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Erster Hauptakt der Aufarbeitung

Von Matthias Nagl

Politik

In Salzburg beginnt der erste große Prozess zum Finanzskandal. Angeklagt ist unter anderen der Bürgermeister der Stadt, Schaden.


Salzburg. Schon beim Auffliegen des Salzburger Finanzskandals Ende 2012 hatte es geheißen, dass die gerichtliche Aufarbeitung Jahre dauern werde. So ist es auch gekommen. Nun, viereinhalb Jahre später, beginnt heute, Dienstag, am Landesgericht Salzburg der dritte, aber bisher umfangreichste und am meisten beachtete Prozess im Zusammenhang mit dem Finanzskandal.

Sieben Angeklagten wird Untreue beziehungsweise Beihilfe dazu vorgeworfen. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Prozessen ist die Anklagebank diesmal prominent besetzt. Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ) findet sich ebenso darauf wie der ehemalige Landeshauptmann-Stellvertreter und SPÖ-Landesrat Othmar Raus. Ebenfalls angeklagt sind der heutige Magistratsdirektor der Stadt Salzburg, der städtische Finanzdirektor sowie der ehemalige Leiter der Landes-Finanzabteilung, Eduard Paulus. Hauptangeklagte ist die ehemalige Budget-Referatsleiterin und Zentralfigur des Skandals, Monika Rathgeber. Alle Angeklagten beteuerten bisher ihre Unschuld.

Wie kamen die Derivatevon der Stadt zum Land?

Bis Ende Juli sind 19 Verhandlungstage anberaumt, es könnten aber einige mehr werden. Bereits jetzt gibt es zusätzliche Beweisanträge der Verteidiger, auch ein zusätzliches Finanzgutachten wurde beantragt. Dass ausgerechnet der Bürgermeister der Stadt Salzburg unter den ersten angeklagten Politikern ist, hätte beim Ausbruch des Skandals kaum jemand für möglich gehalten. Insgesamt geht es in dem Verfahren nur um einen Nebenaspekt der hunderte Millionen schweren Finanzcausa. Dieser Nebenaspekt hat es aber in sich. Das Land Salzburg hat 2007 sechs negativ bewertete Zinstauschgeschäfte bei vier Banken laut Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ohne entgeltliche Gegenleistung von der Stadt übernommen. Dadurch sei dem Land ein Schaden von rund 4,9 Millionen Euro entstanden. Eine schriftliche Notverordnung für die Übertragung der Derivate habe es entgegen der sonst üblichen Praxis nicht gegeben, ebenso wenig eine Genehmigung des Gemeinderates, heißt es in der 69 Seiten umfassenden Anklageschrift. Die Strafandrohung bei Untreue liegt bei ein bis zehn Jahren Haft.

In der Anklageschrift wird Schaden und Raus vorgeworfen, eine politische Vereinbarung getroffen zu haben, dass das Land die Geschäfte übernehmen müsse. In weiterer Folge habe Rathgeber ihre Kompetenzen überschritten und das Land durch die Übernahme der Geschäfte geschädigt, wozu Schaden und Raus durch ihre Vereinbarung beigetragen hätten. "Es gab keine Weisung, keine Aussprache, keine politische Intervention", sagte Schaden nach der Anklageerhebung. Als er erstmals über negative Entwicklungen der Swaps informiert wurde, habe er überlegt, den Stadtsenat zu informieren. "Da ist in der Finanzabteilung des Landes eine gewisse Unruhe entstanden."

Gab es politische Vereinbarungen?

In der Folge hätte das Land mündlich angeboten, die Zinstauschgeschäfte zu übernehmen. Laut Schadens Anwalt Walter Müller kam die Initiative zur Übernahme der Geschäfte von Rathgeber. Für Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic ist das nicht nachvollziehbar. Rathgeber habe erklärt, dass das Land "von sich aus niemals Geschäfte mit negativen Barwerten freiwillig übernommen" hätte. Alle angeklagten Landesbeamten hätten in bisherigen Vernehmungen ausgesagt, dass es sich bei dem Swap-Deal um eine Entscheidung auf politischer Ebene gehandelt habe. Auch Raus als damaliger politischer Vertreter des Landes beteuerte, dass es keine politische Vereinbarung gegeben habe.

Brisant ist, dass der ebenfalls angeklagte Finanzdirektor der Stadt im Finanzskandal-U-Ausschuss des Landtags Schaden 2013 widersprach. Er sagte damals, dass die Stadt wegen der Übernahme der Geschäfte an das Land herangetreten sei. Über die genaue Form der Kontaktaufnahme wisse er allerdings nichts. Auch Raus sagte im damaligen U-Ausschuss, dass die Stadt an das Land herangetreten sei. Für die Gründe der Übernahme bezieht sich die Anklageschrift auf die Einvernahme von Rathgeber.

Offiziell habe es geheißen, die Übertragung basiere auf administrativen Schwierigkeiten, die Stadt sei zu unflexibel für derartige Geschäfte. Inoffiziell sei hingegen kommuniziert worden, dass die Positionen stark im Minus gewesen seien und der Bürgermeister "ausgerastet" sei. Im Landtags-U-Ausschuss berichtete Rathgeber von konkreten Gegengeschäften. So sollen für die Übernahme der Geschäfte vonseiten der Stadt Bauverfahren für gemeinnützige Bauträger schneller abgewickelt worden sein. Dem widersprachen Schaden und Raus.

Rathgeber ist bisher auch die einzige Verurteilte im Zusammenhang mit dem Finanzskandal. In zwei Verfahren wurde sie verurteilt. Im zweiten aber ohne Zusatzstrafe zu jener aus dem ersten Verfahren, in dem Rathgeber zu einer dreijährigen Haftstrafe, davon ein Jahr unbedingt, verurteilt wurde. Diese Strafe hat die ehemalige Landesbedienstete mit einer Fußfessel bereits verbüßt.

Schadens Job als Bürgermeister hat ein Ablaufdatum

Für Schaden geht es in diesem Verfahren auch um seine politische Zukunft. Diese ist so oder so überschaubar. Er hat bereits vor der Anklageerhebung angekündigt, bei den regulären Bürgermeisterwahlen in zwei Jahren nicht mehr anzutreten. Bei einer erstinstanzlichen Verurteilung könnte es in der Stadt Salzburg aber zu einer vorgezogenen Bürgermeister-Direktwahl kommen.

Aber auch mit diesem beginnenden Verfahren sind die Ermittlungen der WKStA noch nicht abgeschlossen. Unter anderem wird in einem Finanzstrafverfahren ermittelt. Der Hauptbereich des Finanzskandals umfasst rund 700 hochspekulative Finanzgeschäfte. Der gesamte Verlust des Landes aus den Spekulationsgeschäften wurde offiziell auf 350 Millionen Euro taxiert. Dazu kommen noch Nachzahlungen an das Finanzamt in der Höhe von 130 Millionen Euro. Noch offen ist zudem eine Strafe der EU-Kommission wegen falscher Schuldenangaben des Landes Salzburg in der Höhe von 29,8 Millionen Euro. Finanzminister Hans Jörg Schelling versucht zwar die Strafe wegzuverhandeln, hat aber schon angekündigt, dass im Fall der Fälle Salzburg die Strafe bezahlen müsse. Dagegen hat Salzburg in Vergleichen mit 14 Banken in den vergangenen Jahren 105,2 Millionen Euro lukriert.

Samt den Aufarbeitungskosten dürfte der Schaden für das Land bei fast 400 Millionen liegen.