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Steuerpläne und Hoffnungen

Von Martina Madner

Politik
© ©3dkombinat - stock.adobe.com/Mike Espenhain

SPÖ, ÖVP, Neos und FPÖ konkretisierten umfangreiche Steuerentlastungspläne. Nicht alle halten einer Überprüfung stand.


Wien. Seit Montag wird Teil eins des Wahlprogramms der Liste Kurz diskutiert, am Freitag legte der ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz unter Schützenhilfe des Finanzministers Hans Jörg Schellings nach. Sie konkretisierten nicht nur, dass die Noch-SPÖ-ÖVP-Regierung auf internationaler Ebene die Besteuerung der digitalen Betriebsstätte vorantreiben will. Kurz betonte auch nochmals, warum die Partei in ihrem Wahlkampf Steuerreformpläne vorlegt: "Wir haben ein massives Interesse, die Steuerlast zu verringern, weil es immer schwieriger wird, sich in diesem Land etwas aufzubauen."

ÖVP-Gegenfinanzierungin Kritik

Tatsächlich ist das ÖVP-Wahlprogramm ambitioniert. Bei Lohn- und Einkommensteuer ist eine Reform der Steuertarifsätze geplant: Die ersten 11.000 Euro bleiben steuerfrei. Ab 11.001 verdienten Euro soll man 20 statt 25 Prozent Steuer bezahlen, ab 18.001 Euro 30 statt 35 Prozent und ab 31.001 Euro 40 statt 42 Prozent - macht drei bis vier Milliarden Euro weniger Steuern.

Darüber hinaus will die ÖVP, dass die kalte Progression ausgeglichen wird. Kostenpunkt: weitere 1,6 Milliarden Euro. Denn das Einkommen steigt zwar mit Lohnerhöhungen, durch die Preissteigerung bleibt der Wert aber annähernd gleich. Trotzdem rutscht man in eine höhere Steuerstufe, der Staat holt sich also laufend einen höheren Anteil der Einkommen. Keine Gebühren mehr fürs erste Eigenheim schlagen sich mit schlanken 200 Millionen Euro jährlich zu Buche.

Mehr, rund zwei Milliarden Euro, soll der ÖVP-Steuerbonus für Kinder kosten. Dieser Punkt wurde bereits heftig kritisiert. So hat zum Beispiel Florian Wakolbinger von der Innsbrucker Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung nachgerechnet und festgestellt, dass "Paare mit Kindern im Durchschnitt mit 108 Euro pro Monat, die typischerweise einkommensschwachen Alleinerziehenden allerdings nur mit 54 Euro pro Monat entlastet werden".

Zur "Wiener Zeitung" sagt er außerdem: "Mit einer Tarifreform erwischt man immer die, die nicht so wenig verdienen." Auch die Finanzierung durch ein Wirtschaftswachstum von vier bis fünf Milliarden Euro hält Wakolbinger für "höchst fragwürdig": "Das ist schlicht unrealistisch, denn das sind deutlich mehr als zehn Prozent des gesamten Einkommensteuer-Aufkommens."

Für Unternehmen will die ÖVP den Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds senken, das kostet drei Milliarden Euro. Und auf nicht entnommene Gewinne sollen diese keine Körperschaftssteuer (KöSt) mehr zahlen müssen. Kostenpunkt: eine weitere Milliarde Euro. In Summe bis zu 12,7 Milliarden Euro.

"Nicht durchdachte"ÖVP-Pläne bei der KöSt

Die Milliarde bei der KöSt wird allerdings bezweifelt: Eine Berechnung der Industriellenvereinigung geht von vier Milliarden Euro, andere Steuerexperten von fünf oder gar sieben aus. Sabine Kirchmayr-Schliesselberger, Finanzrechtlerin an der Universität Wien, will sich an den Spekulationen über die Kosten des ÖVP-KöSt-Vorschlags zwar nicht beteiligen. Aber: "Die Milliarde Euro stimmt auf keinen Fall. Man würde nicht nur bei der KöSt, sondern auch bei der Kapitalerstragssteuer und bei der Einkommensteuer Einnahmen verlieren."

Auf Kapitalerträge aus Dividenden bezahlt man heute eine 27,5-prozentige Steuer. Parkt der Besitzer seine Aktien und Fonds aber in einer Kapitalgesellschaft, blieben die Erträge nach ÖVP-Plan steuerfrei. Dasselbe wäre auch für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung denkbar. Diese sind einkommensteuerpflichtig und je nach sonstigem zu besteuernden Einkommen mit bis zu 55 Prozent besteuert. Auch das Zinshaus könnte man in eine Kapitalgesellschaft transferieren.

"Da könnten große Umwälzungen stattfinden. Das ist nicht durchdacht", sagt Kirchmayr. "Die Mitnahmeeffekte sind also enorm, bevor noch eine einzige Firma aus dem Ausland hier investiert." Und: "Mit null Prozent KöSt-Besteuerung wäre Österreich schon eine kleine Steueroase."

Kurz dagegen sagte am Rande der Pressekonferenz zur Kritik an den ÖVP-Plänen nur: "Wir haben ein Ausgaben- und kein Einnahmenproblem." Und der Finanzminister sagt zur Gegenfinanzierung: "Ja, es ist realistisch, die Abgabenquote zu senken und zugleich die Staatsausgaben zu senken. Nicht an einem Tag, aber in der Legislaturperiode schon."

Die Körperschaftssteuer ist im Übrigen auch im Wahlprogramm der FPÖ ein Thema. Sie will nur die Halbierung des Steuersatzes von 25 Prozent auf 12,5 Prozent. Das minimiert folglich auch die Verschiebungseffekte.

