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Grüne Geschichten

Von Martina Madner

Politik

31 Jahre Grüne im Parlament haben neue Themen, Aktionismus und mehr Kontrolle ins Hohe Haus gebracht.


Wien. "Wollt Ihr keinen Super-GAU, wählet Freda Meissner-Blau." Eigentlich war es ein Slogan, den die Grünen bei den Demos gegen die deutsche Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf geboren hatten. Eigentlich, denn im Zuge des Bundespräsidentenwahlkampfes kam es zur Katastrophe. Am 26. April 1986 passierte das für etablierte Parteipolitik Undenkbare: der größte anzunehmende Unfall im Atomkraftwerk Tschernobyl. Ein Ereignis, das den Österreichern drastisch vor Augen führte, dass die Grünen durchaus Sinn für Realität hatten.

Riecher für Themen

Nicht missverstehen: Es war nicht nur das Tschernobyl-Unglück, das die Grünen ins Parlament führte. Es waren das populistische Zuspitzen auf ein Thema und der Aktionismus, der die Grünen von der Mitte der umweltbewegten Basis heraus, mit der sie durch die Au in Hainburg gestiefelt waren, zu einer glaubwürdigen Alternative machte. Es war die Nähe zu Bürgern und auch Bürgerinnen, deren Ängste und Sorgen auch die ihren waren. Es war die politische Weitsicht für Themen, die als zukunftsträchtige anstanden, von anderen vernachlässigt worden waren. All das machte die Grünen zu einer wählbaren Partei für weit größere Kreise. Freda Meissner-Blau erzielte 1986 nicht nur einen Achtungserfolg bei der Bundespräsidentschaftswahl. Im November zog die "Grün Alternative Liste" mit 4,6 Prozent bzw. 234.028 der Stimmen im Rücken und acht Mandataren ins Parlament ein.

31 Jahre später ist es nun — vorerst — mit dem grünen Parlamentarismus vorbei. Die Grünen scheitern an der Vier-Prozent-Hürde. Dabei sind die Grünen im Parlament nicht nur als "zusätzlicher Farbtupfer" aufgefallen, was ihnen ÖVP-Politikerin Marga Hubinek in ihrer ersten Nationalratssitzung prophezeite. Sie haben den Parlamentarismus verändert.

Neuer Arbeitseifer

Wobei, in einem hatte Hubinek recht: Es war ein bunter Haufen, der da an diesem 17. Dezember 1986 zur konstituierenden Sitzung in den Nationalrat einzog und der es im Hohen Haus bunt trieb. Freda Meissner-Blau verkörperte mal die Umwelt-, mal die Frauenbewegte. Dann gab es den selbst im Rollstuhl sitzenden Behindertensprecher Manfred Srb, der durch eine für ihn fast zu enge Tür im Parlament geschoben wurde und schon da für die Antidiskriminierung von Behinderten eintrat. Für Antidiskriminierung stand auch Slowenenvertreter Karel Smolle. Staatsanwalt Walter Geyer, Josef Buchner und Herbert Fux vertraten den bürgerlichen Flügel; Andreas Wabl und Peter Pilz die aufmüpfigen Linken.

Schon an ihrem allerersten Tag brachen die Grünen mit den Usancen im Hohen Haus und machten "dem Sprichwort Neue-Besen-kehren-gut alle Ehre", berichtete die APA damals. Noch vor der Angelobung verlangten sie die Einsetzung eines eigenen Umweltausschusses, das wurde zwar abgelehnt. Aber: Es kam ein neuer Drive ins Hohe Haus.

Dieser machte sich auch beim Bezug der Räumlichkeiten bemerkbar: Die Grünen zogen nicht nur mit Sack und Pack, sondern auch 20 Mitarbeitern ein. "Das war im Parlament was Neues, passierte die Arbeit doch in den Kammern und Vorfeldorganisationen, im Parlament hatte die SPÖ damals gerade sechs Leute, die für sie arbeiteten", sagt Wabl.

Grüner Aktionismus

Die Grünen führten aber auch das Dauerreden als Mittel im Parlament ein, um auf Themen aufmerksam zu machen. Der erste war Walter Geyer, später hielt Madeleine Petrovic mit einer Marathonrede zum Thema Tropenholz von zehn Stunden und 35 Minuten lange den Rekord. Der wurde schließlich von Werner Kogler im Budget-Ausschuss im Dezember 2010 mit 12 Stunden 42 Minuten gebrochen, weil die Regierung die Budgetverhandlungen wegen Landtagswahlen verschoben hatten. Er startete übrigens mit: "Am Anfang war der Verfassungsbruch..." Und endete mit: "Das war eigentlich schon alles, was ich gesagt haben wollte."

Aber auch Mittel der Straße, wie Taferl, Spruchbänder, Ballons, T-Shirts und anderes mehr zogen ins Parlament ein für die Umwelt, gegen Draken-Abfangjäger, für mehr Pflegegeld oder für Gleichstellung Schwuler und Lesben, gegen Verschärfungen von Asylgesetzen und anderes mehr. Da war zum Beispiel Wabl, der nicht nur das mangelnde Verantwortungsbewusstsein des damaligen Bundespräsident Kurt Waldheim für Kriegsverbrechen von Österreichern anprangerte. Wabl untermauerte seine Rede mit dem Ausrollen Hakenkreuz-Fahne, "aus dem ORF-Fundus". Da war auch Christine Heindl, die 1990 für Aufregung im Parlament sorgte, als sie ihr Baby im Parlament stillte: Sie habe damit nicht "den Mut zum Stillen, sondern dazu, trotz eines Kindes ins Parlament zu gehen" bewiesen, sagte sie.

Und die Grünen beobachteten FPÖ-Abgeordnete mit Kinderfeldstechern im Zuge der "Spitzelaffäre". Polizeigewerkschafter haben der FPÖ damals Abgeordneten in kriminalpolizeiliche Akten Einsicht gewährt.

Grüne Kontrolle der Macht

Zugegeben, mit Peter Pilz bleibt ein Ex-Grüner Aufdecker im Parlament. Mit Gabriele Moser, Karl Öllinger und Werner Kogler scheiden aber andere aus. Wabl und Geyer haben den Grundstein für das Image der "Sauberpartei ohne Korruption" gelegt: "Wenn wir das nicht gemacht hätten, wäre vieles davon nie ans Tageslicht gekommen", sagt Pilz. Mit Lucona, Norikum, dem Wiener Baukartell, Buwog, Telekom, Novomatic, Hypo und natürlich dem Eurofighter-Kauf haben die Grünen eine lange, hier unvollständige Liste an von ihnen aufgedeckten Skandalen und Affären vorzuweisen.

Auf Initiative der Partei können U-Ausschüsse heute auch von einem Drittel der Parlamentarier beantragt werden. Auch im Rechnungshof-Ausschuss hatte die Partei mit Wabl, Kogler und Moser drei Jahrzehnte lang die Leitung inne. Die grüne Kontrolle wird im Parlament fehlen.