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Höchstgericht könnte Ehe für alle öffnen

Von Petra Tempfer

Politik

Der Verfassungsgerichtshof prüft die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare.


Wien. Seit 32 Jahren kämpfe er für die Gleichstellung homo- und heterosexueller Paare, sagt Anwalt Helmut Graupner zur "Wiener Zeitung". Nun könnte die Ehe trotz Widerstands von ÖVP und FPÖ für alle Paare geöffnet werden - und zwar auf Basis eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs (VfGH).

Konkret geht es um eine Beschwerde zweier, von Graupner vertretenen Frauen, die in eingetragener Partnerschaft leben und die Zulassung zur Begründung einer Ehe beantragt haben. Derzeit ist es so, dass das österreichische Rechtssystem für homosexuelle Paare die eingetragene Partnerschaft und für heterosexuelle Paare die Ehe vorsieht. Es bestehen somit unterschiedliche Rechtsinstitute zur rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts.

Nun könnte sich das ändern. Denn nachdem das Magistrat der Stadt Wien und in Folge das Verwaltungsgericht Wien den Antrag der zwei eingangs erwähnten Frauen abgelehnt hatten, haben sich diese an den VfGH gewandt. Das Höchstgericht prüft nun die Wortfolge "verschiedenen Geschlechts" in § 44 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches ("Begriff der Ehe") sowie das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz (EPG) zur Gänze.

Stellungnahme der Regierung

In seinem Prüfungsbeschluss stellt der VfGH dar, wie sich die Rechtslage seit der Schaffung des EPG entwickelt und zur weitgehenden Angleichung von Ehe und eingetragener Partnerschaft geführt hat. Dennoch bestehen unterschiedliche Rechtsinstitute "für sonst in ihrem Wesen und ihrer Bedeutung für den individuellen Menschen grundsätzlich gleiche Beziehungen". Doch selbst bei einer völlig gleichen Ausgestaltung dürfte die Beibehaltung verschiedener Bezeichnungen "zum Ausdruck bringen, dass Personen mit gleichgeschlechtlicher sexueller Orientierung unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes eben nicht gleich den Personen mit verschiedengeschlechtlicher Orientierung sind".

Der VfGH wird nun ein Gesetzesprüfungsverfahren einleiten, um zu klären, ob die im Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken zutreffend sind. In diesem Verfahren werden schriftliche Stellungnahmen unter anderem von der Bundesregierung eingeholt. Eine Entscheidung sei in einer der nächsten Sessionen des VfGH zu erwarten.

Die nächste findet Graupner zufolge im Dezember statt, die "Ehe für alle" könnte somit frühestens mit 1. Jänner 2018 kommen - und zwar ohne Parlamentsbeschluss, sondern mittels Aufhebung des EPG und des Passus "verschiedenen Geschlechts" in §44 des ABGB. Dies könnte dann nur noch mittels Verfassungsmehrheit ausgehebelt werden.

In der Vergangenheit hat der VfGH bereits in zwei ähnlichen Fällen (2004 und 2014) dahingehend entschieden, dass es zwei verschiedene Formen der Partnerschaft geben darf. Dass die Ehe nur Personen verschiedenen Geschlechts offensteht, sei keine unzulässige Diskriminierung, hieß es damals - nur die Ehe sei auf die Möglichkeit der Elternschaft ausgerichtet.

"Der letzte Schritt"

Graupner allerdings zuversichtlich, dass der VfGH diesmal in seinem Sinne entscheiden wird. Denn die Öffnung der Ehe sei nur noch der letzte Schritt hin zu einer Gleichstellung in Österreich. Genaugenommen sei es der erste Schritt, der nun endlich nach dem zweiten, dritten und vierten Schritt gemacht werden müsse: 2010 kam die eingetragene Partnerschaft, seit 2015 haben auch lesbische Paare nach einem Urteil des VfGH das Recht auf Samenspenden, und 2016 fiel das Adoptionsverbot für Homosexuelle. Dass die Kinder homosexueller Paare noch immer als unehelich gelten, würde sich mit der "Ehe für alle" ebenfalls ändern.

Österreich ist laut Graupner neben der Schweiz und Liechtenstein eines der letzten Länder der westlichen Welt, in denen es ein Eheverbot für Gleichgeschlechtliche gibt. In Deutschland ist dieses mit 1. Oktober gefallen. Dass Homosexuelle grundsätzlich die gleichen Rechte haben wie Heterosexuelle, Erstere aber keine Ehe schließen dürfen, gebe es weltweit eigentlich nirgendwo, sagt der Anwalt.

Von den politischen Parteien freuten sich die SPÖ, Neos und die Grünen über die VfGH-Prüfung. Laut dem stellvertretenden Neos-Klubobmann Nikolaus Scherak wäre es jedoch "bedeutend besser, wenn das Parlament endlich selbst die Ehe öffnet und sich nicht weiter drückt". ÖVP und FPÖ lehnen die "Ehe für alle" ab.