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"Geht, heilt und verkündet"

Von Heiner Boberski

Politik

Hermann Glettler, neuer Bischof von Innsbruck, sorgt sich um soziale Balance und Europa.


Innsbruck. Mit Ausnahme von Reinhold Stecher stammte keiner der bisherigen vier Bischöfe von Innsbruck aus Tirol. Auch der fünfte Träger dieses Amtes, der am 2. Dezember in der Innsbrucker Olympiahalle geweiht wird, kann nicht auf Tiroler Herkunft verweisen. Nach ungewöhnlich langer Sedisvakanz - der bisherige Bischof Manfred Scheuer wurde bereits im November 2015 nach Linz berufen - fiel die Wahl Roms auf den Steirer Hermann Glettler, zuletzt Bischofsvikar für Caritas und Neuevangelisierung in der Diözese Graz. Die Weihe am Samstag, zu der man bis zu 8000 Menschen erwartet, wird der Salzburger Erzbischof Franz Lackner vornehmen.

Seit seiner Ernennung am 27. September hat sich Glettler in mehreren Interviews sowie jüngst beim monatlichen "Jour fixe" der katholischen Publizistinnen und Publizisten in Wien zu kirchlichen und politischen Fragen geäußert. So deutete er an, dass gewisse Parteiungen in der Diözese Innsbruck dem Vatikan eine Lösung von außen nahelegten. Er verstehe, dass darüber zunächst bei vielen Tirolern Frustration herrschte - das dafür in seiner neuen Landessprache übliche Wort hat er schon gelernt: "Luschtverluscht".

Hermann Glettler, 1965 in Übelbach geboren, ist besonders kunstaffin. Er hat sich als Maler einen Namen gemacht und als Pfarrer von St. Andrä in Graz zahlreiche Künstler gefördert. Sein Bischofsamt versteht er vor allem als Dienst: "Das Amt ist zum Dienen da."

Während eines Ferialpraktikums bei den Mutter-Teresa-Schwestern in New York begegnete Glettler vielen Drogensüchtigen, in seiner neuen Aufgabe will er für Menschen am Rand der Gesellschaft da sein: "Für wen ist man sonst Bischof?" Geprägt haben ihn Johann Koller, der langjährige Pfarrer von Wien-Hernals, der der Charismatischen Bewegung verbunden ist, sowie die Gemeinschaft "Emmanuel", mit der er 1983 auf seiner Maturareise in Frankreich in Kontakt kam.

Mission als Aufgabe

Der Wechsel aus Graz nach Innsbruck fällt ihm nach eigener Aussage nicht leicht, er sieht sich vor der Aufgabe, zwischen dem traditionsbewussten und dem liberalen Lager zu vermitteln. Das entspricht auch dem von ihm gewählten Wahlspruch: "Geht, heilt und verkündet." Der Kirche sei Beweglichkeit, nicht Bequemlichkeit geboten, ihre Mitglieder sollten füreinander Sorge tragen und füreinander heilsam sein, sie sollten in der "Predigt des alltäglichen Lebens" Sympathien für ihren Glauben wecken. Glettler scheut dabei das oft mit Kolonialismus verbundene und daher negativ besetzte Wort "Mission" nicht, sofern damit Entscheidungsfreiheit einhergeht.

Angesichts der laufenden Regierungsbildung wünscht sich Glettler, dass "auf die soziale Balance geachtet wird", das bedeute auch Solidarität mit Mindestsicherungsbeziehern und Zuwanderern. Das Friedensprojekt Europa müsse weiterentwickelt werden. Tendenzen zum Nationalismus unter dem Schlagwort "Wir und die anderen" lehnt der neue Bischof ab: "Wenn sich Identität nur in Abgrenzung ausdrückt, ist sie eine schwache Identität."

Was Migranten und Flüchtlinge anlangt, sollte die Kirche vermitteln, aber auch Ängste in der Gesellschaft verstehen. "Es gibt eine Form von Islam, vor der ich mich auch fürchte", sagt Glettler, doch die Extremisten seien in der Minderheit, die Mehrheit der Muslime sei friedlich.

Frauen im Diakonat

Er sei "nicht der Andreas Hofer des Kirchenvolksbegehrens", betont Glettler, gibt sich aber in kirchlichen Streitfragen offen für Reformen. Er kann sich sowohl "viri probati" - also bewährte, verheiratete Männer - im Priesteramt als auch Frauen im Diakonat vorstellen. Zugleich hebt er das gemeinsame Priestertum aller Getauften hervor. Es sei "Zeit, die Gemeinden aufzuwecken". Das Vorgehen jener Kardinäle, die "dubia" (Zweifel) angemeldet haben, ob der Papst mit seinem Dokument "Amoris laetitia" (das unter Umständen wiederverheirateten Geschiedenen den Empfang der Kommunion ermöglicht) noch auf dem rechten Weg der Glaubenslehre sei, kann Glettler nicht nachvollziehen. Er wirft den Kritikern "Spitzfindigkeit" und geringen Bezug zur Lebensrealität vor.

Erste Personalentscheidungen des neuen Bischofs sind die Ernennung von Jakob Bürgler, der die Diözese interimistisch leitete, zum Bischofsvikar für missionarische Pastoral. Interimistischer Generalvikar wird der Regens des Priesterseminars Innsbruck-Feldkirch, Roland Buemberger.