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Wien-Lobbyist auf Abwegen

Von Alexander Dworzak

Politik

Während Gregor Woschnagg für Wien als Sitz einer EU-Agentur warb, stand er an der Spitze eines Beratergremiums des Investmenthauses Vienna Capital Partners. Deren Gründer wurde wegen Betrugs und Untreue verurteilt.


Wien. Dass Wiens Chancen als neuer Sitz der EU-Arzneimittelbehörde EMA und der Bankenaufsicht EBA nicht zum Besten stehen, war bereits vor der Abstimmung klar. Doch das Votum der EU-Außenminister vom Montag unterbot alle Erwartungen, insbesondere beim Kampf um die EMA mit 900 hochqualifizierten Mitarbeitern, die im Zuge des Brexit aus London abwandern müssen. Nur vier Punkte erhielt Wien als EMA-Sitz bei der Abstimmung unter den verbleibenden 27 EU-Ländern - drei davon vergab Österreich selbst.

Die Niederlage ist nicht nur eine für die heimische EMA-Steuerungsgruppe, in der zuletzt Bundeskanzleramt, Gesundheits-, Wirtschafts-, Finanz-, Außenministerium, Wirtschaftsagentur Wien und Wirtschaftskammer Wien vertreten waren. Sondern auch für Gregor Woschnagg. Von 1999 bis 2007 diente er als Botschafter Österreichs bei der Europäischen Union und war damit zentraler Verbindungsmann zu den EU-Institutionen. Danach ging er in Pension. Im Jänner dieses Jahres wurde Woschnagg als Lobbyist für Wiens Kandidatur engagiert. Er verfüge "wie sich im Zuge des Prozesses bestätigt hat, über hervorragende Netzwerke in alle EU-Mitgliedsstaaten", teilte die Wirtschaftsagentur Wien kurz vor der Abstimmung der "Wiener Zeitung" schriftlich mit. Die Wirtschaftsagentur Wien und das Gesundheitsministerium schlossen gemeinsam den Vertrag mit Woschnagg.

Erfolgsprämie und Reisespesen

Demnach übte der Lobbyist seine Tätigkeit unentgeltlich aus. "Nur für den Fall eines Zuschlages für Wien ist eine Erfolgsprämie vereinbart. Anfallende Kosten im Zuge seiner regen Reisetätigkeit werden zu gleichen Teilen von Wirtschaftsagentur Wien und Gesundheitsministerium übernommen."

Während Woschnagg für Wien lobbyierte, hatte er zwei weitere Mandate inne. Bereits seit 2007 ist der mittlerweile 78-Jährige außenpolitischer Berater der Industriellenvereinigung. Zudem ist Woschnagg seit 2009 für das Investmenthaus Vienna Capital Partners (VCP) tätig, er steht an der Spitze des Beratergremiums (International Advisory Board).

Juristisch kein Konflikt

Gründer und Senior Partner der VCP ist Investmentbanker Heinrich Pecina. Er wurde im August im Hypo-Prozess der Untreue schuldig gesprochen und des Betrugs schuldig erkannt. Dabei ging es um ein Gutachten, welches die Bank HSBC für den Verkauf der Hypo-Anteile an die Bayerische Landesbank erstellt hatte. Eigentlich hätte es die Hypo-Verkäuferin Kärntner Landesholding zahlen müssen. Tatsächlich hat eine Hypo-Tochter die 4,3 Millionen Euro an VCP bezahlt, die den Deal abgewickelt haben. Pecina gestand, zahlte drei Millionen Euro Wiedergutmachung. Er erhielt 22 Monate Haft bedingt und eine Geldstrafe in Höhe von 288.000 Euro. Der Investmentbanker nahm das Urteil an.

Somit ist Ex-Diplomat Woschnagg für eine Aktiengesellschaft tätig, in der ein Wirtschaftskrimineller eine führende Position einnimmt. Juristisch stünden die beiden Beratungsmandate in keinem Konflikt, sagt Gregor Stickler, Partner der auf Vergaberecht spezialisierten Anwaltskanzlei Schramm Öhler zur "Wiener Zeitung". Doch wie steht es um die politische Vereinbarkeit zwischen dem Mandat bei VCP und dem Lobbying für Wien - finanziert von der öffentlichen Hand?

Woschnaggs Tätigkeit für Vienna Capital Partners "war der Steuerungsgruppe nicht bekannt", erklärt die Wirtschaftsagentur Wien. Der frühere Spitzendiplomat selbst bagatellisierte im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" die Rolle von Heinrich Pecina bei VCP; dieser sei dort nur mehr Aufsichtsratsmitglied.

