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Die Sozialpartnerschaft steht für Ausgleichspolitik

Von Rosa Eder-Kornfeld und Martina Madner

Politik
Möglicher Nachfolger von Wirtschaftskammer-Chef Leitl (r.) könnte Noch-Wirtschaftsminister Harald Mahrer (l.) werden.
© bmwfw/Steiger

Die FPÖ bleibt dabei, die Pflichtmitgliedschaft in den Kammern beenden zu wollen, und hat dabei in den Neos einen Partner.


Wien. Offiziell steht Christoph Leitl bis 2020 an der Spitze von Wirtschaftsbund und Wirtschaftskammer. Am Donnerstag bestätigte er aber erste Sondierungsgespräche bezüglich seiner Nachfolge. Auf einen konkreten Zeitplan über eine Verkürzung der Funktionsperiode, worüber es seit Monaten Gerüchte gibt, wollte er sich jedoch nicht festlegen.

Unterdessen geht die Diskussion über die Zukunft der Sozialpartnerschaft weiter. Wie berichtet, drängt die FPÖ darauf, die Pflichtmitgliedschaft in den Kammern zu beenden. Auch die Neos fordern ein Ende des "Kammerzwangs", wie Matthias Strolz erst am Donnerstag wieder betonte.

Dazu wäre eine Verfassungsänderung, also eine Zweidrittelmehrheit im Parlament, notwendig. Denn in Artikel 120a der Bundesverfassung zur Selbstverwaltung sind eine Bestandsgarantie für Kammern und die Pflichtmitgliedschaft verankert — nicht nur für Wirtschafts-, Arbeiter- und Landwirtschaftskammer, sondern auch alle anderen wie etwa Ärzte- und Rechtsanwaltskammer. Außerdem ist die "besondere Rolle der Sozialpartner" in der Verfassung festgehalten.

Weniger Geld hättegravierende Auswirkungen

Ein Beschneiden der Sozialpartnerschaft und weniger Geld für die Institutionen könnte laut Politikwissenschafter Emmerich Tálos "gravierende Auswirkungen haben". Die Institutionen könnten "ihre Aufgabe nicht mehr so erfüllen, wie sie das bisher getan haben". Er nennt zum Beispiel Serviceleistungen wie Rechtsberatung oder auch Weiterbildung. Die Kammern seien aber auch in die Gesetzeswerdung eingebunden: "Die inhaltliche Gestaltung im Sinne der Arbeitnehmer wäre bei Schwarz-Blau eingeschränkt", sagt Tálos. "Der Druck auf die Sozialpolitik steigt."

Geschwächte Institutionen bedeuten aber auch eine Schwächung der Sozialpartnerschaft: Zu dieser zählen nicht nur Wirtschafts- und Arbeiterkammer, sondern auch die Landwirtschaftskammer und der Österreichische Gewerkschaftsbund. "Die Sozialpartner stehen für Ausgleichspolitik. Der soziale Frieden in Österreich schlägt sich in in Sekunden messbaren Streiks nieder", sagt Tálos. Und mit dem Ende der Pflichtmitgliedschaft käme den Gewerkschaften die Wirtschaftskammer als Gegenüber abhanden. "Das wäre eine Schwächung der Arbeitnehmer in Kollektivvertragsverhandlungen." In Österreich arbeiten nur zwei Prozent der Arbeitnehmer ohne Kollektivvertrag. In Deutschland sind es 42 Prozent.

Zusammen über4 Millionen Mitglieder

Alle neun Arbeiterkammern zusammen haben 3,64 Millionen Mitglieder, rund 2,8 Millionen davon bezahlten 2016 rund 432,6 Millionen Euro Mitgliedsbeiträge. Die AK betont aber, dass dem 532 Millionen Euro gegenüber stünden, die sie für ihre Mitglieder erstritten hätte. Die Mitgliederstatistik der WKÖ weist für das vergangene Jahr 506.145 aktive Kammermitglieder aus. Die Arbeitgebervertretung finanziert sich über Umlagen. Zuletzt waren dies rund 670 Millionen Euro.