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Der Hausarzt stirbt aus

Von Brigitte Pechar

Politik

Ärztekammer warnt: Nur zwei Prozent der Medizinstudenten wollen Allgemeinmediziner werden.


Wien. "Es war eine gute Entscheidung. Ich bereue das nicht", sagt Larissa Trybus zur "Wiener Zeitung". Die Allgemeinmedizinerin hat im Oktober 2016 eine Arztpraxis in Langenlois übernommen. Zuvor war sie neun Jahre lang in Krankenhäusern angestellt. "Im Spital war alles anonymer, eine Patientenbindung war fast nicht vorhanden. Das ist in der eigenen Praxis viel sympathischer, weil man die Leute kennt", sagt Trybus. Aber. Das Aber bezieht sich auf den großen bürokratischen Aufwand und die geringe Bezahlung. Sie bekommt zum Beispiel 8,50 Euro pro Patient - egal, ob sie sich fünf Minuten oder eine halbe Stunde für ihn Zeit nimmt.

Langenlois sei mit Ärzten gut versorgt, aber sie wisse, dass zwei Kassenstellen in Krems lange unbesetzt waren, jetzt sei eine vergeben worden, sagt die Hausärztin. Trybus rät dazu, die Bürokratie zu entstauben und die Bezahlung attraktiver zu machen. Denn das derzeitige Verrechnungssystem sei definitiv überholt.

Kassenstellen am Land sind schwierig zu besetzen

Es wird immer schwieriger, offene Hausarztkassenstellen nachzubesetzen - derzeit sind österreichweit 64 Stellen unbesetzt. Das ist bei rund 3800 Kassenverträgen mit Allgemeinmedizinern an sich noch nicht besorgniserregend. Das Besorgniserregende ist, dass die Stellen immer länger unbesetzt sind und mehrmals ausgeschrieben werden müssen.

"Der Beruf des Allgemeinmediziners steht vor einer problematischen Situation. Wenn wir nicht gegensteuern, wird die Allgemeinmedizin zu einem bedrohten Fach und bald nicht mehr vorhanden sein", warnte Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) am Donnerstag in einer Pressekonferenz. Und er fügte hinzu: "Das ist kein Alarmismus." Dafür gebe es nun auch Belege. Die Ärztekammer wartete mit der größten bisher gemachten Umfrage unter Jungmedizinern auf: Zwischen Oktober 2016 und März 2017 wurden 34.552 Fragebögen an alle österreichischen Medizinstudenten und Turnusärzte in Spitalsausbildung geschickt. 4742 wurden beantwortet (13,7 Prozent).

Alarmierendes Ergebnis: Nur zwei Prozent der Medizinstudenten und 16 Prozent der Turnusärzte sind sich sicher, Hausarzt werden zu wollen. In Deutschland wollen immerhin fünf Prozent der Medizinstudenten Allgemeinmediziner werden. Das liegt auch daran, dass in Deutschland seit einigen Jahren Programme für den Hausarzt gefahren werden, weil dort die Situation ebenfalls bereits dramatisch war.

Stephanie Poggenburg, Allgemeinmedizinerin und am Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung der Medizinuni Graz tätig, zeichnet für die Studie verantwortlich. Ein Fazit daraus sei: Die zwei beziehungsweise 16 Prozent der Jungmediziner, die Hausarzt werden wollen, seien sicher zu wenige, um den Bedarf in einer alternden Gesellschaft zu decken.

Jährlich schließen rund 1200 Mediziner ihr Studium ab, zwischen 800 und 900 werden mit der Ärzteausbildung fertig - wie viele davon Allgemeinmediziner sind, sei statistisch nicht erfassbar. Um die Zahl der Hausärzte halten zu können, bräuchte es jährlich einen Zugang von 400 Allgemeinmedizinern, aber den gibt es nicht. Stattdessen ist in den kommenden zehn Jahren ein Abgang von 60 Prozent der Hausärzte in die Pension zu erwarten.

Zurück zur Studie: Für den Hausärzteberuf spreche die persönliche und langjährige Arzt-Patienten-Beziehung, die Bandbreite der Behandlung "banaler" gesundheitlicher Probleme wie auch das Eingreifen bei Notfällen. Auch die berufliche Selbständigkeit sieht die überwiegende Mehrheit als Vorteil an. Das Berufsleben als Kassenarzt hat laut der Befragung aber auch Nachteile: Die Jungmediziner erwarteten sich zu einem hohen Prozentsatz zu wenig Zeit für den Patienten, zu viele Vorgaben durch die Krankenkassen. Das Einkommen des Hausarztes im Vergleich zu Fachärzten wird als zu gering eingeschätzt.

ÖÄK: Lehrpraxen müssen öffentlich bezahlt werden

Mit ein großes Problem für die Ärztekammer ist nach wie vor die Ausbildung. Zwar ist nun eine Lehrpraxis für angehende Allgemeinmediziner Pflicht - aber nur ein halbes Jahr, und das kann auch in einer Spitalsambulanz geleistet werden. Das sei nicht Sinn und Zweck, erklärte Karlheinz Kornhäusl, Obmann der Allgemeinmediziner in der ÖÄK. Denn da bekomme man eben nicht mit, wie es in einer Arztpraxis tatsächlich ablaufe. Außerdem verlangt die Ärztekammer eine komplette Abgeltung dieser Kosten. Jetzt zahlen die Länder die Sozialversicherung je 30 Prozent und 10 Prozent der Bund. Das bedeutet, dass 30 Prozent der Kosten bei den Ärzten verbleiben. Aber, so das Argument der Ärztekammer: Ein Facharzt wird im Spital ausgebildet - das zahlt die Allgemeinheit. Für ein Jahr Lehrpraxis würden die Kosten 16 Millionen Euro betragen.