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Doch-noch-Reform mit Abstrichen

Von Simon Rosner

Politik

Das Primärversorgungsgesetz kommt, aber Ärzte dürfen auch weiterhin andere Ärzte nicht anstellen. Die Ärztekammer ist verärgert.


Wien. Der Name des Gesetzes, das die Primärversorgung im Gesundheitsbereich auf neue Beine stellen soll, ist ein wahres Ungetüm: Gesundheitsreformumsetzungsgesetz. Man kann aber auch "Grug" zu ihm sagen, so lautet die offizielle Abkürzung. Vertreter der Ärztekammer sehen in diesem Gesetz aber auch inhaltlich ein wahres Ungetüm, sie kampagnisierten heftig dagegen.

"Grug" aber ging dann doch im April im Parlament in Begutachtung, die eingegangenen Stellungnahmen wurden eingearbeitet und zwischen SPÖ und ÖVP eine Einigung erzielt. Doch noch. Am Montag brachten die beiden ehemaligen Regierungspartner einen gemeinsamen Initiativantrag im Nationalrat ein, um das Gesetz noch im Sommer beschließen zu können. Auf einige Kritikpunkte der Ärztekammer wurde in der Letztfassung eingegangen, wie ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger, der selbst Hausarzt ist, sagt. Zufrieden ist die Ärzteschaft aber dennoch nicht. Im Gegenteil. Sie überlegt Gegenmaßnahmen.

Geänderte Bedürfnisse

Zentraler Kritikpunkt ist und bleibt, dass auch weiterhin Ärzte nicht von Ärzten mit Praxis angestellt werden dürfen. Laut Kammer wäre das aber notwendig. "Es gibt einfach mittlerweile mehr junge Ärztinnen und Ärzte, die sich in einem Anstellungsverhältnis wohler fühlen", sagt Kammeramtsdirektor Johannes Zahrl.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Der Aufbau oder die Übernahme einer Ordination ist natürlich immer auch mit entsprechenden Investitionen verbunden, die für junge Mediziner ein Hindernis darstellen können. Zumal die zunehmende Mobilität der Menschen sowie auch die häufig spätere Familienplanung bedingen, dass sich Ärzte mit Anfang 30 eben noch nicht beruflich fest verorten wollen oder können.

"Zu bürokratisch"

Dass die Nachfrage nach anderen Modellen als dem klassisch-freiberuflichen - Arzt oder Ärztin mit eigener Ordination - steigt, ist allen Beteiligten klar, ebenso, dass man dieser Entwicklung gerecht werden muss, um auch in Zukunft eine flächendeckende Versorgung mit Allgemeinmedizinern gewährleisten zu können.

Die Einigkeit in der Analyse bedeutet allerdings nicht, dass am Ende auch eine praktikable gemeinsame Lösungen herausschaut. Schon vor sieben Jahren bei der Novelle zum Gesetz für Gruppenpraxen ist ein Kompromiss beschlossen worden, der zu kaum Mehrgründungen geführt hat. Wesentliche Erleichterungen bot das Gesetz nach Ansicht der Kammer nicht.

Und auch diesmal, kritisiert sie, sei das Gesetz zu kompliziert. "Man schafft bürokratische Hürden statt lebensnaher Lösungen", sagt Zahrl. Die neuen Primärversorgungszentren, die komplementär zum Hausarzt kommen sollen, können auch aus der Vernetzung von bestehenden Ordinationen entstehen. Gerade in ländlichen Regionen wird es kaum größere Einheiten geben, bei denen an einem Ort mehrere Gesundheitsberufe, etwa Psychologen oder Krankenpfleger, zusammenarbeiten, sondern eben Vernetzungen.

Allerdings wird erst die Praxis zeigen, wie praktikabel sich die legistische Ausformulierung des Gesetzes darstellen wird. Bis 2021 soll es österreichweit zumindest 75 Primärversorgungseinrichtungen geben. Im Gesundheitsministerium weist man jedenfalls die Kritik an zu viel Bürokratie zurück.

Die anfängliche Befürchtung der Ärztekammer, dass die neuen Primärversorgungszentren künftig von medizinfremden Kapitalgesellschaften geführt werden könnten, ist mit der Letztfassung des "Grug" nicht möglich, von politischer Seite gab es auch stets die Beteuerung, diese Türe - anders als in Deutschland - nicht öffnen zu wollen. Der Forderung der Ärzteschaft, in Ordinationen künftig andere Ärzte anstellen zu dürfen, wurde nun aber auch nicht entsprochen.

Komplexe Gemengelage

Für eine Umsetzung hätte es im Nationalrat eine Verfassungsmehrheit benötigt, da nach derzeitiger Gesetzeslage Anstellungen aus Ordinationen automatisch Krankenanstalten machen würden. Das geht nicht. Die Grünen wären aber auch bereit gewesen, mitzustimmen, die Volkspartei war dann aber dagegen. ÖVP-Verhandler Rasinger sagt, nicht grundsätzlich gegen diese Idee zu sein, er verweist aber auf rechtliche Schwierigkeiten, denen man sich gesondert widmen müsse.

So gebe es jetzt für Ärzte die Möglichkeit, sich von freiberuflichen Ärzten ohne Ordination vertreten zu lassen. Hätten Ärzte künftig die Möglichkeit, andere Kollegen anzustellen, wäre die Abgrenzung zu diesen Vertretungsärzten unscharf - und möglicherweise böte es Anlass für Prüfungen der Sozialversicherung auf versteckte Anstellungen. Die SPÖ sieht wiederum die prekären Jobs, die oftmals Vertretungsärzte haben, kritisch. Ergebnis: keine Einigung darüber. Das Thema aber bleibt.