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Kern hat Kreisky im Gepäck

Von Thomas Seifert aus Kairo

Politik

Bei der Reise des Bundeskanzlers nach Ägypten und in die Emirate ging es um Syrien, Libyen, Flüchtlinge und Wirtschaft.


Kairo. Bundeskanzler Christian Kern wandelte bei seinem Besuch in Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten auf Bruno Kreiskys Spuren. In Kairo legte er einen Kranz am Grab des ägyptischen Präsidenten Anwar Sadat nieder, der bei einem spektakulären Anschlag am 6. Oktober 1981 von fundamentalistischen Armeeangehörigen ermordet worden war. Dabei erinnerte Kern an die Freundschaft zwischen Kreisky und Sadat. "Bruno von Arabien", wie der damalige Bundeskanzler von der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit" 1981 liebevoll-ironisch tituliert wurde, hatte sich ja seit 1973 bemüht, Sadat bei den europäischen Politikern salonfähig zu machen. Nun setzte Kern bei seinem Besuch in Kairo darauf, dass man sich dort bis heute daran erinnert.

Sein Gesprächspartner Abdel Fattah al-Sisi ist - ähnlich wie Sadat in den 1970ern - in Europa auch nicht gerade gesellschaftsfähig: Al-Sisi ist das Gesicht der postrevolutionären Militärregierung, die Mohammed Mursi und seine Muslimbrüder nach ihrem Wahlsieg im Juni 2012 am 3. Juli 2013 wieder von der Macht putschte, die Armee schlug die Proteste der Muslimbrüder nach der Absetzung Al-Sisis blutig nieder - beim Rabia-Massaker am 14. August 2013 kamen mindestens 904 Menschen ums Leben.

Heute sitzen nicht nur tausende Muslimbrüder in Haft, sondern auch die Vertreter der säkularen, liberalen Proponenten der Tahrir-Revolution des Jahres 2011, während Al-Sisi den langjährigen Militärdiktator Hosni Mubarak, der nach der Tahrir-Revolution zu lebenslanger Haft verurteilt worden war, wieder freigelassen hat. Dennoch sieht Europa in Al-Sisi offenbar einen Garanten der Stabilität. Die EU braucht ein stabiles Ägypten, das Europa bei der Ordnung der Flüchtlings- und Migrationsströme zur Seite springt.

"Führungsmacht in der Region"

"Ägypten ist die Führungsmacht in der Region", erklärte Kanzler Kern in Kairo. "Wir wissen, dass die Region für unsere Wirtschafts-, Sicherheits- und auch Flüchtlingspolitik von entscheidender Bedeutung ist und dass wir ohne Stabilität in der Region die Auswirkungen spüren würden." Kern hat bei seinen Gesprächen mit Al-Sisi und dem ägyptischen Premier Sherif Ismail auch einen Flüchtlingsdeal mit Ägypten angeregt, ähnlich jenem, den die EU mit der Türkei abgeschlossen hat - freilich mit dem Hinweis, dass dieser "nicht eins zu eins übertragbar" sei. Kern verwies auch darauf, dass Ägypten in der Vergangenheit "große Beiträge" geleistet habe, "um die Migrationsbewegungen von der eigenen Küste nach Europa zu reduzieren". Tatsächlich: Ägypten ist zuletzt hart gegen Schlepper im Land vorgegangen, die Menschen setzen sich heute vorwiegend von Libyen aus in Bewegung.

Kern hofft darauf, dass Ägypten auch einen Beitrag leistet, um die Lage in Libyen zu stabilisieren. Und er meinte auch: "Man kann ja einmal das eine oder andere Boot gemeinsam retten." Das würde im Klartext bedeuten, dass die im Meer geretteten Menschen dann nach Ägypten und nicht mehr auf europäisches Territorium gebracht würden. Außenminister Sebastian Kurz fordert ja schon seit längerem Auffanglager in Nordafrika. Und während Kurz in dieser Frage bisher auf Abschreckung setzte, betonte Kern nun in Kairo, es müsse "außer Streit stehen, dass die Menschenrechte der Maßstab sind".

Die Idee, Ägypten eine Rolle in der europäischen Flüchtlingsstrategie zuzuweisen, ist nicht neu. Der österreichische Bundeskanzler hat sich bei der Vorbereitung seiner Ägypten-Visite eng mit seiner deutschen Amtskollegin Angela Merkel abgestimmt, die bei ihrem Besuch im heurigen März diese Frage mit Al-Sisi besprochen hat.

Dabei gibt es heute bereits Abschiebezentren in Ägypten, die dort Internierten haben in der Vergangenheit immer wieder mit Hungerstreiks auf ihre Situation aufmerksam gemacht. Kern betonte deshalb auch, dass es darum gehe, solche Zentren "mit einer entsprechenden Infrastruktur", etwa Schulen, zu schaffen. "Wenn man das richtig organisiert, kann das ein Schlüssel sein. Aber wenn man es nur als Möglichkeit sieht, die Probleme aus dem Blick zu schieben, wird einen das wieder einholen."

Kern rechnet damit, dass die Fluchtbewegungen noch Jahre, möglicherweise Jahrzehnte weitergehen werden. Wenn man die Bürger Europas mit dem Problem überfordere, dann "bekommen wir keine solidarische Gesellschaft, sondern eine zerfallende, deshalb brauchen wir Bündnispartner nahe den Herkunftsregionen".

Und genau aus diesem Grund sei es richtig, Ägypten wirtschaftlich zu unterstützen. Die Ansprüche in Sachen Menschenrechte dürften bei solchen Reisen "aber sicher nicht zuhause gelassen" werden, fügte Kern auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" hinzu. "Wenn wir die Partnerschaft zwischen Ägypten und der Europäischen Union vertiefen wollen, muss es in dieser Frage bestimmte Schritte geben."

Kreisky-Bild als Geschenk

Am Donnerstag flog Kern weiter in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), wo er in Abu Dhabi am Donnerstag dem Kronprinzen Mohammed Bin Zayed Al Nahyan ein historisches Bild übergab, das Kreisky beim bisher letzten Besuch eines österreichischen Regierungschefs im Golfstaat im Jahr 1981 zeigt.

Bei den Gesprächen in den Emiraten geht es neben Syrien vor allem um Wirtschaftsfragen. Die VAE sind mit Exporten von 640 Millionen Euro Österreichs größter Handelspartner am Golf, Dubai ist für viele österreichische Firmen das Sprungbrett in die Golfregion, aber auch nach Nord- und Ostafrika.