FPÖ-Berechnungennicht nachvollziehbar

Insgesamt hat die FPÖ zwar mit zwölf Milliarden Euro an Steuerentlastung und einer Gegenfinanzierung von 13,2 Milliarden Euro Großes vor. Die Pläne nachzurechnen ist aber für Steuerexperten schwierig, da die FPÖ bei den konkreten Maßnahmen sehr vage bleibt. Manches zeigt sich aber doch: So sollen "Optimierungen der Sozialausgaben auf 40 Prozent" 3,8 Milliarden Euro zur Gegenfinanzierung beitragen. Für die soziale Sicherung hat der Staat im Vorjahr 42,7 Prozent von insgesamt 178 Milliarden Euro ausgegeben. 2,7 Prozent entspricht demnach 4,8 und nicht 3,8 Milliarden Euro. Außerdem wäre es schon bei dem geringeren Betrag fraglich, ob die Wähler Einsparungen nicht spüren. Schließlich geht es hier um Pensionen, Arbeitslosengeld, Mindestsicherung, Familienleistungen und anderes mehr.

Aber auch die Kosten der Steuerentlastung könnten deutlich höher sein, als die FPÖ angibt. Beispiel Familiensplitting: Frühere Berechnungen nach dem Vorbild Deutschlands zeigen, dass es in Österreich nicht die von der FPÖ geplante Milliarde Euro, sondern vier kosten könnte. Dabei wird in Deutschland nur das Partnereinkommen zusammengerechnet und dann jeweils die Hälfte besteuert. Die FPÖ will darüber hinaus auch Kinder einbeziehen. Kirchmayr stellt fest: "Bei einem Jahreseinkommen von 60.000 Euro wären bei einer Familie mit einem Kind demnach nicht 11.000, sondern 33.000 Euro steuerfrei. Das könnte wirklich sehr teuer kommen."

Das Modell entlastet übrigens jene Familien mit großen Einkommensunterschieden am meisten. Es ist also ein Anreiz für jene, die heute wenig verdienen, künftig gar nicht zu arbeiten. WU-Volkswirt Stefan Humer weist deshalb darauf hin, dass dadurch auch die Sozialversicherungen weniger Einnahmen haben könnten.

Pikant übrigens: Im Programm steht, dass eine "moderne Steuerpolitik", so wie sie die FPÖ versteht, "stärker auf indirekte Steuern setzt" - die Wähler könnten sich ihre Entlastung also möglicherweise an anderer Stelle selbst finanzieren müssen.

Die Neos wollen19 Milliarden Euro bewegen

Die Steuerreform der Neos wiederum sieht eine Entlastung des Faktors Arbeit von 6,6 Milliarden Euro vor. Anstelle der Kommunalsteuer, die Gemeinden drei Milliarden Euro bringt, und einer Milliarde der Wohnbauförderung sollen Länder und Gemeinden künftig selbst Steuern einheben. Der Wille dazu hielt sich in allen Bundesländern in der Vergangenheit bekanntermaßen in Grenzen.

Mit sogenannten "Zukunftsinvestitionen" unter anderem in Bildung kommen die Neos auf 19 Milliarden Euro in ihrer Reform, die es gegenzufinanzieren gilt. Fünf Milliarden Euro will die Partei alleine bei der Gesundheitsverwaltung durch "mehr Effizienz und Kooperation" einsparen. Da die Staatsausgaben für das gesamte Gesundheitswesen 2016 bei 28 Milliarden Euro lagen, hält Humer das Ziel, "fast ein Fünftel bei der Gesundheitsverwaltung einzusparen, für "sehr ambitioniert".

Auch die SPÖ greifttief in die Tasche

Für ambitioniert hält Kirchmayr auch manche Steuerpläne der SPÖ, und zwar, dass die ersten 1500 Euro steuerfrei bleiben sollen. "Das ist, als ob ich die Steuerfreigrenze von derzeit 11.000 für alle auf 18.000 Euro anhebe." Drei Milliarden Euro kostet das laut Plan A. Kirchmayr bezweifelt, dass sich das ausgeht. Dazu will man die kalte Progression bei den Steuerstufen ausschalten, im Unterschied zu ÖVP und FPÖ aber dabei die niedrigeren Einkommen gegenüber höheren bevorzugen. Wie genau, ist im Plan A aber noch nicht erklärt.

Auch für Unternehmer plant die SPÖ eine Entlastung: wie die ÖVP beim Dienstgeberbeitrag für den Familienlastenausgleichsfonds. Insgesamt beziffert die SPÖ die Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Entlastung bei den Löhnen mit 5,3 Milliarden Euro.

Gegenfinanzieren wollen die Sozialdemokraten die Steuerpläne mit einer Wertschöpfungsabgabe. Das heißt, die Unternehmer zahlen sich die Entlastung beim Familienlastenausgleichsfonds weitgehend selbst. Bis zu einer Milliarde soll aus Verschärfungen bei den Konzernsteuerregeln kommen. Dazu plant die SPÖ Einsparungen bei Verwaltung und Förderungen von zwei Milliarden Euro. Wo genau, erzählt der Plan A aber kaum. Im Kapitel "Bürokratie entrümpeln" werden Einsparungsziele nicht genauer beziffert. Die 500 Millionen Euro aus einer Erbschaftssteuer reserviert die SPÖ für die Finanzierung der Pflege.

Eine Erbschaftssteuer planen auch die Grünen, dazu Ökosteuern und eine Entlastung beim Faktor Arbeit. Mit konkreten Zahlen warten die Grünen in ihrem Programm allerdings nicht auf. Aus dem Grünen Klub heißt es nur, die Reform sei "aufkommensneutral" angelegt, die Milliardenversprechen der anderen Parteien seien "unseriös". So kann man sich natürlich auch möglicher Expertenkritik entziehen.