Zum Hauptinhalt springen

Was kostet die Welt?

Von Michael Schmölzer

Wirtschaft

Der US-Kongress verhindert den Staatsstillstand. Gegen den explosionsartig wachsenden Schuldenberg hat er kein Rezept.


Washington. Nach sechs Stunden war der Spuk vorbei: So lange befand sich die US-Regierung von Donnerstag auf Freitag im Stillstand, war ein "Shutdown" in Kraft, weil sich der Kongress nicht auf ein Gesetz zur Zwischenfinanzierung der Staatsausgaben einigen konnte. Die US-Senatoren und Abgeordneten verhandelten die ganze Nacht weiter. In den frühen Morgenstunden, pünktlich zum Sonnenaufgang, stand die Kompromisslösung. Die Einwilligung des US-Präsidenten Donald Trump war dann reine Formsache.

Damit konnten hunderttausende Staatsbeamte zum Dienst erscheinen, Leistungen wurden ausbezahlt, staatliche Stellen ließen den Dollar rollen. Denn der Kongress hatte zuvor den Plan gebilligt, innerhalb der nächsten zwei Jahre 300 Milliarden Dollar (245 Milliarden Euro) zusätzlich auszugeben. Mehr Geld soll es unter anderem für die Streitkräfte, für die Infrastruktur und für die Bewältigung von Naturkatastrophen geben.

Steuererhöhungen nötig?

Verantwortlich für den kurzfristigen Stillstand war der republikanische Senator Rand Paul, der stundenlange Reden hielt, der bewusst Sand ins Getriebe streute, um gegen die Aufnahme neuer Schulden zu protestieren. Er wetterte gegen Republikaner und Demokraten gleichermaßen, diese würden mit dem neuen Gesetz "die Staatskasse plündern".

Paul ist prominenter Vertreter jener Politiker-Fraktion, die die Macht der Bundesregierung beschneiden und deren Budget senken will. In dieser Rolle hatte er im Dezember für eine Steuerreform gestimmt, mit welcher allerdings der US-Schuldenberg innerhalb von zehn Jahren um gigantische 1,5 Billionen Dollar steigt.

Für Ökonomen ist klar, dass die Schieflage der US-Staatsfinanzen nicht allein durch Wirtschaftswachstum ausgeglichen werden kann, sondern Steuern erhöht werden müssen. Ein Schritt, dem die Republikaner und vor allem US-Präsident Donald Trump niemals zustimmen würden.

Ökonomen kritisieren weiter, dass in derartigen Situationen bei wirtschaftlich schlechtergestellten Menschen gespart wird. Das ist auch bei der jüngsten US-Steuereform der Fall.

Die Budget-Abstimmung zeigt aber auch, wie gespalten die Republikaner derzeit sind: Im Repräsentantenhaus gab es mit 67 Abgeordneten so viele Abweichler, dass die regierende "Grand Old Party" die Stimmen von Demokraten brauchte. Der Gesetzesentwurf wurde in der Kammer schließlich mit 240 zu 186 Stimmen angenommen. Viele Demokraten stimmten dagegen, weil sie den Haushalt mit der Einwanderungspolitik verknüpfen wollten.

Kern der Debatte sind Einwanderer vor allem aus Mexiko, die als Kinder in die Vereinigten Staaten kamen und bisher vor der Abschiebung geschützt waren. Die Regelung gilt bis zum 5. März. Im Senat haben die Republikaner den Demokraten bereits versprochen, im Februar über die sogenannten Dreamer-Einwanderer zu debattieren. Unklar war, ob die Demokraten auch im Repräsentantenhaus eine ähnliche Zusicherung erhielten - und damit den Weg für das Haushaltsgesetz freimachten.

Haushaltskrisen und dadurch ausgelöste "Shutdowns" sind in den USA ein bekanntes Phänomen. Hier gibt es eine gesetzliche Schuldenobergrenze, die der Regierung bei ihrer Einrichtung Anfang des 20. Jahrhunderts mehr finanziellen Spielraum sicherte. Es war die Zeit, in der die USA in den Ersten Weltkrieg eintraten - zusätzliche Mittel mussten aufgebracht werden. Davor war bei jeder einzelnen Ausgabe von Staatsanleihen die Zustimmung des Kongresses notwendig - das entfiel nun.

Im vergangenen halben Jahrhundert hat der US-Kongress das Schuldenlimit mehr als 70 Mal angehoben. Wenn die Mehrheit der Abgeordneten einer Anhebung nicht zustimmt, kommt es zum Stillstand, zum "Shutdown". Hunderttausende Beamte erscheinen nicht zum Dienst, nur absolut notwendige Bereich laufen weiter. Ein "Shutdown" ist teuer, er kostet die größte Volkswirtschaft der Welt hunderte Millionen Dollar pro Tag. Wird die Obergrenze nicht erhöht, kann der Staat kein weiteres Geld leihen, seinen Verbindlichkeiten nicht nachkommen und auch seine fällig werdenden alten Schulden nicht begleichen.

Ein derartiger Zahlungsausfall würde die Kreditwürdigkeit der weltgrößten Volkswirtschaft gefährden, die Märkte ins Chaos stürzen, der US-Wirtschaft schaden und möglicherweise eine Rezession auslösen.

Der US-Schuldenberg ist kontinuierlich angewachsen, der Irak- und Afghanistankrieg und die Finanzkrise nach 2007 verschlangen Unsummen. Im November 2017 betrug die Staatsverschuldung unglaubliche 20,5 Billionen US-Dollar oder 106 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Tendenz steigend.