Zum Hauptinhalt springen

Grün ist die Hoffnung

Von Martina Madner

Politik

Im erweiterten Bundesvorstand fällt der Abschied von der Vergangenheit schwer, die grüne Reise in die Zukunft ist ungewiss.


Wien. Ein langer Vormittag an Analysen, ein Nachmittag an Debatten, wie es weitergehen soll. Im Albert Schweizerhaus dampfte es beinahe wie in einer Turnhalle. Eine Entscheidung wurde in der erweiterten Bundesversammlung der Grünen bestätigt: Werner Kogler ist in Zukunft Bundessprecher. Nach einem neuerlichen Danke an die Grün-Wähler möchte Kogler etwas Ungewöhnliches machen: "Ich möchte mich bei den potenziellen Grünwählern entschuldigen, denen wir es in den vergangenen Monaten an manchen Stellen verunmöglicht haben, uns zu wählen."

Die Wahl sei "ein Rückschlag, ein Tiefschlag, fast ein Niederschlag gewesen", der auf äußere Umstände und interne Fehler zurückzuführen sei. Nun sei es Zeit, wiederaufzustehen und am Wiederaufstieg der Grünen zu arbeiten. Kogler ist davon überzeugt, "die große, grüne Idee lässt sich nicht umbringen": "Wir haben es vernudelt, wir sind nun dafür verantwortlich, das wieder in die Hand zu nehmen und genau das haben wir vor: Wir starten jetzt das Projekt ‚Vorwärts Grün‘."

Es ist ein Amt, dass Kogler ohne Gegenkandidaten und -kandidatinnen annehmen kann. Es ist eines, das viele nur angezogen hätte, um parteiintern ihre eigene Position zu stärken. Die Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou hatte etwa bekundet, eine aktivere Rolle in der Bundespolitik übernehmen wollen. Die Abwicklung der Bundespartei und Bundesschulden verteilen überlässt man zwar gerne einem der "Alten", dem langjährigen Nationalratsabgeordneten und Ökonomen Werner Kogler. Er macht aber auch klar: Für einen Neustart sein heißt "Themen nachschärfen und nicht nur laufen, sondern für die grüne Sache brennen". Angesichts vieler bedauernder Mails hat Kogler den Hashtag Wiedereinzug schon vor Augen.

Konflikte mit der Basis

Beim grünen Neustart geht es nicht nur um die Abwicklung der Bundespartei und nicht nur ums Verteilen von Bundesschulden. Es gibt viele Konfliktlinien, zwischen denen die Grünen in diesem Wahlkampf herumgeschlingert sind und die sie nun auflösen müssen. Da wäre etwa der Konflikt einer engen Bundesparteispitze, die hierarchisch führt, versus innerparteiliche Demokratie mit Einbindung der Basisgrünen, aber auch grünnaher Organisationen wie etwa NGOs aus dem Umweltschutz-, Menschenrechts- oder sozialen Bereich.

Dieser Konflikt brach nicht nur mit dem Ausscheren der Jungen Grünen offen auf, er zeigte sich in Wien mit dem Heumarktprojekt. Und er zeigte sich im Gefühl Grün-Affiner, die angesichts der internen Probleme in ihrem Umfeld weniger positive Stimmung für die Partei erzeugten. Auch bei der Bildung der Grünen-Listen zeigte sich einmal mehr, dass das scheinbar sehr basisdemokratische Konzept auf dem Bundeskongress für eine erwachsene Partei, die strategisch denkt, relativ ungeeignet ist: "Da werden Kräfte und Energien für die interne Positionierung im Vorfeld gebunden", sagten einige Grüne schon am Wahlabend.

