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Wie der Syrien-Krieg begann: "Du bist dran, Doktor"

Von Alexander Maurer

Politik

Die "Future Challenge"-Finalisten von der HTBLA Kapfenberg erzählen die Geschichte eines folgenschweren Jungenstreichs.


Kapfenberg. Die "Wiener Zeitung" hat im Rahmen des Projekts "Future Challenge" Schüler aufgerufen, Gedanken und Fragen zum Thema Flüchtlinge in Videoform darzustellen. Von mehr als 70 Einsendungen haben es zehn Beiträge ins Finale geschafft. Einer stammt von der HTBLA Kapfenberg. Diese stellte Ereignisse nach, die eine Revolution in Syrien entfachten. Am Beginn des Videos steht eine Begebenheit vom 16. Februar 2011: Naief Abazid und sein Kumpel Omar sind in Daraa am Weg zur Schule. Bei einer Polizeikontrolle werden ihnen die Ausweise abgenommen. Omar stiftet Abazid zu einer "Retourkutsche" an. Abends soll der "Neuling" die Schulwand mit einem Graffiti besprühen. Omar erklärt dem 14-Jährigen, es sei gerade "Großes" in Tunesien geschehen, und so könne man "denen da oben" eins auswischen. Abazid sprüht "Du bist dran, Doktor" an die Schulwand, ohne selbst zu wissen, was dieser Spruch eigentlich bedeuten soll.

Am nächsten Tag wird er zum Direktor gerufen, wo ihn Männer festnehmen. Sie stülpen ihm einen Sack über den Kopf und zerren ihn in einen Keller. Abazid wird gefoltert. Parallel dazu sieht man eine friedliche Demonstration für die Freilassung des Jungen, bei der Soldaten zwei Menschen erschießen. Damit begann damals der Bürgerkrieg in Syrien.

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Unfreiwilliger Revolutionär

Der heute 19-jährige Abazid wurde in der Realität 2014 zur Flucht gezwungen und hat inzwischen Asyl in Österreich erhalten. In einem Zeitungsinterview erklärte er im Vorjahr, dass er damals gar nicht gewusst habe, dass sein Graffiti auf den syrischen Diktator und Arzt Dr. Baschar Al-Assad zielte. Dieser sollte im Arabischen Frühling "der Nächste" sein, der gestürzt wird. Die heftige Reaktion des Regimes löste einen Bürgerkrieg mit weltweiten Konsequenzen aus.

"Das Thema hat meine Schüler bereits vor dem Wettbewerb sehr interessiert", sagt Wolfgang Lackner, Religionslehrer an der HTBLA Kapfenberg, zur "Wiener Zeitung". Etwa die Hälfte aller Schüler hat Migrationshintergrund, und es gibt oft Kontakt zu Flüchtlingen. Über den Syrienkrieg werde häufig diskutiert. Die Schulstufe 2AFMF habe über Abazids Geschichte viel gemeinsam nachgelesen und dann den Film gedreht. Darin wurde vorrangig die Frage gestellt, wer nun die Verantwortlichen für den Krieg sind. "Wir haben die Schuldfrage in der Klasse intensiv diskutiert. Alle waren der Meinung, dass der Krieg in dem Moment begann, als man auf Demonstranten geschossen hat", erklärt Lackner.

Auch eine mögliche Einschränkung der Demonstrationsfreiheit wird hinterfragt. "Zum Zeitpunkt der Einreichung wurde das Thema in Österreich gerade aktuell. In Syrien sind hingegen Demonstrationen fast nicht möglich", so der Klassenlehrer.