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Geld, Gier und Schneemänner

Von Daniel Bischof

Politik

Am zweiten Verhandlungstag hielten die Oberstaatsanwälte und Grassers Anwalt Ainedter ihre Plädoyers.


Wien. Grasser sei korrupt und ein Lügner. Ein System aus "Geld, Gier und Geheimnissen" habe er aufgebaut. "In die eigene Tasche" habe der Ex-Finanzminister gewirtschaftet - zum Schaden der Steuerzahler. Es sind scharfe Worte, welche die Oberstaatsanwälte Gerald Denk und Alexander Marchart am zweiten Verhandlungstag des Buwog-Prozesses im Wiener Straflandesgericht verwenden.

Die Stunde der beiden Ankläger der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hat geschlagen. Ihre jahrelange Arbeit können sie - wie auch Karl-Heinz Grassers Anwalt Manfred Ainedter - am Mittwoch in ihrem Eröffnungsplädoyer präsentieren. Nachdem zuletzt die angebliche Befangenheit von Richterin Marion Hohenecker im Fokus stand, rücken nun wieder die Vorwürfe gegen Grasser und vierzehn weitere Angeklagte in den Mittelpunkt.

Für Denk und Marchart ist klar: Gemeinsam mit seinen Freunden hat Grasser "ein System der Korruption" aufgebaut. Dabei habe er sich doch in einer Broschüre in seiner Zeit als Finanzminister gegen Bestechung und Korruption ausgesprochen, sagt Marchart. "Grasser war nicht Teil der Lösung des Problems, sondern Teil des Problems selbst."

Die Anklagepunkte

Im Prozess wollen sich die beiden vor allem auf Zeugen stützen. Konkret dreht sich ihre Anklage um zwei Themenkomplexe: die Privatisierung der staatlichen Wohnungseigentumsgesellschaften (Buwog und andere Gesellschaften) 2004 und die Einmietung der Finanz in den Linzer Terminal Tower 2006.

Die Buwog-Privatisierung brachte den ebenfalls angeklagten Walter Meischberger und Peter Hochegger 9,6 Millionen Euro an Provision ein. Sie hatten dem letztlich siegreichen Bieter Immofinanz den entscheidenden Tipp gegeben, wie viel er bieten muss, um den Zuschlag zu erhalten. Wer Meischberger diesen entscheidenden Tipp gegeben hat, weiß der Lobbyist nach eigenen Angaben nicht mehr.

Dieser Tipp sei von Grasser gekommen, halten die Ankläger in ihrem Plädoyer fest. Dafür habe er dann von der Immofinanz - deren ehemaliger Chef Karl Petrikovics ist ebenfalls angeklagt - Bestechungsgelder erhalten. Schmiergeld ist laut den Staatsanwälten zudem bei der Causa Terminal Tower geflossen. Auch hier hätten Grasser, Meischberger, Hochegger und der Ex-Immobilienmakler Ernst Karl Plech "kassieren" wollen, so Marchart. 200.000 Euro habe das Baukonsortium für den Tower unter der Hand fließen lassen müssen, damit sich die Finanz in das Gebäude einmiete. Im Hintergrund habe Grasser jeweils die Fäden bei den Vorgängen gezogen, sagt Marchart: "Korruption spielt sich hinter verschlossenen Türen ab."

Über Briefkastenfirmen im Ausland habe man die Geldflüsse zu verschleiern versucht. Denn "was nützt die beste Bestechungszusage, wenn ich nichts davon habe". Grasser scheine zwar auf keinem verdächtigen Konto als Berechtigter auf - ein Teil des Geldes sei ihm aber jedenfalls zuzurechnen.

Die Powerpoints

Auch auf Grassers Schwiegermutter kamen die beiden zu sprechen. Laut Anklage hat Grasser fast eine halbe Million Euro in bar an einen Mitarbeiter der Meinl-Bank übergeben - außerhalb der Öffnungszeiten und ohne einen Beleg zu verlangen. Dabei könnte es sich um Schmiergeld handeln, so die Vermutung der Ankläger. Grasser bestreitet diesen und die anderen Vorwürfe. Er hatte im Ermittlungsverfahren behauptet, die 500.000 Euro von seiner Schwiegermutter erhalten zu haben, damit er sein Veranlagungstalent testen könne. Das stimme nicht, sagen die Staatsanwälte. Grasser könne das Geld nicht von ihr haben. Die Schwiegermutter habe selbst ausgesagt, dass sie nicht die Inhaberin des Geldes ist.

Mit eisiger Miene, hin und wieder Notizen machend, hören die Angeklagten den Anklägern zu. Sachlich und unaufgeregt tragen diese ihre Vorwürfe vor. Zur Unterstützung verwenden sie eine PowerPoint-Präsentation - ein Hilfsmittel, das im Buwog-Prozess Hochjunktur hat. Dass in den Folien auch Beweismittel abgebildet sind, empört aber Anwalt Ainedter. Während des Staatsanwälte-Plädoyers springt er vom Sessel auf. Er beschwert sich, dass die Abbildungen nicht zulässig seien. Nach einer kurzen Diskussion legt sich die Sache wieder. Ainedters Einspruch wird protokolliert, das Plädoyer kann weitergehen.

Dann sind die Privatbeteiligtenvertreter am Wort: Die Republik Österreich fordert von Grasser, Meischberger, Hochegger, Plech und weiteren Angeklagten 9,6 Millionen Euro an Schadenswiedergutmachung für den Buwog-Verkauf und 200.000 Euro für die Causa Terminal Tower. Zudem begehrt die Immofinanz-Firma CPC Corporate Finance Consulting von Hochegger wegen der Ausstellung fingierter Rechnungen für die zypriotische Briefkastenfirma Astropolis 9.912.812 Euro.

Wie der Schneemann

Als Ainedter dann zu Wort kommt, holt er zum Rundumschlag aus. Die Anklage sei "gekennzeichnet von Polemik und mangelnder Objektivität", sagt er in seinem Plädoyer. Das habe sein Blut so in Wallung gebracht, dass er nun reden muss, sonst könne er nicht schlafen.

Als "den Satan" schlechthin habe man Grasser dargestellt. Doch Beweise für seine Schuld gebe es keine, sagt der Anwalt. Die Anklage werde "schmelzen wie ein Schneemann in der Sonne". Denn sie basiere auf "freien Erfindungen, blühenden Fantasien und haltlosen Unterstellungen". Geld wäre für seinen Mandanten nie eine Triebfeder gewesen, so Ainedter. Grasser habe vor seinem Ministeramt bei Magna gut verdient. Die Medien kritisierte er - wie bereits mehrfach zuvor - für ihre vorverurteilende Berichterstattung. Die Schöffen sollten diese, so gut es eben gehe, "wegschalten".

Die Verhandlung geht heute, Donnerstag, weiter. Grassers zweiter Verteidiger, Norbert Wess, wird dann nähere Details präsentieren. Dabei wird er ebenfalls auf eine PowerPoint-Präsentation zurückgreifen. Der Titel: "Was wirklich geschah."