Wien. (temp) Die Wirtschaftskammer (WKO) strebt statt der derzeit 21 Sozialversicherungsträger ein 5-Träger-Modell an. Sie folgt damit einer Empfehlung des Schweizer Beratungsunternehmens c-alm AG, dessen Studie am Donnerstag präsentiert wurde. Studienautor Hans-Jürgen Wolter geht davon aus, dass eine Umsetzung in drei bis fünf Jahren möglich wäre.
In dem 5-Träger-Modell würden die neun Gebietskrankenkassen, die fünf Betriebskrankenkasse und jene für die Eisenbahnen und Bergbau (VAEB) zu einer Kasse zusammengelegt, die aber neun Landesorganisationen hat. Damit würde die Steuerbarkeit erhöht und die föderale Struktur erhalten bleiben. Die SVA der gewerblichen Wirtschaft und die SVB der Bauern sollen mit den Notaren zu einem Selbständigen-Träger zusammengelegt werden. Die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA), die Pensionsversicherungsanstalt PVA und die Unfallversicherungsanstalt AUVA sollen erhalten bleiben.
Effizienzpotenzial von 10 Prozent
Wolter betonte, dass eine Zusammenlegung allein noch nicht die Effizienz erhöhe, sie biete jedoch die Möglichkeit dazu und auch zu einer Vereinheitlichung der Leistungen. Die Studienautoren berechnen ein Effizienzpotenzial von rund 10 Prozent oder 152 Millionen Euro pro Jahr für die gesamte Sozialversicherung. Im Gegensatz zu den Berichten der Träger, die Verwaltungskosten von rund 2,8 Prozent der Gesamtausgaben angeben, schätzt die Studie diese auf rund 4,7 Prozent.
Die WKO will diese Positionierung auf die politische Ebene bringen. Verhandlungen könnten beginnen, nachdem im Sommer die von Sozialminister Alois Stöger bei der London School of Economics in Auftrag gegebene Studie vorliegt, auf die auch das Ministerium verweist. Im Vormonat hatte auch Bundeskanzler Christian Kern gefordert, die Zahl der Sozialversicherungsträger zu reduzieren.
Gegen eine Eingliederung in die neun Gebietskrankenkassen hatten SVA, SVB, BVA und VAEB schon am Mittwoch mobilgemacht. Dies würde der in der Verfassung verankerten Selbstverwaltung widersprechen, so die Verfassungsjuristen Theo Öhlinger und Konrad Lachmayer in einem Gutachten für die vier Träger. Für eine Fusion - wie von der WKO für SVA und SVB gefordert - müsste der Gesetzgeber mit Verfassungsmehrheit die Selbstverwaltung abschaffen. Laut WKO habe man das Modell verfassungsrechtlich noch nicht geprüft.
Auch bei der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) und der Gewerkschaft stieß das 5-Träger-Modell auf Kritik. WGKK-Obfrau Ingrid Reischl sieht es "rein politisch motiviert" - alles, was der ÖVP zuzuordnen wäre, solle unverändert bleiben. Einerseits wolle man die Gebietskrankenkassen zusammenlegen. Andererseits wolle man aber die BVA erhalten, die höhere Verwaltungskosten habe. Lob kam von der Vorsitzenden im Hauptverband der Sozialversicherungsträger, Ulrike Rabmer-Koller - sie ist stellvertretende WKO-Präsidentin.
Modelle sind "Sandkastenspiele"
Laut Gesundheitsökonom Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien liegt das Problem jedoch woanders. Zusammenlegungsmodelle seien "Sandkastenspiele", solange nicht die primäre Frage, wie man die vorhandenen Mittel sinnvoll einsetzen kann, beantwortet sei, sagt er zur "Wiener Zeitung". Längst überfällig wäre etwa, die Tarifkataloge, die jeder Träger mit der Ärztekammer ausverhandelt hat, anzugleichen. Denn derzeit sei es so, dass manche für die gleiche Leistung für einen Versicherten höhere Tarife als andere bekomme.
Auch ein Risikostrukturausgleich, wie er international Usus sei, wäre laut Czypionka sinnvoll. Das bedeutet, dass jeder Träger so viel Geld erhält, wie die Versicherten brauchen, das Geld also auch zwischen den Trägern fließt -wofür es freilich erst einmal einen angepassten Tarifkatalog bräuchte. Erst danach könne man über Zusammenlegungen diskutieren.