Wien. November 2015: Im Hotel Corvinus auf der Wiener Mariahilferstraße gründet eine illustre Runde an Gästen feierlich den Wiener Freundeskreis der rechtsextremistischen ungarischen Partei Jobbik. Anwesend ist unter anderem István Szávay, Vizepräsident der Jobbik-Partei.

In der Mitte des anlässlich der Gründung von den Anwesenden aufgenommen Fotos steht hinter dem Jobbik-Banner ein hochgewachsener Mann mit gegeltem Haar und sorgsam um den Mund zurechtgestutztem Bart. In dem Text auf der offiziellen Website von Jobbik steht dazu, dass ein gewisser Attila Eggl der Organisator des Jobbik-Freundeskreises in Wien sei. Der in Wiener Neustadt geborene Eggl arbeite als Bodyguard und habe von seiner ungarischen Mutter die Sprache des Nachbarlandes gelernt. Er wolle Kontakte mit den patriotischen Kräften Österreichs etablieren und dafür sorgen, dass die österreichische Bevölkerung korrekte Nachrichten über Ungarn erhalte.

Viel näher allerdings kann der Kontakt von Eggl zu den "patriotischen Kräften Österreichs" kaum sein, wie sich noch zeigen sollte.

Eggls Alias-Identität

Im März 2016 feiert der Wiener Freundeskreis der Jobbik den Jahrestag des Beginns der ungarischen Revolution 1848, so berichtet die rechtsradikale Website "Unser Mitteleuropa". Auch hier ist wieder ein Foto von Attila Eggl zu finden, der dort eine Rede hielt. Bis auf diese zwei Berichte ist Attila Eggl aber ein Gespenst. Er steht nicht im Telefonbuch und ist außerhalb des Jobbik-Kontextes unauffindbar.

Ganz im Gegensatz zu Karl Eggl. Er ist FPÖ-Bezirksrat in Ottakring und laut Lebenslauf im Personenschutz tätig. Noch unklar ist, ob Eggl bei der kommenden Nationalratswahl auf einer FPÖ-Liste kandidieren wird. Karl Eggl sieht Attila Eggl zum Verwechseln ähnlich - und das ist kein Zufall. Gerhard Baumgartner ist wissenschaftlicher Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes und spricht fließend Ungarisch. Als Baumgartner Ende Juli die im Telefonbuch auffindbare Handynummer von Karl Eggl anruft und in feinstem Ungarisch nach Attila Eggl fragt, wird am anderen Ende der Leitung bejaht: Hier spreche Attila Eggl.

Baumgartner sagt, er wolle sich über den Wiener Freundeskreis der Jobbik informieren. Eggl erklärt ausführlich: Baumgartner müsse sich auf der Website der ungarischen Jobbik registrieren und würde dann einen Anruf mit näheren Informationen erhalten. Attila Eggl und Karl Eggl sind also offensichtlich dieselbe Person. Warum aber das Versteckspiel? Die FPÖ pflegte eine Zeit lang enge Kontakte zur ungarischen Jobbik-Partei. Im Jahr 2010 geschah aber der Bruch: Um auf europäischer Ebene mit anderen rechten Parteien kooperieren zu können und schließlich die Fraktion rechtsextremer Parteien im Europäischen Parlament mit zu gründen, musste sich die FPÖ von der noch weiter rechts stehenden Jobbik distanzieren. In einem offenen Brief des Jobbik-Vorsitzenden Gábor Vona an FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache wurde der Bruch schließlich offensichtlich. Kein Wunder also, dass Karl Eggl sein Engagement nicht breittreten will. "Ich würde die Jobbik ganz klar dem Neofaschismus zuordnen", sagt der Rechtsextremismusforscher Andreas Peham. Im Unterschied zum deutsch-nationalen Neonazismus ist für Jobbik das Christentum ein wichtiges Teil ihrer Identität, genauso lässt sich die deutschnationale Tradition und Vorstellungen über "Arier" nicht auf Ungarn übertragen.

Jobbik: in der EU isoliert

Auch wenn die Partei in den vergangenen Jahren versucht hat, sich medial vom Faschismus zu distanzieren, so sind immer noch paramilitärische Strukturen vorhanden, die sie laut Peham klar als faschistisch kennzeichnen. Die Distanzierung ist seiner Meinung nach relativ unglaubwürdig. Daher bleiben auch die rechtsextremen Parteien Europas - zumindest nach außen hin - auf Distanz.

"Keine rechtsextreme Partei - zumindest Westeuropas - will mit Jobbik etwas zu tun haben", sagt Peham, daher sei die Jobbik zusammen mit der deutschen NPD und der griechischen "Goldenen Morgenröte" eine der drei Parteien, die im Europäischen Parlament fraktionslos und relativ isoliert sind. Im Jahr 2010 versuchte die FPÖ im EU-Parlament noch, die Abgeordnete Krisztina Morvai aus der Jobbik "heraus zu reklamieren", wie es Peham ausdrückt, um mit ihr und anderen rechtsextremen Parteien eine gemeinsame Fraktion zu gründen. Dafür benötigt man nämlich Parteien aus sieben Mitgliedsstaaten.

Kontakte im Hintergrund

"Freiheitliche behaupten, dass Morvai - übrigens eine 100-prozentige Antisemitin - gar kein Jobbik-Mitglied sei, obwohl sie außenpolitische Sprecherin, Spitzenkandidatin bei den EU-Wahlen und Teil des Führungskaders der Partei war", erklärt Peham. Insbesondere der Front-National-Vorsitzenden Marine Le Pen war Morvai und ihre Einbindung in eine rechtsradikale EU-Fraktion aber ein Dorn im Auge, womit auch das Ende der Zusammenarbeit zwischen FPÖ und Jobbik offiziell besiegelt war.