Kommunikationsfehler

"Es werden Gruppeninteressen gegeneinander ausgespielt, wo es letztlich Verletzte und Enttäuschte geben muss", sagt Marco Schreuder, der bei solchen Wahlen auch schon selbst Leidtragender gewesen ist. Dieses Mal waren es beispielsweise Peter Pilz oder auch der langjährige Budgetsprecher Bruno Rossmann, die in solchen Vorwahlkämpfen andern unterlagen. Da wäre der Konflikt in der Kommunikation: Sich selbst als Alternative zu präsentieren, die mit jeder Grün-Stimme weniger auch Chancen verliert, diese im Parlament zu vertreten, versus Kritik an anderen Parteien. Mit Warnungen vor Schwarz-Blau konnten die Grünen bekanntermaßen nicht nur keine Wählerstimmen aus dem konservativeren, aber Rechtsaußen ablehnenden Lager gewinnen. Im Gegenteil: Die Aussicht oder Furcht vor Schwarz-Blau trieb Stimmen von den Grünen weg zur SPÖ von Christian Kern. "Es war ein Fehler, nicht einmal in den letzten 14 Tagen vor der Wahl offen zu sagen: Es geht um unser Überleben", bringt das die nun ehemalige grüne Abgeordnete Ruperta Lichtenecker auf den Punkt.

In der nun schwelenden internen Debatte geht es daher auch um das weitgehend fehlende populistische Zuspitzen von Themen aus der Basis heraus versus gesamtheitlichem Begreifen von Themen und einer "oberlehrerhaften Vermittlung", wie manche Grüne das nun ausdrücken. Um es einfach zu sagen: Auch GrünAffine interessieren die Gefahren für den Biobauern ums Eck durch den Klimawandel mehr als die weltweite Erderwärmung.

Regierung oder Opposition

Die Grünen haben zu wenig klargemacht, was grüne Politik für potenzielle Wähler leisten kann. Nicht nur jene, die den kritischen Aufdeckerkurs des Peter Pilz schätzten, wanderten als Wähler zu seiner Liste, auch soziale Fragen brachte er mit seiner Ansage zur Unterhaltsgarantie für Alleinerziehende populistisch deutlich auf den Punkt.

Daraus ergibt sich der Konflikt Regierungspartei versus kritischem Oppositionskurs. Und gestandene 31-jährige erwachsene Partei versus "neue" Partei, in die sich noch viel hineininterpretieren lässt. Im jeweils Zweiterem war Peter Pilz glaubwürdiger. Den Grünen aber fehlte die politische Erneuerung. Oder anders gesagt: Mitregieren auf Landesebene und ein Oppositionskurs, wenn man für die Bundespolitik läuft, lässt sich nicht glaubwürdig vereinbaren. Hinzu kommt das grüne Wabern zwischen links und rechts. Da sind die Links-Grünen in Wien, die im erweiterten Bundesvorstand vorrechneten, dass die Bundespartei in einigen Ländern deutlich schlechter abgeschnitten hat als in anderen. Den konservativeren Grünen in den westlichen Bundesländern wird von Links zu viel Pragmatismus vorgeworfen.

"Nicht im eigenen Saft braten"

All das gilt es mitzubedenken, wenn die Grünen nun versuchen, sich personell und programmatisch neu aufzustellen. Schon vor dem Bundesvorstand am Freitag wurden Stimmen laut, die ein radikales Umdenken bei der Reflexion der Grünen fordern. Er wolle, dass eine "mutige Analyse" gemacht wird, sagte der - ebenfalls langgediente - grüne Abgeordnete Karl Öllinger am Dienstag. Möglichst viele Leute von außen sollen einbezogen werden, wünscht sich Öllinger, der durchaus zum linken Parteiflügel gezählt werden darf. Er wolle nicht, dass man "bei der Analyse wieder im eigene Saft brät, und sich die Leute, die möglicherweise diese Krise zu verantworten haben, sich dann selbst dabei beurteilen, wie sie diese Krise bewältigen".

