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"Da sehe ich künftig ein Gefahrenpotenzial"

Von Daniel Bischof

Politik

Justizausschuss berät über umstrittenen Paragrafen. Laut Strafrechtlerin hat er einige Schwächen.


Walchsee. Kommt er oder kommt er nicht, der Tatbestand der "Staatsfeindlichen Bewegungen"? Heute, Mittwoch, fallen die Würfel: Im Justizausschuss des Nationalrates wird über die Strafgesetznovelle 2017 beraten. Sie enthält auch den umstrittenen Tatbestand (§ 247a StGB). Er soll Bewegungen kriminalisieren, die Hoheitsrechte der Republik auf gesetzwidrige Weise ablehnen oder sich selbst anmaßen. Dazu zählen etwa die Entrichtung von Steuern oder Einhaltung von Gesetzen. Kritiker halten die Bestimmung für unnötig, unbestimmt oder gar demokratiepolitisch bedenklich.

Über den rechtlichen Umgang mit staatsfeindlichen Gruppen wie den Reichsbürgern wird auch am Tiroler Walchsee diskutiert. Hier findet seit Montag das "Forum der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte" statt. "Ist wirklich ein neuer Tatbestand zur Bekämpfung staatsfeindlicher Bewegungen nötig?", fragte Susanne Reindl-Krauskopf, Vorständin des Instituts für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien, in ihrem Eröffnungsvortrag über "Demokratie und Strafrecht".

Zweifel an Notwendigkeit

Sie habe durchaus Zweifel an der Notwendigkeit der neuen Bestimmung, meinte die Strafrechtlerin. Die Aktivitäten von Staatsverweigern seien laut Berichten bereits merkbar zurückgegangen, seit die ersten Verurteilungen nach klassischen Tatbeständen bekannt wurden. Zudem gebe es für staatsfeindliche Komplexe bereits § 246 StGB, der "Staatsfeindliche Verbindungen" kriminalisiert. Er richtet sich gegen Verbindungen, die das demokratiepolitische Prinzip unmittelbar und auf gesetzwidrige Weise erschüttern wollen. Der Gesetzgeber scheine aber davon auszugehen, dass dieser Paragraf das Gefahrenpotenzial mancher Gruppen nicht einfangen könne, so Reindl-Krauskopf.

Neben der zweifelhaften Notwendigkeit sieht sie auch Umsetzungsprobleme. Insbesondere der Begriff der staatsfeindlichen "Bewegung" bereitet ihr Unbehagen. "Die Bewegung kann auch ein organisatorisches Nichts sein", erklärte Reindl-Krauskopf. Weder brauche es eine besondere Organisationsstruktur der Gruppierung, noch müssten sich die Personen persönlich kennen. "Das ist die Schwäche des Tatbestandes."

Neuer Organisationstypus

Nach dem derzeitigen Entwurf macht sich strafbar, wer eine staatsfeindliche Bewegung "gründet oder in einer solchen betätigt." "Wie aber gründe ich eine Bewegung, die ein organisatorisches Nichts sein kann?", fragte Reindl-Krauskopf. Anklage und urteilsfeste Nachweise werde man wohl nur in bestimmten Fällen erbringen können. Nämlich dann, wenn man wieder objektive Merkmale habe, die eine Bewegung definieren.

Das Strafgesetzbuch kenne zwar schon lange Organisationsdelikte. "Diese Tatbestände haben aber zumindest objektive Definitionsmerkmale für die Organisation. Dadurch kann man strafrechtlich relevante und irrelevante Gruppen auf objektiver Ebene abgrenzen." Mit dem neuen Organisationstypus der "Bewegung" könne sich das ändern.

Zeichen der Exekutive setzen

"Die Strafbarkeit wird auf die subjektive Ebene verlagert, also die Einstellung der Personen, die sich zusammenfinden. Da sehe ich künftig ein Gefahrenpotenzial. Ein künftiger Gesetzgeber kann auch andere Einstellungen als bloß staatsfeindlich als verpönt ansehen". Beim jetzigen Gesetzesentwurf sieht Reindl-Krauskopf diese Gefahr entschärft. Die Strafbarkeit tritt demnach erst dann ein, wenn sich die staatsfeindliche Ausrichtung auch in einer ernstzunehmenden Ausführungshandlung eindeutig manifestiert.

"Wir haben uns sehr bemüht, in diesem Tatbestand das abzubilden, was diese Gruppen in der Charakteristik des Verfassungsschutzes ausmacht", meinte Christian Pilnacek, Leiter der Strafrechtssektion im Justizministerium. "Ich glaube nicht, dass wir es allzu sehr an Bestimmtheit mangeln lassen", meinte er zur Kritik an der Bestimmung. Aufgrund der strengen Tatbestandsvoraussetzungen mache sich etwa eine Gruppe, die gegen die Gatterjagd vorgehe, nicht als staatsfeindliche Bewegung strafbar.

Auch sei es notwendig, ein "Zeichen für Organe unserer Exekutive zu setzen". Deren Zorn habe er selbst bei einem seiner Vorträge miterlebt, erzählte Pilnacek. "Unser Staat tut für uns gar nichts. Wir stehen an der Front, müssen uns alles von solchen Menschen bieten lassen und haben keine Einschreitungsbefugnis", habe er zu hören bekommen. "Das war schon auch eine der Triebfedern, sich diesem ganzen Problem zu widmen." Pilnacek ließ anklingen, dass es insbesondere Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) war, der auf der Schaffung eines neuen Tatbestandes beharrte.

Neben den "staatsfeindlichen Bewegungen" plant der Gesetzgeber mit der Strafgesetznovelle 2017 auch weitere Änderungen. Künftig sollen tätliche Angriffe auf Kontrolleure und Lenker von Massenbeförderungsmitteln mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden können. Ob alle Änderungen im Justizausschuss auf Zustimmung stoßen, bleibt abzuwarten. Wird sich der Ausschuss einig, muss der Nationalrat die Änderung noch als Gesetz beschließen.