Wien. (ede) Die Software von Smartphones wird laufend aktualisiert. Auch dem österreichischen Schulsystem gehört dringend ein Update verpasst, fordern die Proponenten der von der Industriellenvereinigung (IV) im Jahr 2014 gestarteten Bildungsinitiative "Neustart Schule". "Wir doktern seit Jahrzehnten am Bildungssystem herum", kritisierte IV-Präsident Georg Kapsch am Mittwoch. An die künftige Regierung richtete er den Appell, Parteipolitik aus der Schule herauszulassen und ein gemeinsames Ziel für mehr Qualität in der Grundbildung zu formulieren. Kapsch: "Definieren wir doch endlich, was Jugendliche können sollen."

Das Problem ist bekannt: Rund 20 Prozent der Jugendlichen in Österreich können nach der Pflichtschule nicht ausreichend gut lesen und schreiben. Vor allem Schüler mit wenig gebildeten Eltern und mit Migrationshintergrund schneiden bei Bildungsstandardtests schlecht ab.

Mit "Reförmchen" schaffe man keine Chancengleichheit für Jugendliche aus bildungsfernen Schichten, so Hannes Androsch, Initiator des Bildungsvolksbegehrens von 2011. Die verschränkte Ganztagsschule müsse rasch ausgebaut werden. Androsch verweist auf Deutschland, wo beklagt werde, dass es nur für rund 40 Prozent der Schüler Ganztagsschulplätze gebe. Den meisten österreichischen Schulen steht die Umwandlung von Halb- zu Ganztagsschulen noch bevor: Nur rund 22 Prozent der Pflichtschüler sind in ganztägigen Schulformen. Diese Quote soll bis 2025 auf 40 Prozent angehoben werden. Die Umstellung von Nachmittagsbetreuung auf die verschränkte Form der Ganztagsschule, wo sich Unterrichts-, Lern- und Freizeitphasen über den Tag verteilt abwechseln, soll dabei besonders gefördert werden.

Gute Elementarbildung
als Basis

Gute Elementarbildung sei die Basis für einen erfolgreichen Übertritt in die Schule, für die frühe Förderung von Begabungen und faire Bildungschancen, sagt Heidi Schrodt, Vorsitzende der überparteilichen Initiative "Bildung Grenzenlos". Die ehemalige AHS-Direktorin fordert: "Die Elementarbildung gehört in die Kompetenz des Bildungsministeriums." Derzeit sind Kinderkrippen und Kindergärten Sache der Länder und nicht des Bundes. "Wir sind eine Migrationsgesellschaft, haben uns aber darauf noch nicht eingestellt", spricht sie ein weiteres Arbeitsfeld an. In den Kindergärten sollte es speziell ausgebildete Pädagoginnen für die frühkindliche Sprachförderung geben. Die Lehrer bräuchten zudem mehr Unterstützungspersonal wie Psychologen oder Sozialarbeiter, ergänzt Elisabeth Anselm vom Hilfswerk Österreich.

Martina Piok von der LehrerInneninitiative COOL plädiert für fächerübergreifenden Unterricht und mehr Teamarbeit an den Schulen. Die Schüler sollten eigenständig und kooperativ an der Erreichung von Lernzielen arbeiten, die Lehrer sollten sich nicht nur als Einzelkämpfer sehen.

Die Geschäftsführerin des Charlotte Bühler Instituts, Gabriele Bäck, fordert den Ausbau der Lehrstühle für Elementarpädagogik an den Hochschulen. Derzeit erfolgt die Ausbildung großteils an den Bildungsanstalten für Elementarpädagogik, die mit der Reifeprüfung und der Diplomprüfung in Elementarpädagogik abschließen. In der OECD ist neben Österreich nur in der Slowakei eine nicht-tertiäre Ausbildung üblich.

"20 Jahre sinnlose Diskussionen"

Auch Voestalpine-Generaldirektor Wolfgang Eder meldete sich zum Thema Bildungsreform zu Wort. Er hofft, dass "nach 20 Jahren und Diskussionen völlig sinnloser Art" rasch Gespräche aufgenommen werden. Man merke es auch in der Lehrlingsausbildung, dass die Wissensqualität junger Menschen zurückzufallen beginnt. "Das können wir uns nicht leisten", betonte Eder.