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Entspannter Blick auf Schwarz-Blau

Von Walter Hämmerle

Politik

Bundespräsident Alexander Van der Bellen zieht nach einem Jahr Bilanz und sieht keinen Grund für Aufregung über die neue mögliche Koalition.


Wien. Am Montag, dem 4. Dezember, jährt sich der Sieg von Alexander Van der Bellen gegen Norbert Hofer in der Stichwahl für das Amt des Bundespräsidenten zum ersten Mal. Der Erfolg des ehemaligen Bundessprechers der Grünen über den FPÖ-Kandidaten wurde damals als leuchtendes proeuropäisches Signal inmitten einer ansonsten düsteren politischen Stimmung interpretiert. Kurz zuvor hatte eine knappe Mehrheit der Briten für den Brexit und eine ausreichende Minderheit der US-Bürger für Donald Trump gestimmt, und in Frankreich und den Niederlanden schienen extreme Kräfte wie Marine Le Pen beziehungsweise Geert Wilders vor möglichen Wahlsiegen zu stehen.

Es kam dann zwar bekanntlich ganz anders, aber mit ein bisschen gutem Willen könnte man die Wahl in Österreich als Wendepunkt ausmachen, an dem die Zuversicht über die Weltuntergangsstimmung siegte.

In seinen ersten zehn Monaten im Amt gaben sich dann aber doch die innenpolitischen Krisen quasi die Klinke in die Hand. Es gab mehr als nur eine Gelegenheit für Van der Bellen, sein selbst gestecktes Ziel als Brückenbauer in die Tat umzusetzen. Zum ersten Mal war er gleich unmittelbar nach der Angelobung in seiner neuen Rolle gefragt, als die rot-schwarze Koalition wieder einmal auf der Kippe stand, sich dann doch auf einen "Neustart" einigte. Der hielt gerade einmal etwas mehr als vier Monate. Anfang Mai erklärte Reinhold Mitterlehner entnervt seinen Rücktritt, Sebastian Kurz übernahm nach absichtsvoller Verzögerung und beendete die Koalition mit der SPÖ. Die Neuwahlen vom 15. Oktober erbrachten sodann das bekannte Ergebnis. Seitdem verhandeln ÖVP und FPÖ über die Bildung einer neuen Regierung.

Nach derzeitigem Stand könnte eine Einigung am 20. Dezember verkündet werden. Van der Bellen würde einen Termin vor Weihnachten jedenfalls begrüßen, wenngleich er es für wichtiger erachtet, dass die Inhalte stimmen. Das erklärte er jedenfalls am Freitag in einem Hintergrundgespräch mit Journalisten.

Dass alles auf eine schwarz-blaue Regierung hinausläuft, nimmt der Bundespräsident erstaunlich gelassen und entspannt zur Kenntnis. Dabei war seine Skepsis gegenüber einer Regierungsbeteiligung der FPÖ einer der Fixpunkte im einjährigen Hofburg-Wahlkampf Van der Bellens.

Jetzt erzählt er nicht ohne Stolz, dass es in den vergangenen Wochen und Monaten der vertraulichen Gespräche mit Kurz und FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache gelungen sei, "eine kleine feine Kultur des gegenseitigen Vertrauens, Zuhörens und Respekts zu entwickeln". Die ist offensichtlich bereits ausreichend tragfähig, Belastungstests wie die gezielte Veröffentlichung diverser Indiskretionen auszuhalten. Und auch, die jeweiligen roten Linien aller Akteure zu akzeptieren.

Dass das Thema Europa, das heißt eine pro-europäische Rolle Österreichs in der EU, für Van der Bellen eine solche rote Linie darstellt, daran lässt er keinen Zweifel. Und gleichzeitig zweifelt er nicht, dass auch die künftige Regierung an diesem Kurs festhält. Weder sehe er eine weitere Annäherung Österreichs an die Viségrad-Staaten Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei noch ein Ausscheren Wiens aus den EU-Sanktionen gegen Russland.

Eine Gratwanderung ist für ihn jedoch die Mitgliedschaft der FPÖ in der zumindest erheblich rechtspopulistischen Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheit" im EU-Parlament. Diese erfordere "besondere Aufmerksamkeit, ich glaube aber, dass dies auch der FPÖ selbst bewusst ist", so der Bundespräsident.

Tatsächlich betrachten etliche EU-Politiker in Brüssel diese Mitgliedschaft als Problem. Dass Harald Vilimsky, der FPÖ-Delegationschef im EU-Parlament, nicht als Minister infrage komme, hängt damit zusammen. Dessen ungeachtet ist Van der Bellen sicher, dass die künftige Regierung sicherstellen wird, dass sich ihre Positionen deutlich von denen dieser Fraktion unterscheiden.

Bei anderen, in der Öffentlichkeit kontrovers diskutierten Themen sieht das Staatsoberhaupt keinen eigenen Empörungsbedarf. Sowohl bei der Stärkung der direkten Demokratie als auch bei Änderungen bei Sozialversicherungen, Schulen und Kammern vertraue er darauf, dass konstruktive Lösungen gefunden werden. Und neue Minister, die er noch nicht persönlich kenne, werde er aus einer Mischung von Neugier und Höflichkeit zum Zwecke des Kennenlernens zu einem persönlichen Gespräch bitten. Dies solle man jedoch nicht als Zensurgespräch missverstehen.

Davon abgesehen blickt Van der Bellen recht zufrieden auf sein erstes Jahr zurück. Vor allem die Treffen mit jungen Leuten habe er besonders als Bereicherung empfunden, das gelte ebenso für seine Truppenbesuche als Oberbefehlshaber des Bundesheers. Entsprechend begrüßt er die vorgesehene Investitionsoffensive in diesen Bereich. Und den diversen Königinnen dieses Landes gebühre besondere Anerkennung. Egal, ob aus dem Reich des Apfels, Weins, Most oder Biers, diese seien ausnahmslos hochprofessionelle Marketingbotschafterinnen ihrer Region und ihres Produkts. Wieder eine Brücke geschlagen.