauftritt hat sich also für Frauke Petry gelohnt.

Was genau ist das Kalkül hinter Straches Einladung? Die AfD-Anhänger hätten in Osterhofen genau das zu hören bekommen, was Frauke Petry wollte, dass sie hören, sagt der renommierte deutsche Politologe Werner Patzelt. "Die AfD will zeigen, dass sie kein deutsches Sonderphänomen ist. Straches Auftritt soll signalisieren: In Deutschland tut sich nichts wirklich Neues, es setzt sich nur eine gesamteuropäische Realität durch." Die AfD sei immer wieder mit Faschismus-Befürchtungen und Vorwürfen konfrontiert. Mit der bewussten Nähe zu Straches FPÖ und anderen rechten Parteien in Europa wolle man den Gegenbeweis erbringen und zeigen, dass rechts der konservativen Parteien eine legitime Alternative entstanden sei und diese sich auch vernetze, sagt Patzelt.

"Scharfmacher beseitigen"

Auch mit dem Erfolg der Strache-FPÖ wolle sich die AfD schmücken: "Zweimal in der Endrunde bei den Präsidentschaftswahlen, damals unter Haider sogar eine Regierungsbeteiligung, davon ist die AfD noch weit entfernt", so der Politologe. Zudem könne Frauke Petry darauf bauen, dass - abseits von politikinteressierten Kreisen - das Wissen der Wählschaft um die FPÖ eher oberflächlich sei: "Bestenfalls die Sanktionen aufgrund Haiders Koalition mit der ÖVP im Jahr 2000 und eben zuletzt der Wahlkampf Norbert Hofers sind breiten Schichten bekannt." Und Letzterer habe der jungen Rechtspartei AfD vor allem gezeigt, "wie weit man es bringen kann, wenn man auf die ganz harten Worte verzichtet, sich brav gibt und die ganz rechten Scharfmacher beseitigt".

Daran will sich Frauke Petry wohl ein Beispiel nehmen. Die Parteichefin steht innerparteilich unter gehörigem Druck. Es toben teils offen ausgetragene Kämpfe über die Ausrichtung der Partei. Gegen den AfD-Fraktionsvorsitzenden im Thüringer Landtag, Björn Höcke, läuft zurzeit ein Parteiausschlussverfahren. Höcke fällt immer wieder mit extrem rechten Sprüchen auf, zuletzt hatte er in einer Rede das Berliner Holocaust-Mahnmal als "Denkmal der Schande" bezeichnet und eine "erinnerungspolitische Wende" in Deutschland gefordert. Die Ermittlungen wegen Volksverhetzung gegen ihn hat die Staatsanwaltschaft bereits eingestellt. Höcke soll dennoch weg, ist doch Frauke Petry bemüht, der AfD ein rechtspopulistisches Antlitz zu verleihen. Parallelen zu extrem rechten FPÖ-Politikern wie Andreas Mölzer, Martin Graf oder Werner Königshofer sind offensichtlich - auch bei ihnen musste Strache die Notbremse ziehen, nachdem sie sich zu einschlägig geäußert hatten. Für den Hamburger Historiker und Experten für die Neue Rechte, Volker Weiß, gibt es noch weitere innerparteiliche Gründe, wieso Petry stark auf Europapolitik und auf ihre bereits erfolgreicheren, europäischen Partner setzt.

Persönliche Animositäten

"Der innerparteiliche Druck auf Petry besteht eher aus persönlichen Animositäten", sagt Weiß. Inhaltlich sieht er "wenig Differenzen" zwischen Frauke und dem extrem rechten Höcke oder dem gerne als wirtschaftsliberal bezeichneten Flügel um den Fraktionschef in Baden-Württemberg, Jörg Meuthen, sowie den Ex-CDU-Mann Alexander Gauland. Frauke Petry ist mit Marcus Pretzell liiert, er ist der einzige noch verbliebene AfD-Europaabgeordnete - und Mitglied der extrem rechten EU-Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheit". "Nicht umsonst besteht das von Petry geschmiedete Netzwerk aus europäischen Parteien, die dieser Fraktion angehören: Marine Le Pens Front National, die niederländische Partei für die Freiheit von Geert Wilders - und eben die FPÖ", sagt Weiß. Mit diesen Verbindungen versuche Petry, sich bei den innerparteilichen Konkurrenzkämpfen zu behaupten.

Sowohl ideologisch als auch, was ihren Erfolg angehe, sei die FPÖ "seit jeher das begehrte Vorbild", sagt der Historiker. Das gelte vor allem für die Partei, aber auch für die ideologisch-politische Strömung der Neuen Rechten, die in der AfD eine entscheidende Rolle spielt - Stichwort Identitäre Bewegung. Diese betreibe eine Art Arbeitsteilung mit der AfD, auch wenn man versuchen würde, Doppelmitgliedschaften zu vermeiden. "Für die AfD ist die FPÖ ein Modell, das man nachbauen will: nach außen hin ein rechtspopulistisches Profil, ideologisch aber durchwegs völkisch-nationale Ideologie." In der Tat ist das Parteiausschlussverfahren gegen Höcke in der AfD umstritten, die Landesorganisationen rufen auf, sich auf den politischen Gegner zu konzentrieren und die Grabenkämpfe hintanzustellen. Auch hier soll wohl die FPÖ als Vorbild dienen: Es passe "kein Blatt Papier" zwischen ihn und Strache, betonte Hofer am Dienstag.