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Harter Schlag gegen Staatsverweigerer

Von Werner Reisinger

Politik

Bundesweite Polizeiaktion und Hausdurchsuchungen: 26 "Staatenbündler" verhaftet.


Graz/Wien. Vollmundig kündigten die Staatsverweigerer vom "Staatenbund Österreich" in den vergangenen Wochen an, am 21. April eine "Völkergerichtsverhandlung" gegen Staatsanwälte, Bürgermeister, Richter, Gerichtsvollzieher und Polizisten durchführen zu wollen - dazu dürfte es nun nicht mehr kommen.

In der Nacht auf Donnerstag griff die Polizei hart durch. In einer bundesweiten Aktion gegen die Staatsverweigerer, die von der steirischen Ex-FPÖ-Lokalpolitikerin Monika Unger als "Präsidentin" geführt werden, verhafteten die Beamten insgesamt 26 führende Mitglieder des "Staatenbunds" - darunter auch Unger selbst. Nach Auskunft der Grazer Staatsanwaltschaft, die seit Monaten gegen die "Staatenbündler" wegen des Verdachts der staatsfeindlichen Verbindung ermittelt hatte, sind 14 der Verhafteten Steirer, die übrigen sind über alle weiteren Bundesländer verteilt.

Grund der Aktion: wegen "zahlreicher Drohungen", einer "zunehmenden Gewaltbereitschaft" und besagter angekündigter "Gerichtsverhandlung" habe man Vorkommnisse wie im Juli 2014 im niederösterreichischen Hollenbach (die "Wiener Zeitung" berichtete ausführlich) verhindern wollen. Damals hatten Staatsverweigerer und Personen aus der Esoterikszene versucht, die Sachwalterin einer ehemaligen Masseurin vor ein "Naturgericht" zu stellen. Es war die Geburtsstunde des Pseudo-Gerichtshofs "ICCJV" ("International Common Law Court of Justice Vienna"), der sich in der Folge immer weiter radikalisierte und kurz darauf seinen Sitz in die Schweiz verlagerte. Sechs führende Mitglieder des "ICCJV", darunter auch die besachwaltete Michaela W., wurden am 12. April am Landesgericht Krems nicht rechtskräftig zu teilbedingten Haftstrafen verurteilt.

"Großangelegter Betrug"

Der Tatvorwurf lautet neben staatsfeindlicher Verbindung auf Nötigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, gefährliche Drohung, Erpressung und - besonders interessant - schweren gewerbsmäßigen Betrug. Durch die von Unger und anderen führenden "Staatenbündlern" zum Verkauf feilgebotenen "Austrittserklärungen" oder gefälschten Kfz-Kennzeichen hätten die nun Verhafteten ihren Lebensunterhalt lukriert, ja sogar eigene Strafmandate bezahlt.

Im Zuge der Aktion vom Donnerstag seien neben Bargeld auch Urkunden sichergestellt worden, die den Betrugsverdacht erhärten würden, so die Staatsanwaltschaft Graz in einer Aussendung. Wann und nach welchen Vergehen Anklage gegen die 26 Verhafteten erhoben wird, sei derzeit noch nicht absehbar, so ein Sprecher der Ermittler gegenüber der "Wiener Zeitung".

Über tausend Mitglieder soll die "Präsidentin", die von ihren Mitgliedern übrigens auf Lebenszeit bestellt wurde, laut Behördenangaben inzwischen haben. Experten wie der Tiroler Blogger Dietmar Mühlböck halten diese Zahl allerdings für übertrieben. "Diese Größenangaben stammen wahrscheinlich aus dem Innenministerium. Dort wird allerdings oft der Fehler gemacht, die Mitgliederzahlen von einschlägigen Facebook-Gruppen zu addieren", sagt Mühlböck. Die tatsächliche Größenordnung von Ungers Anhängerschaft wird wohl erst im Zuge der weiteren Ermittlungen gegen den "Staatenbund" ersichtlich werden - schließlich stellt die Gruppierung keine Mitgliedsausweise oder dergleichen aus.

Heterogene Szene

Dabei seien "Staatsverweigerer", "Freemen" oder Anhänger der "OPPT"-Bewegung (Stichwort UCC-Schuldenregister mit gigantischen, erfundenen Forderungen an Beamte) häufig in mehreren Facebook-Gruppen gleichzeitig Mitglied.

Das Phänomen Staatsverweigerer ist in der Tat komplex. Die Szene ist äußerst heterogen, es existieren parallel mehrere Ausprägungen. Ihnen allen gemein ist die Ablehnung von staatlichen Strukturen, Institutionen und Gesetzen. Häufig berufen sich die Gruppierungen auf das "Naturgesetz", die Republik Österreich wird als "Firma" bezeichnet, ihre Organe werden mit Hunderten von pseudojuristischen Schriftstücken überschwemmt. Fast überall ist eine tiefe Verwurzelung in (rechts-)esoterischem Gedankengut und antisemtischen Verschwörungstheorien anzutreffen. In Teilen der Szene, beispielsweise unter den Anhängern des Pseudo-Gerichtshofs "ICCJV", finden sich auch gewaltbereite Personen aus der Kampfsportszene oder Holocaustleugner und andere Rechtsextreme.

Die individuellen Motive der "Staatsverweigerer" sind vielfältig: Sie reichen von persönlichen Krisen über existenzielle finanzielle Probleme bis hin zu tatsächlicher ideologischer Radikalität. Zu lange habe man nach dem erstmaligen öffentlichen Erscheinen der Szene im Juli 2014 weggesehen, sagen Experten. Das gibt auch Konrad Kogler, Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, zu. Er sieht eine zunehmende Gewaltbereitschaft in der Szene. Aktuell befindet sich ein Entwurf zur Verschärfung des Delikts staatsfeindliche Verbindung (Paragraf 246a) in parlamentarischer Begutachtung - und wird kontrovers diskutiert. Justizminister Wolfgang Brandstetter plädiert für eine rasche Umsetzung des Entwurfs: die staatsfeindlichen Gruppierungen seien "absolut ernst zu nehmen". Sie würden "enormen Zulauf" erleben, die Gewaltbereitschaft der jeweiligen Gruppierungen nehme "extrem zu."