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Programmieren gegen Arbeitslosigkeit

Von Valentine Auer

Politik
An zwei Wochentagen werden die Flüchtlinge unterrichtet.
© Benjamin Storck

Die Initiative "refugeescode" will Geflüchtete auf den österreichischen Arbeitsmarkt vorbereiten.


Wien. "O.k., setzt Euch alle hin! Wer hat die Hausaufgabe gemacht?", fragt ein Student der Technischen Universität (TU) eine Runde von rund 15 Erwachsenen. Heute leitet er den Unterricht - als Teil des Projektes "refugeescode - coding for integration" - eine Initiative, die Geflüchteten Programmieren lehrt, um sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Einer der Teilnehmer öffnet eine Datei namens "Easter Homework". Gemeinsam werden verschiedene Lösungswege der Aufgabenstellung besprochen, über Begriffe wie "arrays" und "loops" diskutiert. Der Kursleiter ist zufrieden.

Es ist Donnerstagabend. An zwei Wochentagen kommen rund 40 Flüchtlinge, die einen Programmier-Lehrgang besuchen, in die Technische Universität. Unterrichtet werden sie von Studierenden der TU Wien, die dafür drei ECTS-Punkte erhalten. Das Ziel: "Wir wollen, dass unsere Teilnehmer von null Vorkenntnissen zu einem Einsteigerjob kommen", erklärt Stefan Steinberger. Er ist Gründer und Leiter der Initiative. Mitunter motivierte ihn sein mangelndes technisches Know-how mit "refugeescode" zu starten: "Ich wollte immer eigene Projekte umsetzen, aber mir fehlten immer Leute mit technischem Wissen. Es scheiterte bei mir schon an der Umsetzung einer Website", sagt Steinberger.

Doch nicht nur das Eigeninteresse des Gründers führte zur Entstehung von "refugeescode". Techniker und Diplomingenieure für Datenverarbeitung stehen auf der Liste der Mangelberufe. Dazu zählen auch Programmierer und Software-Entwickler. IT-Unternehmen leiden unter Fachkräftemangel, die Lösung ist bereits für viele die Suche nach Fachkräften im Ausland.

"Es gibt einen großen Bedarf an Menschen mit Programmierkenntnissen", schlussfolgert Steinbergers Kollege Alexander Hartveld. Und es gibt noch weitere Vorteile, wieso Flüchtlinge mit Programmierkenntnissen leichter in den heimischen Arbeitsmarkt vermittelt werden können: "Beim Programmieren braucht man nicht unbedingt ein Diplom, da es um Referenzen geht. Mit einem Portfolio sind die Chancen höher, eine Stelle zu erhalten. Deswegen können wir mit unseren Teilnehmern schneller in den Arbeitsmarkt. Außerdem sind die erworbenen Kenntnisse überall auf der Welt einsetzbar."

Zertifikatnach fünf Monaten

Als Ausgangsbasis des Lehrplans dient dabei der Online-Harvard-Kurs "CS50". Schon nach fünf Monaten sollen die Teilnehmer nicht nur ein Zertifikat, sondern auch eigene Abschlussprojekte als Referenz herzeigen können. Um das zu schaffen, heißt es nicht nur zwei Mal in der Woche am Präsenzunterricht teilzunehmen, sondern auch von zu Hause zu arbeiten. Mithilfe eines Forums erhalten die Teilnehmer zusätzliche Unterstützung, erklärt Steinberger: "Auch im Forum haben die Leute Zugang zu qualifizierten Studierenden. Außerdem soll es nicht nur lernen, sondern auch Community sein. Das Verhältnis zwischen Vortragenden und Teilnehmern ist freundschaftlich."

Neben den Programmier-Kursen werden die Teilnehmer zusätzlich in puncto Selbstpräsentation am Arbeitsplatz begleitet. Durch Kooperationen mit Start-ups und großen Unternehmen wird versucht, die Teilnehmer zu vermitteln. Zwei weitere Workshops sollen zudem das Selbstbewusstsein stärken. "Wir begleiten sie von Anfang an bis zum ersten Arbeitstag", sagt Steinberger und erklärt, wieso fehlende Deutschkenntnisse nicht zwingend ein Hindernis sind: "Die Idee ist, dass die nicht Deutsch sprechenden Menschen - nur mit den Programmier- und Englischkenntnissen - einen Job finden. In der Arbeit lernen sie dann nicht nur die Sprache, sondern auch die Kultur und Gewohnheiten".

Viele der Teilnehmerbesitzen keine Vorkenntnisse

Seit März findet der zweite Lehrgang der Initiative statt. Viele der Teilnehmer besitzen nur wenig oder gar keine Vorkenntnisse. Das ist auch nicht notwendig, betonen die Projektleiter. Der 21-jährige Syrer Mohammad Sawas zum Beispiel studierte Soziologie in Syrien. Schon in seinem Herkunftsland kam der Wunsch auf, Programmieren zu lernen. Die fehlende Zeit war der Grund, wieso es nie dazu kam. Daher kam ihr "refugeescode" gelegen. Mit dem vom Projekt erworbenen Zertifikat erhofft er sich leichtere Chancen auf ein IT-Studium.

Auch Yousuf konnte vor dem Lehrgang noch nicht programmieren. Seit eineinhalb Jahren lebt er in Österreich. Im Irak arbeitete er als Techniker. In Österreich angekommen wurde ihm klar, dass es schwierig sein wird, einen Platz auf dem Arbeitsmarkt zu erhalten. Daher will er seine Kenntnisse, sein Wissen diversifizieren. Noch hat er keinen Status als anerkannter Flüchtling, der Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt bleibt ihm daher verwehrt. Sobald die Beschränkung fällt, erhofft er sich durch seine Programmierkenntnisse bessere Chancen. Bis dahin heißt es für Yousuf üben, üben, üben, betont er.

Derzeit ist der Lehrgang kostenlos. Künftig soll sich jedoch nicht nur das ändern: "Wie wollen in Zukunft etwas verlangen. Nicht, weil wir Geld verdienen wollen, sondern aus Motivationsgründen", so Steinberger. Der Wunsch käme dabei von den Geflüchteten selber. Dies geht auch mit der hohen Drop-out-Rate des ersten Lehrgangs einher. Damals gab es zu viele Überschneidungen mit Amtswegen oder mit Deutschkursen. Die vielen Verpflichtungen der Geflüchteten sind nach wie vor ein Problem: "Viele der Teilnehmer haben den Rücken nicht frei. Daher ist unsere Vision eine Art Bootcamp. In drei Monaten soll nicht nur gemeinsam Programmieren, sondern auch Deutsch gelernt werden", erklärt Hartveld.

Zur Umsetzung braucht es die Unterstützung des Arbeitsmarktservice (AMS), so Steinberger: "Die Geflüchteten müssen frei von anderen Verpflichtungen sein. Wenn sie nicht zu Arbeitsmaßnahmen hingehen, verlieren sie das Geld". Daher müsse "refugeescode" vom AMS anerkannt werden. Allein das Finden der richtigen Ansprechperson dauerte jedoch einige Monate, erzählt Steinberger lachend. Ein langwieriger Prozess also, der aufgrund der Bürokratie wohl länger dauert, als Geflüchteten das Programmieren beizubringen und in den heimischen Arbeitsmarkt zu integrieren - auch wenn nicht alle Teilnehmer die Hausaufgabe erledigen konnten.