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Ist jedes Kind gleich viel wert?

Von Martina Madner und Petra Tempfer

Politik
© fotolia/lefebvre_jonathan

Kritiker sagen, 40 Prozent der Kinder würden den von ÖVP und FPÖ geplanten Familienbonus nicht erhalten.


Wien. Grundsätzlich geht es um die Förderung von Familien. Genau das wäre mit dem Familienbonus, auf den sich die Koalitionsverhandler ÖVP und FPÖ am Wochenende geeinigt haben, geplant. Details werden zwar noch verhandelt. Bekannt ist aber bereits, dass Familien ab 2019 bis zu 1500 Euro pro Kind unter 18 Jahren weniger Steuern jährlich bezahlen sollen. Das soll die steuerliche Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten, die höchstens 1150 Euro bringt, ersetzen. Genau genommen geht es allerdings auch darum, ob alle Kinder gleich gefördert werden. Kritiker wie SPÖ oder Gewerkschaftsbund monieren nun, dass der Bonus Familien mit kleinem Einkommen benachteilige. Aber stimmt das überhaupt? Der Familienbonus wirft jedenfalls Fragen auf - Fragen, denen die "Wiener Zeitung" nachgegangen ist.

Wie viele Kinder würden profitieren?

"Jedes Kind ist gleich viel wert, der alte kreiskysche Grundsatz, gilt mit diesem Steuerbonus nicht", kritisiert etwa Bruno Rossmann, Abgeordneter der Liste Pilz. 1,6 Millionen Kinder unter 18 Jahren leben laut Statistik Austria in Österreich. Sofern ÖVP und FPÖ keine Negativsteuer für Niedrigverdiener festlegen, sind 40 Prozent davon laut Rossmann gänzlich vom Familienbonus ausgeschlossen.

Würde eine Negativsteuer Gerechtigkeit bringen?

Aber selbst wenn die Regierung eine Negativsteuer vorsieht - wie im "Kurier" dieser Tage kolportiert, aber von keinem der beiden Koalitionsverhandler bestätigt -, profitieren nicht nur jene mit den meisten Kindern, sondern zugleich auch jene mit dem höchsten Einkommen am meisten. "Da zahlen also Menschen, die unter 13.000 Euro im Jahr verdienen, mit ihren Konsumsteuern den Familienbonus gut verdienender Eltern mit", sagt Rossmann. "Das ist unerträglich." Denn der im Kurier beschriebene Plan sieht für jene, die weniger als 1500 Euro Steuer im Jahr bezahlen, nicht den vollen Betrag als Gutschrift, sondern nur einen Teil davon vor. Das wiederum benachteiligt jene, die ganz knapp über der Steuerfreigrenze liegen: Denn diese erhielten zwar den Bonus, wegen ihrer geringen Steuern aber nur wenig - und keine Gutschrift.

Wie viele Alleinerziehende
bekämen einen Bonus?

In Österreich gibt es rund 150.000 Ein-Eltern-Haushalte. Laut Florian Wakolbinger von der "Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung" profitieren 88.000, also mehr als die Hälfte der Alleinerziehenden, von dem Steuerbonus nicht. Denn nur 62.000 verdienen so viel, dass sie steuerpflichtig sind. Und nur ein Fünftel der Alleinerziehenden, etwa 33.000, zahlen laut Experten so viel Steuer, um voll vom Familienbonus zu profitieren. Benachteiligte sind vor allem Frauen, denn nur jeder zehnte Alleinerziehende ist männlich. Das Armutsrisiko für Alleinerziehende liegt laut Statistik Austria bei 40 Prozent. Der Familienbonus bevorzugt laut Wakolbinger Paare: Seinen Berechnungen zufolge erhalten Paare mit Kindern im Durchschnitt 108 Euro pro Monat, Alleinerziehende nur 54 Euro.

Steht der Bonus auch dem geschiedenen Vater zu?

Dem ÖVP-Wahlprogramm zufolge steht der Familienbonus jedem steuerzahlenden Elternteil zu, also auch Vätern, die nach einer Scheidung nicht mehr den Haushalt mit ihren minderjährigen Kindern teilen. So könnte die alleinerziehende Mutter mit Kind keinen Bonus erhalten, weil sie zu wenig verdient, während der besser verdienende, getrennt lebende Vater ihn bekommt. Noch sind die Details nicht geklärt, in ersten Überlegungen sagte ÖVP-Chef Sebastian Kurz noch, dass diese Mütter den Familiensteuerbonus vom Exmann einfordern könnten. "Wenn das keine Pflicht für Väter wird, kann das zu Problemen führen", sagt Jana Zuckerhut, inhaltliche Leiterin der österreichischen Plattform für Alleinerziehende. Sie erinnert daran, dass 23 Prozent der Alleinerziehenden keinen Unterhalt erhalten, trotz der Pflicht des anderen Elternteils, solchen zu zahlen.

Werden beide Einkommen zusammengezählt?

Anders als in Deutschland gibt es kein Familiensplitting in Österreich. Jedes Einkommen in einer Familie wird steuerlich also getrennt betrachtet. Das dürfte auch bei einer künftigen Berechnung des Familienbonus so bleiben. Denn die FPÖ hat in ihrem Wahlprogramm zwar ein Familiensplitting erwähnt, dafür aber "nur" rund eine Milliarde Euro als Budget eingeplant, obwohl sich die Steuerlast eines Alleinverdieners nicht nur auf die Ehepartner, sondern auch Kinder verteilen sollte. Da schon das deutsche Familiensplitting auf Österreich umgelegt vier Milliarden Euro kostet, dürfte der FPÖ-Vorschlag in den Verhandlungen kaum eine Rolle gespielt haben. Mit der individuellen Besteuerung gibt es aber auch nur den Familienbonus für Elternteile, die genügend verdienen.

Bleibt der
Kinderabsetzbetrag?

Ja, sofern das gilt, was vor der Wahl galt. Das Wahlprogramm der ÖVP spricht hier eine deutliche Sprache: "Den aktuell geltenden Kinderabsetzbetrag, der mit der Familienbeihilfe ausbezahlt wird, wollen wir unverändert lassen." Der Familienbonus soll nur die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten ersetzen. Insgesamt erhielten Familien damit eine Steuerentlastung von rund zwei Milliarden Euro jährlich anstelle der 150 Millionen, die der Kinderabsetzbetrag kostete. Für Finanzexpertin Sabine Kirchmayr-Schliesselberger ist es "grundsätzlich vernünftig, dass Steuerzahlende mit Kindern gegenüber solchen ohne bessergestellt sind". Aber: "Wermutstropfen dabei ist, dass alle Eltern das Geld erhalten, unabhängig davon, ob sie es für ihre Kinder ausgeben." Genauso wie der Kinderabsetzbetrag bleiben auch der Kinderfreibetrag und der Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrag als steuerliche Leistungen erhalten. Auch den Unterhaltsabsetzbetrag für Eltern, die Alimente zahlen, gibt es weiterhin.