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Diskriminierung ohne Religion?

Von Katharina Schmidt

Politik

Ein Arbeitnehmer klagt, weil er trotz Konfessionslosigkeit kein Feiertagsentgelt für einen Dienst am Karfreitag erhielt.


Wien. Die Frage ist vertrackt. Kann jemand Diskriminierung am Arbeitsplatz aus religiösen Gründen geltend machen, obwohl er keiner Religion angehört? Eine befriedigende Antwort hat selbst der Oberste Gerichtshof (OGH) nicht gefunden und daher am Montag ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gestellt.

Der Fall mutet tatsächlich einigermaßen skurril an: Ein Arbeitnehmer, der am Karfreitag 2015 arbeiten musste, hat seinen Arbeitgeber geklagt, weil er für diesen Dienst kein Feiertagsentgelt bekam. Gemäß Arbeitsruhegesetz ist aber der Karfreitag nur für Angehörige der evangelischen Kirchen AB und HB, der Altkatholischen Kirche und der Evangelisch-methodistischen Kirche ein Feiertag. Alle anderen - auch Konfessionslose, zu denen sich der Kläger zählt - müssen an diesem Tag normal arbeiten, ohne dafür Zuschläge zu erhalten.

Der Arbeitnehmer sah darin eine Verletzung der EU-Grundrechtecharta und der Gleichbehandlungsrichtlinie - und klagte. Das Erstgericht wies die Klage ab, das Oberlandesgericht Wien gab der Berufung indes statt. Nun muss sich der OGH mit der Frage befassen. Weil dort aber Zweifel an der Auslegung der Richtlinie - den Höchstrichtern ist unklar, ob sich ein Konfessionsloser auf die Richtlinie zum Schutz vor religiöser Diskriminierung am Arbeitsplatz berufen kann - bestehen, wurde eben der EuGH angerufen.

Dieser wird nun darüber entscheiden, ob es sich bei dem entsprechenden Passus im Arbeitsruhegesetz um eine Diskriminierung handelt oder nicht. Und wenn ja: ob diese Diskriminierung gerechtfertigt ist. Denn auch das ist nach EU-Recht durchaus möglich. Laut OGH-Sprecher Christoph Brenn werden die Luxemburger Richter zwölf bis achtzehn Monate Zeit brauchen, um eine Entscheidung zu fällen. Davon abgeleitet wird der OGH entscheiden müssen, ob dem Arbeitnehmer ein zusätzliches Entgelt für den "Feiertagsdienst" zusteht.

Muslime ohne eigene Feiertage, aber mit KV-Regelungen

Es erscheint durchaus im Bereich des Möglichen, dass der EuGH entscheidet, dass es sich bei der Regelung, die bestimmten Konfessionen einen zusätzlichen Feiertag beschert, um eine nicht gerechtfertigte Diskriminierung handelt. Im Arbeitsruhegesetz ist nämlich zunächst einmal festgehalten, dass die katholischen Feiertage wie Weihnachten, Ostern, Pfingsten für alle Arbeitnehmer gelten. Dazu kommt dann der Passus, der den erwähnten großteils evangelischen Gruppen den Karfreitag als Feiertag ermöglicht. Die Bestimmung ist historisch gewachsen: In den 1950er Jahren, als die Protestanten die zweitgrößte Religionsgesellschaft in Österreich stellten, wollte man offensichtlich ihren höchsten Feiertag anerkennen.

Mittlerweile hat die Geschichte diesen Gedanken aber überholt: Für die Muslime, mittlerweile nach den Katholiken zweitgrößte Religionsgesellschaft, gibt es keine eigene gesetzliche Grundlage. Nur in einigen Kollektivverträgen gibt es Formulierungen, die speziell auf ihre Bedürfnisse - zum Beispiel das Freitagsgebet - Rücksicht nehmen. Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung Sozialpolitik in der Wirtschaftskammer, verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass Arbeitnehmer ohnehin aus wichtigen persönlichen Gründen der Arbeit fernbleiben dürften - sei es ein Gerichtstermin oder eine religiöse Verpflichtung. "In der Praxis haben wir damit fast nie ein Problem", sagt er zur "Wiener Zeitung".

Angestellte Juden müssen wiederum am höchsten jüdischen Festtag, Jom Kippur, nicht arbeiten. Das wurde ebenfalls in den 1950er Jahren durch mehrere Generalkollektivverträge sozialpartnerschaftlich vereinbart.

Karfreitag und Jom Kippurfür alle Arbeitnehmer?

Wenn der EuGH den Passus im Arbeitsruhegesetz kippt, dann muss einerseits der Gesetzgeber aktiv werden und entweder die Karfreitagsregelung für die begünstigten Religionsgesellschaften streichen - oder aber alle Arbeitnehmer bekommen an diesem Tag frei. In Deutschland beispielsweise ist der Karfreitag ein gesetzlicher Feiertag. Dort liegt der Anteil der Protestanten allerdings bei knapp unter 30 Prozent, in Österreich sind es nur 3,4 Prozent. Wahrscheinlicher ist also eine Abschaffung des Feiertags. Die Wirtschaftskammer hat dafür schon vorgebaut: Österreich sei mit 13 Feiertagen ohnehin schon im internationalen Vergleich weit vorne, ein weiterer würde nur zu höheren Kosten und Arbeitsverdichtung führen, hieß es am Montag in einer Aussendung.

Wird die Ausnahmeregelung gekippt, ist übrigens auch Jom Kippur davon betroffen: Die Kollektivvertragsparteien müssten dann die Generalkollektivverträge entsprechend abändern.