"Die Debatte und Fehleranalyse läuft schonungslos selbstkritisch, aber ohne Selbstzerfleischung", ließ die grüne Europaabgeordnete Monika Vana am Freitagnachmittag aus dem erweiterten Bundesvorstand wissen. "Das hätte, wie man aus der Vergangenheit der Grünen weiß, auch anders laufen können." Jetzt aber gehe es vor allem um das finanzielle und strukturelle Überleben der Grünen. Immerhin: 2,5 Euro pro Wählerstimme, in Summe rund eine halbe Million Euro, bekommen die Grünen als Wahlkampfkosten rückerstattet, bei fünf Millionen Euro bleiben allerdings noch eine ganze Menge übrig.

"Eine bittere Erkenntnis ist, dass wir der SPÖ gegenüber zu wenig angriffig waren. Wir haben zu wenig auf den Rechtsruck, auch auf die Möglichkeit von Rot-Blau, hingewiesen", sagte Vana. Angst, dass die Grünen von der bundespolitischen Bildfläche verschwinden könnten, hat sie nicht: "Es gibt mit dem Bundessprecher, den vier Bundesräten und den drei EU-Abgeordneten, die das Recht haben, in Europa betreffenden Ausschüssen zu sprechen, auch weiterhin Bundespolitik."

Eines ist für Werner Kogler aber nach dem Tag klar: An grünen Werten wie Klimaschutz, Gleichberechtigung, Umverteilung, Europa und Menschenrechten werde man festhalten. Und für "Grün brennen und rennen." Wie heißt es so schön: Grün ist die Hoffnung.

IM Porträt: Werner Kogler

Pointiert, emotional, sachverständig. So kennt man Werner Kogler aus seinen Reden im Nationalrat, dem er 18 Jahre lang angehörte. Der "Neue" als Bundessprecher ist grünes Urgestein. Werner Kogler war 1981 Gründungsmitglied der Alternativen Liste Graz sowie der Alternativen Liste Steiermark und Österreich. Noch während seines Studiums der Volkswirtschaftslehre an der Karl Franzens Universität in Graz zog er als Grüner in den Grazer Gemeinderat (1985 bis 1988) ein, wechselte 1994 nach Studienabschluss als Angestellter in den Grünen Parlamentsklub und wurde Mitglied der Klubgeschäftsführung.

Er hat sich von Beginn an auch als Aufdecker gesehen. Einer, der - ausgestattet mit einem ökonomischen Verständnis - nachbohrt. So hat er 1999 gemeinsam mit seinem Parteikollegen Karl Öllinger "Die Klima Connection. Freundschaft. Euroteam: Freunderl- und Vetternwirtschaft in der SPÖ. Der Lehrlingsskandal des Bundeskanzlers. Beschäftigungsmillionen für Parteigünstlinge - Korruption in der EU" herausgegeben. Klima steht hier nicht für die Klima-Katastrophe, sondern für den damaligen Bundeskanzler Viktor Klima.

Nach dem Ausscheiden Alexander Van der Bellens aus dem Nationalrat 2008 übernahm Kogler die Rolle des Chefökonomen des Grünen Klubs. Er war dort Budget-, Finanz- und Rechnungshofsprecher der Grünen und Vorsitzender des Rechnungshofausschusses. 2009 wurde Kogler mit 100 Prozent Zustimmung zum zweiten Stellvertreter der damaligen Bundessprecherin Eva Glawischnig gewählt.

In Kurzbeschreibungen wird er manchmal als "Josef Cap plus Fachwissen" und "Peter Pilz minus Egozentrik" charakterisiert.

In die Nationalratsgeschichte wird er eingehen mit der längsten rede, die dort jemals gehalten wurde: Bei der Debatte im Budgetausschuss, die dem Beschluss des Budgets 2011 am 16. Dezember 2010 voranging, begann er um 13.18 Uhr und endete um exakt 2.00 Uhr. Nach 12 Stunden und 42 Minuten endete er mit den Worten: "Das ist eigentlich schon alles, was ich sagen wollte. Das soll’s gewesen sein. Wir sind gespannt, ob Sie unsere dargebrachten Vorschläge aufnehmen werden".

Chefökonom wird Chefstratege