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Geteilte Verantwortung

Von Simon Rosner

Politik

Ingrid Felipe folgt Eva Glawischnig nach, EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek wird Spitzenkandidatin.


Salzburg. Die Grünen haben am Freitag, etwas schneller als vermutet und wohl auch innerparteilich erwartet, über die Nachfolge von Eva Glawischnig entschieden.

Nach nur wenigen Stunden Diskussion hat der Erweiterte Bundesvorstand den Zweierweg gewählt. Statt Parteiführung und Spitzenkandidatur einer Person zu überantworten, werden zwei grüne Politikerinnen diese Positionen bekleiden.

Die Tiroler Landessprecherin Ingrid Felipe, die die Grünen 2013 in die Regierung mit der ÖVP führte und seither Landeshauptmann-Stellvertreterin ist, wird die Parteiführung übernehmen, die EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek als Spitzenkandidatin der Grünen in die Nationalratswahl gehen. Da sich Glawischnig auch aus dem Nationalrat zurückziehen wird, dürfte der Rechtsanwalt Georg Bürstmayr nachrücken. Wer den Parlamentsklub bis zur Wahl führen wird, entscheidet sich erst kommende Woche.

In der kurzfristig anberaumten Pressekonferenz der neuen Doppelspitze, die offiziell am Bundeskongress am 25. Juni bestätigt wird, machten Felipe und Lunacek klar, wie sich die Grünen in der Wahlauseinadersetzung präsentieren wollen. "Wir sind die einzigen, die links der Mitte stehen", sagte Lunacek. Die bald 60-Jährige, die vor acht Jahren vom Nationalrat ins Europaparlament wechselte und dort mittlerweile eine von 14 Vizepräsidentinnen ist, will für ein "soziales, ökologisches Europa" kämpfen. Lunacek, sagte Felipe, sei eine Symbolfigur für Europa.

Bei den EU-Wahlen vor drei Jahren erreichten die Grünen mit Lunacek an der Spitze ein Plus von 4,6 Prozentpunkten und insgesamt 14,5 Prozent, was dem Plafond der damaligen Umfragen entsprach. Mit der Entscheidung für Lunacek dürfte klar sein, dass die Grünen das Thema Europa sehr stark in den Fokus ihrer Programmatik stellen werden - auch um eine dezidierte Gegenposition zur ÖVP unter Sebastian Kurz einzunehmen. Der neue Parteichef der Volkspartei will Kompetenzen wieder zurück auf nationale Ebene übertragen.

Felipe will in Tirol bleiben

"Wir erleben, dass Parteien, die vor einiger Zeit in der Mitte standen, nach rechts abdriften, das tut auch die ÖVP mit Kurz in Österreich", sagte Lunacek. Auch bei der SPÖ, so die designierte Spitzenkandidatin, gebe es Tendenzen, vielleicht doch mit der FPÖ zu liebäugeln. "Wir Grünen sind die einzigen, die garantieren, dass es mit uns keine FPÖ-Regierung geben wird."

Dass die Grünen eine Koalition mit den Freiheitlichen ausschließen, ist nun keine sonderlich große Überraschung, und naheliegend ist es wohl, sich thematisch links der Mitte zu positionieren. Man wolle sich als bunte Bewegung darstellen, sagte Felipe. "Das ist auch notwendig gegen den rechtsdriftenden Einheitsbrei."

Die 38-Jährige aus Hall wollte nicht selbst Spitzenkandidatin werden. "Ich bin alleinerziehende Mutter eines 13-jährigen Burschen", sagte Felipe, sie könne deshalb nicht nach Wien ziehen. Außerdem habe sie auch Verpflichtungen in Tirol. Dort stehen im kommenden Jahr Landtagswahlen an. Inhaltlich und strategisch werde sie als Bundessprecherin aber jedenfalls Verantwortung übernehmen.

Zwei Sachpolitikerinnen

Auch wenn die genaue inhaltliche Strategie für den Wahlkampf erst in den kommenden Wochen festgelegt wird, dürfte mit dieser personellen Entscheidung nun Gewissheit herrschen, wie die Grünen künftig stilistisch auftreten wollen. Denn sowohl Lunacek, die sich durch ihre fachliche Versiertheit im EU-Parlament über die Parteigrenzen hinweg Anerkennung verschafft hat, als auch Felipe stehen für eine betont sachliche Auseinandersetzung statt einer kommunikativen Zuspitzung und Inszenierung.

Die Regierungsarbeit mit der ÖVP in Tirol verläuft weitgehend friktionslos, vor allem die Zusammenarbeit mit Landeschef Günther Platter ist geradezu demonstrativ von wechselseitigem Respekt geprägt.

Bis zur Wahl am 15. Oktober wird Lunacek ihr EU-Mandat behalten und auch ihre Verpflichtungen als Vizepräsidentin des EU-Parlaments wahrnehmen, danach aber in den Nationalrat wechseln. Ihre internationalen Aufgaben, etwa als Kosovo-Berichterstatterin, wird sie jedoch abgeben.

Dass die Grünen nun quasi zwei Frauen an die Spitze der Partei stellen, wollte Felipe auch als Signal verstanden wissen. "Es gibt kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Das sollten wir auch in der Gesellschaft wieder gelten lassen."