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ÖGB peilt 1700 Euro an

Von Brigitte Pechar

Politik
Friseure sind Nachzügler beim Mindestlohn.
© fotolia/gemenacom

Bernhard Achitz: Kollektivvertraglicher Mindestlohn von 1500 Euro für alle Branchen ab 2019.


Wien. 300.000 Menschen verdienen in Österreich weniger als 1500 Euro brutto im Monat. Besonders stark betroffen sind auch bei diesem Thema die Frauen, denn sie stellen mit 200.000 zwei Drittel der schlecht bezahlten Arbeitnehmer. Die Regierung hat in ihrem neuen Arbeitsprogramm festgelegt, dass die Sozialpartner bis 30. Juli eine Vereinbarung für einen Mindestlohn von 1500 Euro ausverhandeln sollen, andernfalls die Regierung einen gesetzlichen Mindestlohn festsetzen will.

Die Gewerkschaft hält ohnehin wenig von einem gesetzlichen Mindestlohn. "Wir halten einen gesetzlichen Mindestlohn sogar für einen Nachteil, denn dieser regelt ja nur die untersten Einkommen", sagt der Leitende Sekretär im ÖGB, Bernhard Achitz, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Das kollektivvertragliche Mindestlohnsystem, das wir in Österreich haben, sei dem gesetzlichen weit überlegen.

ÖGB hält gesetzlichen Mindestlohn für einen Nachteil

In Österreich gibt es die Tradition, dass die Gewerkschaften gemeinsam mit der Wirtschaftskammer in den Kollektivvertragsverhandlungen die Löhne und Gehälter fast flächendeckend für alle Branchen festlegen. Ausgenommen sind die Freien Berufe (Rechtsanwälte, Ärzte, Architekten), die nicht durch die Wirtschaftskammer vertreten sind, sondern ihre eigenen Kammern haben. In Deutschland, wo die kollektivvertragliche Durchwirkung weit geringer ist als in Österreich, gibt es seit 2015 einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Das sind rund 1400 Euro bei einer 40-Stunden-Woche.

Achitz ist davon überzeugt, dass die Gewerkschaften mit der Wirtschaftskammer eine Grundsatzvereinbarung für einen Mindestlohn von 1500 Euro, die alle betrifft, rechtzeitig vor Ablauf der Frist durch die Regierung abschließen können. Zwar ziere sich die Wirtschaftskammer noch, dennoch werde das von den Sozialpartnern umgesetzt. Die Regierung werde also in diesem Bereich keine Arbeit haben. "Wir starten mit der Umsetzung noch heuer und werden das Projekt spätestens 2019 abgeschlossen haben", zeigte sich Achitz überzeugt.

Das sei ja schon einmal gelungen, nämlich als man 2007 vereinbart hatte, dass bis 2009 in allen Branchen ein Mindestlohn von 1000 Euro in den Kollektivverträgen verankert werden sollte. Um das tatsächlich durchzusetzen, haben die Präsidenten von ÖGB und WKO damit gedroht, ansonsten einen Generalkollektivvertrag abzuschließen.

Branchen gegen einen Generalkollektivvertrag

Das wollten aber naturgemäß viele Branchen nicht, weil die Kollektivverträge auf die jeweilige Arbeitssituation maßgeschneidert seien. Und es habe ja auch geklappt, 2009 sei überall, wo die WKO zuständig sei, ein Mindestlohn von 1000 Euro erreicht worden. Mit Ausnahme eben der Freien Berufe.

Nach und nach bereiten sich die Branchen bereits auf diese neue Anforderung vor. Zuletzt haben die Rechtsanwälte bekannt gegeben, dass man überlege, in zwei bis drei Jahren den derzeitigen Mindestlohn von 1250 Euro brutto auf 1500 Euro zu erhöhen. "Wir werden danach trachten, das anzupassen", sagte Rupert Wolff, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (Örak), zum "Kurier" (Montagausgabe).

Kürzlich haben sich die Gastronomen und die Textilreiniger darauf geeinigt, den Mindestlohn von derzeit 1420 im nächsten Jahr auf 1500 Euro anzuheben. Die Schädlingsbekämpfer hatten im Februar vereinbart, künftig über 1500 Euro zu zahlen.

Vergangene Woche haben sich die Sozialpartner der Elektro- und Elektronikindustrie, die die Frühjahreslohnrunde einläuten, auf eine Anhebung des Kollektivvertrages um 1,7 Prozent geeinigt. Ihr Mindestlohn liegt künftig bei 1750 Euro.

Es bestehe aber ein gewisses Verständnis bei den Branchenkollektivvertragspartnern, dass es nicht überall gleich schnell gehen wird. So lägen etwa die Beschäftigten der Lederindustrie, der Wäschereien und der Textilreinigungen bei Einkommen von 1300 Euro, manche auch darunter.

Eine spezielle Schwierigkeit sieht Achitz auch bei den Friseuren, die im ersten Halbjahr, nachdem sie ausgelernt sind, nur 1150 Euro erhalten und dann erst im zweiten Berufsjahr auf 1300 Euro kommen.

Achitz: 1500 Euro sindnur eine Etappe zum Ziel

Dennoch sei das Ziel der Gewerkschaften ja ein viel höheres: "Wir haben 1700 Euro als Ziel vereinbart. Die 1500 Euro sind nur eine Etappe auf dem Weg da hin", sagte der Spitzengewerkschafter. Mit dieser Forderung befindet sich der ÖGB aber nicht alleine: Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Sora für die Volkshilfe (1058 Befragte) vom März 2016 sind 86 Prozent der Österreicher für einen Mindestlohn von 1700 Euro.

Auch die SPÖ-Frauen haben bereits im Vorjahr einen Mindestlohn von 1700 Euro gefordert. Und die Grünen haben sich ebenfalls bereits auf 1700 Euro festgelegt.