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Männerklub als Frauenförderer

Von Walter Hämmerle

Politik

Die ÖVP hat frauenpolitisch nicht die beste Nachrede. Dabei hat sie Frauen meist als Erste in Spitzenjobs befördert.


Wien. "Die ÖVP ist ein Männerklub", heißt es kurz und bündig im "Schwarzbuch ÖVP". Das Werk ist von der Überzeugung beseelt, wonach es "in Österreichs Politik vor allem ein Problem gibt: die ÖVP" - so steht es auf der einschlägigen Homepage, dessen Beiträge vor Jahren von anonymen Autoren zu Wahlkampfzwecken zusammengetragen wurden.

Nun, ganz falsch ist dieser Eindruck nicht, und es gibt genügend Hinweise, dass der ÖVP das Frauenversteher-Gen nicht in die Wiege gelegt wurde. Noch 2011 leisteten sich etwa die Tiroler ÖVP-Frauen ein Werbevideo, das selbstironisch mit weiblichen Klischees spielen wollte, realiter aber zu einem peinlichen Desaster wurde. Wobei: So wirklich glänzen bei diesem Thema in Österreich ohnehin nur die Grünen, weil die als junge Partei befreit von der Last alter, und das heißt fast immer auch patriarchalischer, Strukturen und Traditionen sind.

Und trotzdem kann man das Thema "Frauenpolitik und ÖVP" auch aus einer ganz anderen Perspektive erzählen. Es waren nämlich die Schwarzen, die Frauen in der Regel als Erste in die politischen Top-Jobs der Republik hievten, während die angeblich so progressive Sozialdemokratie weiterhin auf Männer setzte. Der Name von Olga Rudel-Zeynek (1871-1948) ist heute so gut wie vergessen, dabei war die christlichsoziale Politikerin die erste Frau in der Moderne, die in einem Staat einem Parlament vorstand: dem Bundesrat in der Ersten Republik. Heute erinnert nur noch eine kleine Gasse in Graz an diese Frau, die sich später auch früh offen gegen den Nationalsozialismus aussprach. Und es war die Volkspartei, die 1966 mit Grete Rehor (1910-1987) die erste Frau in der Geschichte der Republik zur Bundesministerin kürte. Die Gewerkschafterin und ehemalige Textilarbeiterin übernahm in der ÖVP-Alleinregierung unter Josef Klaus das Amt der Sozialministerin.

Auch die erste Frau im Nationalratspräsidium war eine Schwarze: Marga Hubinek (1926-2016) leitete als Zweite Nationalratspräsidentin von 1986 bis 1990 die Sitzungen der Abgeordneten. 1991 hatte die ÖVP wieder die Nase vor der SPÖ, als Ingrid Korosec, noch heute als Wiener Landtagsabgeordnete und Chefin des ÖVP-Seniorenbundes, den Posten der Parteimanagerin übernahm; die SPÖ zog erst 1995 mit Brigitte Ederer nach (Jörg Haider machte Heide Schmidt bereits 1988 zur FPÖ-Generalsekretärin; die erste Spitzenkandidatin und Klubobfrau stellten die Grünen 1986 mit Freda Meissner-Blau).

Diese Geschichte wiederholte sich, als mit Waltraud Klasnic 1996 erstmals eine Frau an die Spitze eines Bundeslandes trat; die SPÖ musste sich damit trösten, dass Klasnic beharrlich als "Frau Landeshauptmann" angesprochen werden wollte. 2004 war es dann Benita Ferrero-Waldner, die als erste Frau mit realen Chancen zur Bundespräsidentenwahl antrat. Die SPÖ trug zwar mit Heinz Fischer den Sieg davon, frauenpolitische Vorreiterin war jedoch erneut die Volkspartei. Und die war es auch, die Frauen erstmals in die zentralen Ministerien hievte (die Ehre der ersten Vizekanzlerin gebührt mit Susanne Riess-Passer der FPÖ): Ferrero-Waldner 2000 als Außenministerin, 2004 Liese Prokop als Innenministerin, Maria Fekter 2011 als Finanzministerin.

Und dann war es mit Maria Rauch-Kallat schon wieder eine Schwarze, die einen Coup unter dem Motto "Frauen aller Parteien vereinigt euch" orchestrierte, der 2011 dazu führte, dass der Text der Bundeshymne auf "Heimat großer Töchter, Söhne" (statt "Heimat bist du großer Söhne") geändert wurde. Was bis heute längst nicht nur in konservativen Kreisen für Irritationen sorgt.

Alles nur Alibi-Frauen, wie die politische Konkurrenz behauptet? "Ganz sicher nicht", ist Rauch-Kallat, die ehemalige schwarze Frauenchefin, Generalsekretärin und ehemalige Ministerin für Umwelt, Familien und Jugend (im Kabinett Vranitzky IV) sowie für Gesundheit und Frauen (Schüssel II), überzeugt. "Die Linke glaubt, sie hätte die Frauenpolitik für sich gepachtet, aber das hat für die gesamte Zweite Republik nie gestimmt." Worin liegt dann der große Unterschied zwischen einer bürgerlichen und einer linken Frauenpolitik? Rauch-Kallat: "Wir haben nie gejammert, sondern gehandelt." Ihr Ein- und Aufstieg in der Politik hatte dementsprechend einen handfesten Hintergrund: Politisiert wurde Rauch-Kallat durch ihren Kampf für ihre blinde Tochter: "Da habe ich gelernt, wie man Politiker unter Druck setzen kann - und dann hat mich Erhard Busek in die Politik geholt."

Dass die SPÖ als Partei fortschrittlicher sei, bestreitet sie vehement: "Die durchschnittlichen Männer unter den SPÖ-Wählern sind mindestens so konservativ wie bei der ÖVP."

In der Tat erweisen sich gerade Gewerkschaft und Arbeiterkammer als rote Männerbastionen, wo Frauen bis heute auf Nebenrollen abonniert sind. Kein Wunder, dass aus ihrer Sicht engagierte Frauen bei beiden mit sehr ähnlichen Problemen zu kämpfen hätten.

Die Verdienste starker sozialdemokratischer Frauen, etwa von Johanna Dohnal, streicht Rauch-Kallat bereitwillig hervor, sie fordert nur Gleiches für die starken schwarzen Frauen. Zumal man ohnehin nur gemeinsam für Frauen etwas weiterbringen könne. Die sind für die ehemalige Frauenministerin: Kampf gegen Gewalt und für höhere Einkommen.

Und wie ist das jetzt mit der Hymne, Frau Rauch-Kallat? "Die war ein wichtiger Erfolg, immer wenn ich unsere Skifahrerinnen auf dem Stockerl sehe, freue ich mich, dass der Text jetzt ‚Heimat großer Töchter, Söhne‘ lautet. In 30 Jahren, wenn es diese Hymne dann noch gibt, wird sich niemand mehr erinnern, dass der Text je ein anderer war. Jedenfalls, wenn die Leute dann noch den Text der Bundeshymne kennen."