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Studienplatzfinanzierung gescheitert

Von Eva Stanzl

Politik

Zwölf Jahre lang wurden sie diskutiert, nun kommen sie nicht: Das Uni-Budget wird ohne Zugangsregelungen erhöht.


Wien. Die Vorarbeiten waren im Großen und Ganzen gemacht, und offiziell waren auch alle dafür. Doch der Beschluss spießte sich an den Details, die die einen als gelöst und die anderen als offen bezeichneten. Die Rede ist von der Studienplatzfinanzierung. Die Idee wurde erstmals im Jahr 2005 aufs Tapet gebracht, später von mehreren Gremien abgesegnet und schließlich im Regierungsprogramm verankert. Doch am Mittwoch war die Studienplatzfinanzierung Geschichte - und führte zum Koalitionsbruch.

SPÖ-Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl kündigte am Mittwochnachmittag bei der Nationalratssitzung an, ihre Fraktion werde einem Antrag der Grünen zur Uni-Finanzierung zustimmen, und zwar gegen den Noch-Koalitionspartner ÖVP. Der Antrag beruhte auf einem Vorschlag der Sozialdemokraten, für den keine Einigung mit der Volkspartei erzielt werden konnte. "Wenn die ÖVP zu keiner gemeinsamen Lösung mit der SPÖ bereit ist, können sich auch andere Mehrheiten im Parlament finden", meinte dazu die grüne Wissenschaftssprecherin Sigrid Maurer.

"38 Prozent mehr Studentenals im Jahr 2008"

Zum Hintergrund: Zwar wurde das Gesamtbudget der Universitäten seit dem Jahr 2008 um 16,5 Prozent erhöht und liegt für die aktuelle Leistungsvereinbarungsperiode 2016 bis 2018 mit 9,7 Milliarden Euro auf einem Höchststand. Jedoch ist im selben Zeitraum die Zahl der Studierenden derart gestiegen, dass weder die Betreuungsrelationen noch das Verhältnis von Forschung und Lehre maßgeblich verbessert werden konnten. "An den öffentlichen Unis studieren derzeit gegenüber 2008 um 38 Prozent junge Menschen mehr, wobei 60 Prozent der Studienanfänger die 20 meistnachgefragten Studienrichtungen inskribieren", erläutert Vera Pürerfellner, Sprecherin im Wissenschaftsministerium. In 47 Prozent oder fast der Hälfte aller belegten Studienrichtungen ist die Zahl der prüfungsaktiven Studierenden unterdurchschnittlich.

Gleichzeitig steht Österreichs Unis im Vergleich zum wissenschaftlichen Europameister Schweiz bei dreimal so vielen Hörern nur ein Drittel des Budgets zur Verfügung. Immer mehr Vertreter der Universitäten traten daher für eine kapazitätsorientierte Studienplatzfinanzierung ein.

Der im Mai zurückgetretene Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) stellte den Unis ein Plus von 1,35 Milliarden Euro in Aussicht, jedoch unter der Bedingung, dass davon 510 Millionen für die Umstellung auf die für Umstrukturierungen im Rahmen der Studienplatzfinanzierung aufgewendet würden. Das Ziel: die Betreuungsverhältnisse zu verbessern und die Zahl der prüfungsaktiven Studierenden zu erhöhen. Eine Umsetzung des Pakets war für die Leistungsvereinbarungen 2019 bis 2021 geplant, die laut Universitätsgesetz bis Ende des Jahres zwischen Wissenschafts- und Finanzminister fixiert sein müssten. Ab dann sollte das Finanzierungssystem in Richtung Studienplatzfinanzierung umgestellt werden, was eine Ausweitung der Zugangsbeschränkungen mit sich gebracht hätte.

"Universitäten brauchen dringendst mehr Geld"

Zu dieser Umstellung bekannte sich auch Kanzler Christian Kern. Im Nationalrat hat die SPÖ jedoch nun gemeinsam mit FPÖ, Grünen und Neos für die Anhebung des Uni-Budgets gestimmt, die damit mehrheitlich angenommen wurde. Konkret ist geplant, den Universitäten für 2019 bis 2021 das Plus von 1,35 Milliarden Euro zu gewähren - aber ohne die Studienplatzfinanzierung.

"Wenigstens bekommen die Unis mehr Geld, sie brauchen es dringendst. Aber sie benötigen regulative Rahmenbedingungen für ein vernünftiges Zugangsmanagement", sagte dazu Hannes Androsch, Präsident des Forschungsrats, in einer ersten Reaktion.

"Die Uni-Finanzierung inklusive Studienplatzfinanzierung sollte heuer fertig werden. Das war so mit Mitterlehner vereinbart", sagte dazu Kanzler Kern am Mittwochabend bei einer Oberbank-Veranstaltung. "Ohne den Beschluss im Nationalrat hätten die Universitäten ernsthafte Finanzierungsprobleme bekommen." Kern kritisierte bei der Veranstaltung auch, dass zwar im Spätherbst 2016 versprochen und vereinbart worden war, in den Fachhochschulen 5000 zusätzliche Studienplätze in den sogenannten Mint-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) einzurichten, zuständig dafür sei das Wissenschaftsministerium - bis heute, so Kern, gebe es jedoch keinen einzigen dieser Plätze.

Für die Universitätenkonferenz (Uniko) ist der Beschluss des Uni-Budgets für 2019 bis 2021 im Nationalrat "selbstverständlich ein Anlass für großen Jubel". "Wir sind dem Nationalrat dankbar, dass es in dieser unvorhersehbaren Weise, auf rot-grüne Initiative hin, zum Finanzierungsbeschluss gekommen ist", so Uniko-Präsident Oliver Vitouch. Ein "Wermutstropfen" sei allerdings, dass "die Ausgestaltung der Studienplatzfinanzierung nun mit einiger Diffusität verbunden ist". Man habe sich "um die heiße Kartoffel Zugangsregelungen gedrückt".

"Drehen an einem Rädchen verschiebt Millionenbeträge"

Im Vorfeld hatten Uni-Vertreter an die Politik appelliert, die Studienplatzfinanzierung noch vor der am 13. Juli beginnenden Sommerpause im Gesetz zu verankern, damit sie unter einer neuen Regierung nicht bei den Akten lande. "Es war nicht im Plan, dass wir unter Zeitdruck kommen. Von der Komplexität her muss man sich die Studienplatzfinanzierung wie eine Steuer-Strukturreform vorstellen", sagte Kunzl zur "Wiener Zeitung". Und weiter: "Wenn man einem Rädchen dreht, verschieben sich zwischen einzelnen Unis Millionenbeträge."

In einem Initiativantrag hatte die SPÖ dem Koalitionspartner wohl aus diesem Grund vorgeschlagen, zunächst nur den finanziellen Mehrbedarf in der zugesagten Höhe zu beschließen und die genannten Details zur Kapazitätsorientierung der Unis im Herbst auszuarbeiten - die ÖVP wollte dem aber nicht zustimmen. Nun zeigte sie sich empört. Er sei erschüttert, meinte ÖVP-Wissenschaftssprecher Karlheinz Töchterle. Die SPÖ wolle nicht den Unis helfen, sondern ihre Ideologie bedienen. Es sei zu befürchten, dass über freie Mehrheiten kurz vor der Wahl "Geld hinausgeschmissen wird, das wir nicht haben".