Wer das Aushängeschild bei VCP ist, zeigt ein Blick auf die Webseite. Dort steht nicht Vorstand Christian Riener an erster Stelle der Wiener Teamseite, sondern Pecina. Betont wird dabei seine jahrzehntelange Erfahrung bei der Entwicklung von Investmentbanking-Aktivitäten und dem Eintritt in neue Märkte.

Pecina ist in Ungarn geschäftlich hochaktiv, wenn auch nicht direkt unter dem Namen VCP. Ende Juli veräußerte die Vorarlberger Russmedia ihre drei ungarischen Regionalzeitungen sowie zwei Blätter in Rumänien. Käufer war die Media Development Management Kft. Diese wiederum ist "eine Tochtergesellschaft der CPS Investment Services AG, über welche Mitarbeiter und Partner der VCP Gruppe in Beteiligungen investieren", so Russmedia damals. Laut der Wirtschaftsauskunftsdatei Creditreform hält an ebenjener CPS Investment Services AG die Collegia Privatstiftung 70,6 Prozent der Anteile. Bei Collegia wiederum ist Heinrich Pecina mehreren Medienberichten zufolge Stifter. Gemäß Firmenbuch amtiert er als Vorsitzender des Stiftungsvorstands.

VCP und der Medienskandal

Ebenfalls in Ungarn gingen VCP über die Firma Mediaworks alles andere als zimperlich als Eigentümer der Tageszeitung "Népszabadság" vor. Das wichtigste überregionale Blatt stand Premier Viktor Orbán kritisch gegenüber und wurde im Oktober 2016 von einem Tag auf den anderen eingestellt. Keine drei Wochen nach der Liquidierung von "Népszabadság" verkauften Vienna Capital Partners ihr verbliebenes Medienportfolio. Dieses bestand aus zwölf Regionalzeitungen und einer Sport-Tageszeitung in Ungarn. Käufer war Opimus Press. Die Aktionäre dieser Holding residieren laut "Süddeutscher Zeitung" auf den Seychellen und in Nigeria sowie im ungarischen Felscút - Heimatgemeinde des Regierungschefs. Von dort aus agiert Lörinc Mészáros. Der ehemalige Gas- und Heizungsmonteur stieg unter Viktor Orbán zum Oligarchen auf. "Strohmann" lautet daher Mészáros’ Spitzname.

Damit seien die Vertreter von Vienna Capital Partners und die Orbán-nahen Oligarchen Lörinc Mészáros sowie Andrew Vajna die einzigen verbliebenen Eigentümer von Regionalmedien in Ungarn, berichtet das International Press Institute. Fragen der "Wiener Zeitung" nach den strategischen Überlegungen des Kaufes und dem Anlagehorizont blockten VCP ab. Der frühere "Népszabadság"-Redakteur András Dési malt ein düsteres Szenario: "Von Heinrich Pecina kann man nichts Gutes erwarten. Er war und bleibt Mittelsmann. Pecina wird für gutes Geld weiterverkaufen."

Auch Rudas für VCP tätig

Gregor Woschnagg verneint, dass der Beirat von VCP in die Einstellung der Zeitung "Népszabadság" involviert war. Über die Rolle des International Advisory Board sagt der Ex-Diplomat: "Wir treffen uns zweimal im Jahr und sprechen über Makroökonomie. Das ist nicht an die Person Pecina gebunden." Dem illustren Beraterkreis gehört als stellvertretender Vorsitzender der frühere SPÖ-Bundesgeschäftsführer Andreas Rudas ebenso an wie Ungarns Ex-Außenminister János Martonyi oder der frühere Finanzattaché der französischen Botschaft in Deutschland, Louis de Fouchécour.

Warum hat Woschnagg nach der Verurteilung von Heinrich Pecina nicht sein Beratungsmandat im International Advisory Board von VCP zurückgelegt, mit Blick auf das Lobbying für Wien? "Es hat seither (August, Anm.) keine Sitzungen gegeben. Daher hat sich diese Frage für mich nicht gestellt." Seinen Rücktritt hätte er aber dennoch einreichen können, unabhängig von den Sitzungsterminen. "Korrekterweise hätte ich einen Ersatz suchen müssen. Das habe ich bis jetzt nicht getan", sagt Woschnagg. Angesprochen auf einen späten Rückzug, meint er: "Das ist eine Sache, die ich mir überlegen muss. Ich habe die Entscheidung nicht getroffen."